Felix Ceylan – vom Jugendlichen „ohne Plan“ zum sozialen Arbeitgeber

16. Oktober 2023: Von Martina Forkel, Amtsleitung Aktivierende Leistungen Jobcenter job-com, Kreis Düren

Seit 2005 besteht im Kreis Düren der politische Konsens, dass junge Erwachsene in schwierigen Lebenslagen im ganz besonderen Fokus des kommunalen Jobcenters stehen. Fester Bestandteil des „Dürener Modells“ ist ein ganzheitlicher Blick auf die Berufs- und Lebensperspektiven Jugendlicher und ihrer Familien. Dabei geht es zunächst meist nicht um den Übergang Schule – Beruf und die Vermittlung in Ausbildung, sondern um Motivation, Aktivierung und Stabilisierung, um zum Teil geringe Schulbildung, unzureichende Sprachkenntnisse, instabile Gesundheit, Wohnungs- oder Schuldenprobleme und andere Schwierigkeiten. Gemeinsam mit den Arbeitsmarktpartnern hat das kommunale Jobcenter des Kreises Düren, job-com, ein vernetztes Unterstützungs-, Qualifizierungs- und Beschäftigungsangebot geschaffen, das auf die differenzierten Bedarfe junger Menschen zugeschnitten ist.

Ein besonderes „Highlight“ sind die 39 außerbetrieblichen Ausbildungsplätze, die die job-com jährlich für benachteiligte Jugendliche zur Verfügung stellt, um individuell auf ihre Bedarfe eingehen zu können und die Fachkräftegewinnung für die Region zu unterstützen.

Felix Ceylan hat die Schule vor dem Fachabitur abgebrochen, war mit Blick auf seine Zukunft ohne Orientierung. Durch die Unterstützung der job-com, des kommunalen Jobcenters des Kreises Düren, absolvierte Felix Ceylan eine pädagogisch begleitete sogenannte außerbetriebliche Ausbildung. Heute ist der 30-Jährige selbständiger Handwerksmeister und bildet selbst junge Menschen aus, unter anderem auch gemeinsam mit der low-tec, einem regionalen Beschäftigungsträger.

„Es ist schön zu sehen, dass Felix Ceylan, der früher selbst Unterstützung brauchte, heute als Meister und Ausbilder tätig ist. Da schließt sich ein Kreis“, fasst Michael Zimmermann, Leiter des Standortes Düren der low-tec, die positive Entwicklung seines ehemaligen "Schützlings“ zusammen. „Ich hatte damals einfach keinen Bock mehr auf die Schule, aber auch keine Vorstellung, wohin die Reise beruflich gehen sollte“, blickt Felix Ceylan einige Jahre zurück. Er kommt aus einer großen Familie, die immer wieder auf staatliche Leistungen angewiesen war.

„Mit 18 Jahren kam Felix Ceylan im Jahr 2012 zur job-com. Er wollte eine Berufsausbildung im Handwerk machen, kannte aber seine Talente nicht und wusste absolut nicht, was zu ihm passt. Um ein breites Spektrum verschiedener Berufsfelder kennenzulernen, stieg er in das job-com- Projekt 'Sprungbrett' ein, das Einblicke in mehr als 20 Berufe ermöglicht", schildert Johanna Thomas, Integrationsfachkraft der job-com für junge Erwachsene, die Ausgangssituation. Felix Ceylan nimmt das Angebot gerne an: „Ich wollte etwas Handwerkliches machen und habe so die Möglichkeit bekommen, in verschiedene Arbeitsfelder hineinzuschnuppern“.
Schon bei seiner ersten Station macht es „klick“ bei ihm: „Der Elektro-Bereich hat mir sehr gut gefallen, ich wäre am liebsten direkt da geblieben“, sagt er mit einem Lächeln. „Während seiner beruflichen Orientierung bei 'Sprungbrett' hat er sein ernsthaftes Interesse und seine Motivation bewiesen", erzählt Martina Forkel, Leiterin der job-com im Kreis Düren. „Nur so hat er es geschafft, einen der außerbetrieblichen Ausbildungsplätze zu bekommen, die die job-com jedes Jahr gemeinsam mit regionalen Beschäftigungsträgern zur Verfügung stellt und finanziert.“
Nach der „Sprungbrett-Phase“ bleibt es dabei: Ceylan macht bei der low-tec eine außerbetriebliche Ausbildung zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik.
„Felix Ceylan war höflich, ruhig und zurückhaltend“, erinnert sich Michael Zimmermann. „Trotzdem hatte er durchgehend einen hohen sozialpädagogischen Unterstützungsbedarf, da es nahezu täglich zu Verspätungen kam und er häufig nicht zielorientiert unterwegs war.“ Die Konsequenz: Felix Ceylan musste oft morgens zu Hause abgeholt werden. „Das Thema Pünktlichkeit und die Erfordernis aufsuchender Arbeit zog sich zwar durch die gesamte Ausbildung, trat aber mit zunehmender Dauer immer mehr in den Hintergrund“, erklärt Wolfgang Cleff, job-com-Teamleiter für junge Erwachsene, die Entwicklung von Felix Ceylan.

„Die Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen (BaE) ist eine reguläre duale Ausbildung. Arbeitgeber ist allerdings ein vom Jobcenter beauftragter Beschäftigungsträger, der zusätzlich zur fachlichen Ausbildung einem hohen Anteil pädagogischer Begleitung leistet. Darüber hinaus werden die Jugendlichen bei unterschiedlichen Problemen von uns begleitet“, schildert Wolfgang Cleff und weist darauf hin, dass es Jugendliche gibt, die nach der Orientierung in „Sprungbrett“ direkt in eine duale betriebliche Ausbildung vermittelt werden können. Für die Mehrheit der jungen Erwachsenen, die die job-com unterstützt, ist der Weg in eine Ausbildung allerdings weit. Wohnungsprobleme, Handyschulden, ein fehlender Schulabschluss, psychische Schwierigkeiten nach der Coronapandemie und vieles mehr können Hürden sein. „Genau diese Barrieren wollen wir gemeinsam überwinden und, sofern möglich, die Ausbildungsreife erreichen“, so Johanna Thomas von der job-com.
Ein entscheidender Faktor für den erfolgreichen Verlauf der Ausbildung ist der enge Austausch zwischen dem regionalen Beschäftigungsträger und der job-com. „Wir sind in einem ständigen Dialog, um den jungen Menschen bei allen Problemen Hilfsangebote machen zu können, damit sie ihren beruflichen Weg erfolgreich aufnehmen und weiterführen können“, sind sich Johanna Thomas, Wolfgang Cleff und Michael Zimmermann einig. Für jeden jungen Erwachsenen müsse so gemeinsam nach individuellen Lösungen gesucht werden.
Mit einem festen Willen und sozialpädagogischer Begleitung hat Felix Ceylan die Ausbildung, zu der auch Praktika in örtlichen Betrieben gehörten, im Jahr 2017 trotz einiger Hindernisse erfolgreich abgeschlossen. „Die zusätzliche Unterstützung durch die job-com und der low-tec hat mir sehr geholfen, die Ausbildung zu schaffen“, sagt er und ist heute froh, diesen Weg gegangen zu sein.


(v. l. n. r.) Felix Ceylan, Johanna Thomas (job-com), Michael Zimmermann (low-tec), Wolfgang Cleff (job-com), Manuel Oberstein.
Quelle: Guido Barth

Aber Ceylan wollte noch mehr: Von Sommer 2017 bis Januar 2019 besuchte er die Meisterschule. Da er während seiner Ausbildung Vertrauen zu seinem Lehrer für Stütz- und Förderunterricht bei der low-tec geschlossen hatte, fragte er nach Unterstützung bei der Vorbereitung auf die Meisterprüfung. Job-com und low-tec machten dies möglich.
Mit Erfolg: Felix Ceylan hat die Meisterschule abgeschlossen und einen Betrieb für Elektroinstallationen gegründet. Aber nicht nur das. Er ist mittlerweile auch Kooperationspartner der low-tec und hat im Rahmen dieser Zusammenarbeit im Jahr 2020 mit Manuel Oberstein seinen ersten Auszubildenden eingestellt. Oberstein, der bereits zwei Ausbildungen abgebrochen hatte und mit seiner Integrationsfachkraft bei der job-com zu dieser Zeit an vielen persönlichen Baustellen arbeitete, konnte seine bei der low-tec begonnene außerbetriebliche Ausbildung im Betrieb von Felix Ceylan fortsetzen und mit pädagogischer Unterstützung auch erfolgreich abschließen. „Man muss sich an die Regeln halten und Prioritäten setzen, um die Ausbildung zu schaffen“, sagt Manuel Oberstein rückblickend. „Wenn man die Förderangebote nutzt, hat man eine wirklich gute Chance“, sagt er weiter: „Bei allen Problemen haben wir gemeinsam mit den Betreuern bei der job-com und low-tec eine Lösung gefunden. Man wird nie allein gelassen, kann immer mit allen reden.“
„Das war ein Stück weit auch ein Wagnis, hat aber sehr gut geklappt“, blickt Michael Zimmermann zurück. „Felix Ceylan hat Verantwortung für seinen Azubi übernommen und das wirklich richtig gut gemacht“, sagt er nicht ohne Stolz mit Blick auf seinen ehemaligen „Kunden“.


Manuel Oberstein und Felix Ceylan.
Quelle: Guido Barth

Er weiß, dass die Ausbildungen im Elektro- und im Sanitär-Heizungs-Klima-Bereich sehr anspruchsvoll sind. “Wir schauen uns die jungen Menschen, die wir für die Elektrobranche ausbilden oder vermitteln, sehr genau an. Bisher haben alle Jugendlichen in diesem Bereich die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, weil sie das auch unbedingt wollten“, sagt Michael Zimmermann. "Diese Motivation ist der Schlüssel." Um eine berufliche Perspektive brauchen sich die Absolventen kaum Sorgen zu machen, sie sind auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt.
Felix Ceylan möchte die Erfolgsgeschichte fortschreiben und freut sich auf seinen nächsten Auszubildenden.

Mehr als 6 Millionen Euro, mehr als ein Drittel ihres Eingliederungsbudgets, investiert die job-com jährlich in die berufliche und persönliche Förderung junger Menschen. Zusammen mit einer leistungsstarken regionalen Trägerlandschaft ist ein differenziertes Angebot mit rund 600 Plätzen entstanden, das von der Heranführung an das Unterstützungssystem über aufsuchende Arbeit, individuelle persönliche Stabilisierung, Sprachförderung bis hin zu beruflicher Orientierung und Begleitung während der Ausbildung (Assistierte Ausbildung) reicht.
Das Beispiel von Felix Ceylan zeigt nicht nur beeindruckend, dass sich dieser Einsatz lohnt, sondern auch, dass das kommunale Jobcenter des Kreises Düren einen wichtigen Beitrag zur Arbeits- und Fachkräftesicherung in der Region leistet.

Unterstützungsangebot "Sprungbrett"
Bei "Sprungbrett" wird den Teilnehmenden die Chance eröffnet, sich in unterschiedlichen Ausbildungsberufen zu erproben, sich beruflich zu orientieren und erste Kompetenzen zu erlangen. Zusätzlich findet einmal wöchentlich Schulunterricht zur Vorbereitung auf die Berufsschule statt. Ziel ist die Vermittlung in eine (geförderte) Berufsausbildung. Das Projekt ist 2023 in einem neuen Angebot "Talentwerk" aufgegangen.

Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen (BaE)
Bei einer BaE handelt es sich um eine reguläre duale Ausbildung. Allerdings ist der Arbeitgeber ein vom Jobcenter beauftragter und finanzierter Beschäftigungsträger, der die jungen Menschen nicht nur fachlich ausbildet, sondern sie auch pädagogisch begleitet.
Je nach Unterstützungsbedarf kann eine BaE in der sogenannten integrativen oder in kooperativer Form durchgeführt werden. Bei der integrativen BaE erfolgt die praktische Wissensvermittlung überwiegend in den trägereigenen Werkstätten, aber auch durch Praktika in regionalen Betrieben. In der kooperativen Variante findet die Ausbildung in ausgewählten ausbildungserfahrenen Betrieben statt. Der Träger unterstützt dabei den Azubi durch Stützunterricht sowie Trainingseinheiten im Aufbau beruflicher Handlungskompetenzen und den Betrieb in allen Fragen der Ausbildung. Aktuell stehen pro Jahr 39 Ausbildungsplätze im Kreis Düren zur Verfügung.

Beschäftigungsträger low-tec gGmbH
Die low-tec gemeinnützige Arbeitsmarktförderungsgesellschaft Düren mbH ist die größte gemeinnützige Arbeitsmarktförderungsgesellschaft im Kreis Düren. In Düren hat sie ihren Hauptsitz mit Außenstellen in Aachen, Stolberg und Eschweiler.
Am Standort Düren führt low-tec seit 1996 Modellprojekte und Qualifizierungsmaßnahmen im handwerklichen und industriellen Bereich sowie im Dienstleistungsbereich durch.
Langzeitarbeitslose Frauen und Männer, arbeitslose Jugendliche, Berufsrückkehrerinnen und -rückkehrer oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen erhalten eine marktorientierte und zukunftsfähige Qualifizierung oder durch eine Beschäftigung eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt.

job-com, kommunales Jobcenter des Kreises Düren
Im Kreis Düren kümmert sich die job-com um die Grundsicherung von rund 23.000 Menschen und unterstützt arbeitsuchende Kundinnen und Kunden im Bürgergeld-Bezug mit beruflicher Beratung, Qualifizierung und Vermittlungsangeboten auf ihrem Weg zurück in Arbeit. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Standorten Düren und Jülich stehen im engen persönlichen Kontakt mit den Kundinnen und Kunden, pflegen einen vertrauensvollen Umgang und beraten auf Augenhöhe.


Martina Forkel
Quelle: Kreis Düren