Windenergieausbau im Kreis Warendorf

14. August 2023: Von Dr. Herbert Bleicher, Umweltdezernent, und Sigurd Peitz, Bauamtsleiter, Kreis Warendorf

Der Bundesgesetzgeber hat im Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) bestimmt, dass die Errichtung und der Betrieb von Anlagen der erneuerbaren Energien im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegen. Der Kreis Warendorf sieht den Ausbau der erneuerbaren Energien als wichtige Aufgabe. Der Ausbau der Windenergie hat daran den größten Anteil.

Seit der Kommunalisierung der Umweltverwaltung 2008 ist die Kreisverwaltung als Untere Immissionsschutzbehörde (UIB) zuständig für Windenergieanlagen. In den ersten Jahren hat der Bereich Windenergie einen konstanten, aber insgesamt deutlich untergeordneten Arbeitsanteil eingenommen. Seit Umstellung des EEG Ende 2016 – von einer garantierten Einspeisevergütung auf Einspeisevergütungen im Rahmen von Ausschreibungen an der Energiebörse – hat sich der Aufgabenbereich WEA vergrößert und ist durch den politisch und gesellschaftlich weiter forcierten Ausbau der Windenergie zentraler Aufgabenschwerpunkt der UIB und der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) beim Kreis Warendorf geworden. 

Das erklärte Ziel der Landesregierung, die Voraussetzungen zu schaffen, bis 2027 insgesamt 1.000 neue Windenergieanlagen zu errichten, betrifft den Kreis Warendorf auf Grund der natürlichen und räumlichen Gegebenheiten in besonderer Weise. Nachdem im Koalitionsvertrag der NRW-Landesregierung von Sommer 2022 vereinbart worden war, die Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen auf die Bezirksregierungen zu übertragen, ist Anfang 2023 entschieden worden, dass die UIB bei den Kreisen und kreisfreien Städte zuständig bleiben. Zur Unterstützung der Genehmigungsbehörden durch die Landesbehörden wurde die Regional-Initiative Wind gegründet. In den Diskussionen der letzten Monate zum Verbleib der Zuständigkeit von Genehmigungsverfahren von WEA bei den UIB ist der Kreis Warendorf für das Ziel eingetreten, den im Rahmen der Energiewende und -sicherheit erforderlichen Windenergieausbau zu ermöglichen.

Die Anzahl der Anträge zur Errichtung von WEA steigt im Kreis Warendorf und hat sich in den letzten Monaten nochmals deutlich erhöht. Waren in den Jahren seit 2016 durchschnittlich drei bis fünf Antragsverfahren gleichzeitig zu bearbeiten, werden aktuell 25 immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren für rund 50 Neuanlagen fortlaufend bearbeitet. Hinzu kommen Änderungsverfahren für WEA. Durch Vorgespräche und Kontakte der Fachämter mit Projektierern sind über 200 weitere mögliche Standorte für WEA im Kreis bekannt. Wie viele hiervon konkret beplant und beantragt werden, ist offen. Die Zahlen machen aber die Dimension der Ausbauplanungen und auch die damit einhergehenden möglichen Konflikte deutlich.

Neuausrichtung der Bearbeitung
Nachdem Ende des Jahres 2022 absehbar war, dass der angekündigte Zuständigkeitswechsel für Windenergieanlagen zu den Bezirksregierungen nicht erfolgen würde, erfolgte in der Kreisverwaltung eine Neuausrichtung, um die aktuell vorhandene große Anzahl an Verfahren und Anlagen bearbeiten zu können und den Ausbau der Windenergie weiter zu fördern.

Als Ergebnis der Gespräche und eigener Prozessanalysen wurden die Verfahrensstelle im Bauamt verstärkt und als Team innerhalb des Sachgebietes Immissionsschutz eingerichtet, die Antragsbearbeitung effizienter organisiert sowie Personal aus anderen Arbeitsbereichen für die Bearbeitung der WEA-Verfahren eingesetzt. Wurden bisher Antragsverfahren im Wesentlichen von Ingenieurinnen und Ingenieuren bearbeitet, wird nun im Verfahren zielgerichteter zwischen Verwaltungsaufgaben (Verfahrensmanagement, Beteiligungsverfahren Schriftverkehr, Bescheiderstellung u.a.) und fachrechtlicher Bearbeitung (Lärm, Schattenwurf, Umweltverträglichkeitsprüfung u.a.) unterschieden und entsprechend gearbeitet. Die Leitung der Verfahrensstelle wurde auf eine Juristin übertragen. Zur Anlagensicherheit wird bei älteren WEA eine Umweltüberwachung mit Unterstützung der Bauaufsicht durchgeführt. Zwischen den zentral mit Windenergie beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kreisverwaltung finden ämterübergreifend regelmäßige Abstimmungsgespräche statt, in denen aktuelle Fragen besprochen und Aufgabenprioritäten festgelegt werden.
Damit der notwendige Ausbau der regenerativen Energien im Kreis gelingt und gleichzeitig ein hoher Artenschutzstandard und der Schutz der Biodiversität gewährleistet werden, sollen im Kreis Artenschutzprogramme besonders für die windenergiesensiblen Arten umgesetzt werden.

Neben den Optimierungen und Änderungen sind für die Bearbeitung der Aufgaben zusätzliche Stellen erforderlich und einzurichten, die zu einem wesentlichen Anteil gebührenrefinanziert werden. Mit politischem Beschluss von Kreisausschuss und Kreistag wurden diese für den laufenden Stellenplan freigegeben und konnten bereits besetzt bzw. aktuell ausgeschrieben werden.

Gleichzeit tritt der Kreis Warendorf dafür ein, die seit der Kommunalisierung durch das Land NRW geleisteten Kostenerstattungszahlungen unter Berücksichtigung des landesverfassungsrechtlich gesicherten Konnexitätsprinzips für Sach- und Personalkostenaufwendungen zu überprüfen und aufgabenbezogen anzupassen.

Fehlende Austauschstandards für digitalen Prozess
Digitale Genehmigungsverfahren würden die Zulassung von WEA erheblich beschleunigen, für mehr Transparenz gegenüber allen Beteiligten sorgen und Ressourcen (Papier, Postwege u.a.) sparen. Ganzheitliche digitale Genehmigungsverfahren sind derzeit jedoch nicht absehbar. Denn für einen digitalen Prozess - von der Antragstellung, über die Eingangsbearbeitung, Trägerbeteiligung, Bürgereinbindung bis zur Genehmigungserteilung - ohne Schnittstellen bzw. Medienbrüche sind einheitliche Austauschstandards erforderlich. Nur damit können Informationen und Dokumente zwischen verschiedenen Programmen digital ausgetauscht, zugeordnet und sicher übermittelt werden. Solange es Austauschstandards nicht gibt, bearbeitet auch der Kreis Warendorf die Genehmigungsverfahren für WEA übergangsweise hybrid, d.h. in Papier und digital. Dabei können lediglich Dokumente digital verschickt und empfangen werden. Auf Grund der Anzahl an Dokumenten und Größe der Datenmengen binden die erforderlichen digitalen Arbeitsschritte erheblich Zeit und Personal. Es bleibt Aufgabe für ein bundeseinheitliches Genehmigungsverfahren, die erforderlichen Austauschstandards zu entwickeln. Für das Baugenehmigungsverfahren liegen diese mit XBau, trotz unterschiedlicher Landesbauordnungen, bereits bundesweit einheitlich vor. Solange dies für Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz nicht der Fall ist, ist die politische Forderung einer wesentlichen Beschleunigung der Antragsverfahren durch Digitalisierung der Genehmigungsverfahren nicht umsetzbar!

Ausblick
Im ersten Halbjahr 2023 wurden im Kreis Warendorf 6 Genehmigungen für 12 neue WEA erteilt. Dies sind nach einem halben Jahr bereits doppelt so viele Anlagen gegenüber dem Durchschnitt der letzten Jahre. Die Genehmigungszahlen werden sich fortsetzen. Der Kreis Warendorf hat seine Hausaufgaben als Genehmigungsbehörde gemacht. Die Neuausrichtung der Antragsbearbeitung wirkt.

Ab dem Zeitpunkt der förmlichen Feststellung der Flächenbeitragswerte nach dem WinBG sind WEA außerhalb von Windenergiegebieten in den Regionalplänen in NRW nicht mehr privilegiert nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, sondern nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen. Eine besondere Problemlage ergibt sich dadurch in den Kommunen, in denen derzeit keine Ausschlusswirkung von WEA im Außenbereich besteht – weil keine Steuerung erfolgt, diese aufgegeben wurde oder faktisch unwirksam ist. WEA, die bis zum Zeitpunkt der neuen planungsrechtlichen Rechtsfolge im Außenbereich privilegiert zulässig sind, müssen dann als sonstige Vorhaben in der Regel abgelehnt werden oder können nur noch durch kommunale Planung ermöglicht werden. Es fehlt hierzu weiterhin eine Übergangs- oder Stichtagsregelung des Bundesgesetzgebers.
Auch ist die Wirkung einer landesplanerischen Steuerung von WEA in NRW durch LEP und Regionalplanung auf die Antragszahlen derzeit ungewiss. Es bestehen Rechtsunsicherheiten und Klärungsbedarf. Im Fall von Ablehnungen von WEA auf der Grundlage der Steuerung in kommunalen Bauleitplänen oder der Landesplanung sind die Genehmigungsbehörden deshalb erhebliche Haftungsrisiken ausgesetzt.
Der Ausbau der WEA erfordert jedoch eine unmissverständliche Rechts- und damit Investitionssicherheit für alle Beteiligten.

Auch zukünftig werden im Kreis Warendorf viele WEA beantragt und errichtet werden. Der Kreis Warendorf wird einen signifikanten Anteil am Ausbau der Windenergie leisten. Anzustreben wäre dabei ausdrücklich ein Mittelweg, der einerseits dem berechtigten Interesse nach einem deutlichen Ausbau der erneuerbaren Energien gerecht wird, aber andererseits auch nicht dazu führt, dass die damit verbundenen Konflikte aufgrund einer weit überdurchschnittlichen Aus- und Neubauquote im Münsterland ausgefochten werden. Hierfür sind weiterhin die richtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen in Land und Bund zu schaffen.

Dr. Herbert Bleicher
Quelle: Kreis Warendorf
Sigurd Peitz