Zusammenhang zwischen Verrohrungen, Renaturierungen und Hochwasserschutz am Beispiel des Pulheimer Baches im Rhein-Erft-Kreis
Große Renaturierungsmaßnahmen sind mittlerweile durch die verstärkte Öffentlichkeitsarbeit in aller Munde. Aber auch kleine Maßnahmen haben nicht nur ihre Berechtigung, sondern können sogar einiges bewirken, wie das hier beschriebene Beispiel eines kleinen regionalen Bachverbandes zeigt. Durch eine Vielzahl an kleinräumigen Renaturierungsmaßnahmen ist es dem Pulheimer Bachverband gelungen, aus einem bei Hochwasser gefährlichen Betongerinne in weiten Teilen ein erlebbares, naturnahes und hochwasserresilientes Gewässer zu schaffen.
Was haben eigentlich Renaturierungen, Verrohrungen und Hochwasserschutz miteinander zu tun?
Große Renaturierungsmaßnahmen wie z.B. der Emscherumbau sind mittlerweile durch die verstärkte Öffentlichkeitsarbeit in aller Munde. Dass Gewässer wieder in den Fokus der Wahrnehmung der Bevölkerung rücken, kann überregional pressewirksam vermarktet werden - je größer die Maßnahme, desto höher die Leserschaft. Aber auch kleine Maßnahmen haben nicht nur ihre Berechtigung, sondern können sogar einiges bewirken, wie das folgende Beispiel zeigt:
Durch eine Vielzahl an kleinräumigen Renaturierungsmaßnahmen ist es einem kleinen Bachverband mit hauptsächlich ehrenamtlichen Mitarbeitern im Gebiet des Rhein-Erft-Kreises gelungen, aus einem bei Hochwasser gefährlichen Betongerinne in weiten Teilen ein erlebbares, naturnahes und hochwasserresilientes Gewässer zu schaffen.
Sohlschale, so sah der Bach fast überall aus.
Quelle: Simone Schröder
Sohlschalen entfernt, Ufer abgeflacht und der Natur Raum gegeben zu wachsen.
Quelle: Simone Schröder
Hierfür wurden viele kleinräumige Maßnahmen realisiert, die - jede für sich allein genommen - kaum eine Verbesserung bringen. Durch konsequentes Durchsetzen dieser sehr kleinen Maßnahmen, die der Bachverband zum großen Teil mit seinen ehrenamtlichen Mitarbeitern in Eigenarbeit durchführen konnte, sind alle diese Maßnahmen mittlerweile „zusammengewachsen“. Dabei handelt es sich um Renaturierungen ab 50 m bis zur längsten Einzelmaßnahme von 1,2 km Länge. Diese Maßnahmen bringen aber nicht nur dem Gewässer selbst Vorteile.
Der positive Nebeneffekt für die Bevölkerung ist ein idyllischer Wanderweg an dem beschatteten Gewässer, der im Sommer auch angenehm kühl ist - ganz anders als die Wege an den angrenzenden unbeschatteten Feldern. Das Gewässer ist erlebbar geworden und nicht mehr nur ein begradigtes Betongerinne, das Wasser abtransportiert.
Ein schöner Ort zum Verweilen.
Quelle: Simone Schröder
Die Resilienz, also das schadlose Ableiten auch stärkerer Niederschläge, hat sich gewissermaßen nebenher eingestellt. Die Renaturierungen zielten vor allem auf eine Offenlegung des vorher auf weiten Strecken verrohrten Gewässers ab. Ein Rohr hat einen festen unveränderbaren Querschnitt, durch den eine beschränkte Menge Wasser passt. Wenn das Rohr nun als einfachste Verbesserungsmaßnahme nur nach oben hin senkrecht geöffnet wird, erhöht sich der Querschnitt und damit der Durchfluss. Ein Rohr bedeutet also immer eine Einengung des Gewässers, auch wenn es vermeintlich sicherer erscheint, da der Bach ja nicht über die Ufer treten kann.
Solange aber nicht der gesamte Bach ab der Quelle einschließlich aller oberirdischen (z.B. einmündende Gewässer, Niederschlagswassereinleitungen) und unterirdischen (z.B. Dränagen) Zuleitungen verrohrt ist, gibt es immer wieder Punkte, an denen im Starkregenfall mehr Wasser ankommt als durch das Rohr passt. Überall dort kommt es zu einem Aufstau und zum Überlaufen. Dann stehen plötzlich Keller voll Wasser - und je nach Niederschlagsmenge auch die Keller derjenigen Bürgerinnen und Bürger, die doch „nur“ einen verrohrten Bach im Garten haben. Daran ist dann weder die Stadt noch der Bachverband Schuld, die „das Rohr ja nie sauber machen“, sondern einfach der fehlende Platz für das Gewässer. Mehr Platz bedeutet mehr Sicherheit für alle!
Deshalb wurde der Bach nicht nur nach oben geöffnet, sondern auch - wo immer es möglich war - mit einer bepflanzten standsicheren und möglichst breiten Böschung versehen. Damit wurde der Fließquerschnitt und die Durchflusskapazität nochmals erhöht und die Hochwassergefahr auf diese Weise Stück für Stück minimiert.
Geradlinig ausgebaut, Betonsohle, Betonböschung, ideal für schnell abfließendes Wasser.
Quelle: Simone Schröder
Geschwungen, natürliche Bachsohle, standortgerecht bewachsene flache Böschungen, kann bei Hochwasser schadlos überfluten und Wasser zurückhalten.
Quelle: Simone Schröder
Die Wirksamkeit dieser kleinen Maßnahmen bzw. der Summe daraus zeigte sich besonders eindrucksvoll bei den Starkregenereignissen im Juli 2021. Hier kam es an dem kleinen Gewässer nur zu verhältnismäßig unbedeutenden und für die Bevölkerung schadarmen Überschwemmungen. Niemand war ernsthaft in Gefahr. 20 Jahre harte Arbeit haben sich also bereits mehr als ausgezahlt, auch wenn es natürlich keine hundertprozentige Sicherheit gibt und es am Gewässer noch einiges zu verbessern gibt.
Viel zu lange lebte der Mensch auf Kosten der Natur und nicht mit, sondern gegen die Naturgewalten. Regen gab es schon immer, Überschwemmungen auch. Nur baut der Mensch mittlerweile seine Häuser samt Keller in die „Untere Talgasse“ und wundert sich dann, warum er bei stärkerem Regen nasse Füße bekommt. Und wenn man schon unbedingt in der „Unteren Talgasse“ bauen muss, sollte zumindest strukturelle Infrastruktur nicht im Keller angesiedelt werden. Das Verständnis dafür fehlt leider nicht nur bei den Bürgerinnen und Bürgern - bestes Beispiel sind Archive und Serveranlagen in Behördenkellern oder Stromverteilungskästen in Versickerungsmulden.
Es wird höchste Zeit, den Gewässern wieder mehr Raum zu geben und mehr Rücksicht auf die Natur zu nehmen. Denn sonst nimmt sich die Natur den Raum, den sie braucht - ohne Rücksicht auf uns Menschen.
Simone Schröder
Quelle: Simone Schröder