Wettbewerb „Geschichte & COE“ lockt Schüler und Erwachsene ins Archiv

26. März 2019: von Ursula König-Heuer, Archivarin des Kreises Coesfeld

Das Archiv ist nicht nur das kollektive Gedächtnis einer Kreisverwaltung; es kann auch ganz intensive und nachhaltige inhaltliche Impulse geben, wenn es um die gezielte Aufarbeitung der spezifischen Historie einer Region geht. Im Idealfall kommen dabei auch spannende Geschichten zu Tage. Grund genug für den Kreis Coesfeld und den Kreisheimatverein, mit Unterstützung der Sparkassenstiftung für den Kreis Coesfeld einen neuen Geschichtswettbewerb auszuschreiben – mit beeindruckenden Resultaten.

Die Zeiten, in denen Archivarinnen und Archivare sich ausschließlich fern der Öffentlichkeit in Kellern vergruben, um alte Akten zu sichern und zu erschließen, sind lange vorbei. Ohne Zweifel ist die Bewertung und Erschließung des Archivguts primäre Aufgabe der Archive, doch seit Jahrzehnten nimmt die Öffentlichkeits- und historische Bildungsarbeit einen immer größeren Raum ein. Ausstellungen, zum Beispiel zu Kreisjubiläen, Tage der offenen Tür, Buchpublikationen, Archivführer, Vorträge zu historischen Themen gehören zum breitgefächerten Repertoire der Archive. Auch die Zusammenarbeit der Archive mit Schulen, z.B. im Rahmen einer Bildungspartnerschaft, rückt immer mehr in den Fokus.

Einen besonderen Weg, um u.a. Schülerinnen und Schüler für Geschichte und Archivarbeit zu begeistern, ging nun der Kreis Coesfeld in Zusammenarbeit mit dem Kreisheimatverein: Am 7. November 2018 wurde in der Kolvenburg in Billerbeck zum ersten Mal der Franz-Darpe-Preis im Rahmen des neuen Wettbewerbs „Geschichte & COE“ durch Landrat Dr. Christian Schulze Pellengahr verliehen. Junge Menschen an die Orts- und Regionalgeschichte heranzuführen, das ist das Ziel des neuen Preises, der nach Franz Darpe (1842-1911), dem Historiker und langjährigen Leiter des Gymnasiums Nepomucenum in Coesfeld, benannt ist. Kreis und Kreisheimatverein hatten aber nicht nur Jugendliche aufgerufen, Arbeiten zu geschichtlichen Themen einzureichen, sondern auch Erwachsene, die in einer eigenen Gruppe antraten. Das Thema war frei wählbar.

Im Vorfeld hatte unter Federführung des Kreisarchivs eine Arbeitsgruppe aus Historikern und Pädagogen die Kriterien zur Teilnahme erarbeitet, die in einem ansprechenden Flyer veröffentlicht wurden. Verbreitet wurden die Flyer an allen weiterführenden Schulen im Kreisgebiet, über die Städte und Gemeinden an öffentlichkeitswirksamen Stellen, bei den Heimatvereinen und an der Universität Münster. Darüber hinaus wurde er auf der Internet-Seite des Kreises Coesfeld veröffentlicht. Pressemitteilungen sowie die Vorstellung des Projekts auf der Facebook-Seite des Kreises Coesfeld waren weitere Kommunikationskanäle.

Abgabe- bzw. Einsendestelle für die Arbeiten war das Kreisarchiv; Kreisarchivarin Ursula König-Heuer leitete sie an ihre Jury-Kollegen Prof. Dr. Werner Freitag, Dr. Peter Ilisch, Prof. Dr. Bernd Walter (alle Historiker) und Dr. Andrea Peine (Geschichtslehrerin) weiter. Die Resonanz konnte sich sehen lassen: Eingereicht wurden insgesamt 19 Arbeiten, fünf Schüler- und 14 Erwachsenenarbeiten. Das Preisgeld von jeweils 1000 Euro für den ersten Platz wurde von der Sparkassenstiftung für den Kreis Coesfeld gestiftet.


Hans-Peter Boer, Vorsitzender des Kreisheimatvereins Coesfeld, Laudator Dr. Peter Ilisch, Heinrich-Georg Krumme, Sparkassenstiftung für den Kreis Coesfeld, Hauptgewinner Johannes Leushacke, Lukas Seggewiß, Dr. Norbert Nagel und Landrat Dr. Christian Schulze Pellengahr.
Quelle: Kreis Coesfeld/Madeleine Brüning

„Die beachtliche Teilnahme am ersten Wettbewerb ist sehr erfreulich“, stellten Landrat Dr. Christian Schulze Pellengahr und Heinrich-Georg Krumme von der Sparkassenstiftung für den Kreis Coesfeld in der festlich geschmückten Kolvenburg fest. Und Hans-Peter Boer, Vorsitzender des Kreisheimatvereins Coesfeld, appellierte in seiner kurzen Ansprache mit Blick auf die Nachwuchsforscherinnen und -forscher: „Wir hoffen, dass wir damit auch für die Zukunft das Interesse an geschichtlichen Themen bei Ihnen geweckt haben“.
Höhepunkt der Feier war die namentliche Nennung der Gewinnerinnen und Gewinner mit der Verleihung der Preise. Jury-Mitglied und Laudator Dr. Peter Ilisch erläuterte dem zahlreich erschienenen interessierten Publikum die Stärken der genannten Arbeiten und die Entscheidung der Jury.
Der Franz-Darpe-Preis ging in der Kategorie Erwachsene an den Olfener Johannes Leushacke, der eine umfassende Arbeit zur Geschichte der Bürgerschützengilde Olfen 1933-1954 verfasst hatte. Dabei bezog er Vergleiche zur Entwicklung anderer Vereine in der Umgebung in seine Untersuchung mit ein. Hilfreich bei der Recherche war hierfür die umfangreiche Festschriftensammlung in der Archivbibliothek des Kreisarchivs.


Schülerinnen und Schüler, untere Reihe (v.l.): Lil Twent, Nele Seyock, Julia Steenberg; mittlere Reihe (v.l.): Michael Schubert, Julia Walde, Linus Lux; hintere Reihe (v.l.): Luis Ettlinger und Katrin Greve
Quelle: Kreis Coesfeld/Madeleine Brüning

Über den ersten Preis bei den Schülerarbeiten freute sich eine elfköpfige Gruppe vom St.-Pius-Gymnasium in Coesfeld, die mit ihrer Arbeit „Täter und Opfer der nationalsozialistischen Zeit in Coesfeld“ überzeugte. Die Schülerinnen und Schüler Michael Schubert, Chantal Giss, Katrin Greve, Linus Lux, Julia Walde, Jenny Becker, Theo Dittmar, Neele Freitag, Benjamin Steinhoff, Luis Ettlinger und Max Kaup beleuchteten mit gründlicher Quellenrecherche in verschiedenen Archiven das Thema „NS-Zeit“ aus einer personenbezogenen Perspektive. Ein Opfer der NS-Machenschaften war der Kommunist Niels Hansen, dessen „Wiedergutmachungsakte“ im Kreisarchiv Coesfeld die Gruppe eingesehen und ausgewertet hat. 
In beiden Fällen fungierte das Kreisarchiv also auch als Anlaufstelle für Recherchen. Für junge Leute stellt der erste Archivbesuch oftmals eine Hemmschwelle dar – zu fremd ist das Terrain. Hilfreich ist da die Unterstützung des jeweiligen Geschichtslehrers bzw. der -lehrerin. So war es auch bei der vielköpfigen Schülergruppe: Der engagierte Lehrer des Projektkurses hatte im Vorfeld Kontakt zum Archiv aufgenommen und die Quellenlage zum Thema eruiert.
Weitere Preisträger bei den Erwachsenen waren der Coesfelder Dr. Norbert Nagel (2. Preis), der eine abgerundete Arbeit zu Leben und Werk des Heimatdichters und Oberregierungsbaurats Natz Thier aus Coesfeld vorlegte, sowie Lukas Seggewiß aus Coesfeld (3. Preis), der das Gymnasium in Coesfeld von 1773 bis 1802 in den Fokus nahm.

Bei den Schülerinnen und Schülern landete die Arbeit von Henrike Grütters, Nele Seyock und Julia Steenberg auf dem zweiten Platz. Sie analysierten den publizierten Schriftwechsel des Billerbecker Soldaten Walter Schwering mit seiner Mutter Johanna im Ersten Weltkrieg und überzeugten inhaltlich wie sprachlich. Drittplatzierte sind die beiden Schülerinnen Lil Twent und Sophie Heidemann, die zum Thema Schulpropaganda am Gymnasium Nepomucenum im Ersten Weltkrieg geforscht haben.


Ursula König-Heuer
Quelle: Kreis Coesfeld