Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) in der Praxis: Erkenntnisse und Vorgehensweisen für einen nachhaltigen Digitalisierungsprozess
Die Umsetzungsfrist des Onlinezugangsgesetzes ist am 31. Dezember 2022 abgelaufen. Ursprünglich sollten 575 OZG-Leistungen bis zu diesem Datum digital verfügbar gemacht werden. Wenngleich dieses flächendeckend ausgerufene Ziel bundesweit nicht eingehalten werden konnte, bleibt festzustellen, dass die Digitalisierung der Verwaltung insgesamt eine Beschleunigung erfahren hat. Die seinerzeit entwickelten übergreifenden Strukturen des föderalen OZG-Umsetzungsprogramms überzeugen insbesondere aus kommunaler Sicht nicht. Umso mehr kommt es daher auf die Vorgehensweise einer jeden Gemeinde-, Stadt- und Kreisverwaltung an – insbesondere jetzt nach Ablauf der Umsetzungsfrist des OZG 1.0.
Das Onlinezugangsgesetz (OZG) verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, alle Verwaltungsdienste in Deutschland digital über Verwaltungsportale anzubieten (Digitalisierung) und diese Portale zu einem Portalverbund zusammenzuschließen (Vernetzung). Hinsichtlich der Vernetzung, in Form des Portalverbundes, ist die einzelne Kommune nach Schaffung der technischen Voraussetzungen in hohem Maß von externen Akteurinnen und Akteuren abhängig. Im Rahmen der Digitalisierung hingegen hat sich innerhalb jeder Verwaltung bis zum Ende der OZG-Umsetzungsfrist am 31. Dezember 2022 ein individuelles Vorgehensmodell herausgestellt. Die Kreisverwaltung Viersen konnte hierbei durch die Anfang 2021 entwickelte Digitalisierungsstrategie frühzeitig Erkenntnisse aus der Pandemie einfließen lassen. Auf dieser Grundlage wurden wesentliche Eckpfeiler für die fortwährende OZG-Umsetzung festgelegt. So wurde die Digitalisierung als nachhaltiger Prozess in der gesamten Verwaltung etabliert, indem die notwendigen Veränderungen auch künftig bestimmt und mit Besonnenheit vorangetrieben werden. Die wesentlichen Elemente des Vorgehensmodells werden nachfolgend dargestellt.
Übersicht herstellen
Welche OZG-Leistungen sind für eine Kommune relevant? Aufgrund der dynamischen Veränderungen bei den OZG-Leistungszuschnitten ist die Erstellung einer geeigneten Übersicht die erste Herausforderung. Zwar gibt es mehrere Online-Plattformen mit entsprechenden Auswertungen, allerdings fehlt bislang eine abschließende Zusammenstellung, die frei von Ungenauigkeiten oder Systemfehlern ist. Letztlich erfordert das jeweilige Ortsrecht ohnehin eine individuelle Betrachtung. Auch der Detailgrad in der Übersicht ist vorab entsprechend der maßgeblichen Zielsetzung festzulegen. Das Ziel könnte etwa im verwaltungsinternen OZG-Monitoring liegen oder im Sinne des Prozessmanagements um eine vertiefte Analyse aller mit den Dienstleistungen verbundenen Abläufe erweitert werden.
Die Kreisverwaltung Viersen hat eine Reifegradmatrix der in ihre Zuständigkeit fallenden OZG-Leistungen erstellt und die im Dienstleistungsverzeichnis der Website aufgeführten Services ergänzt und zugeordnet. Auf die Angabe der Verrichtungen nach Leistungskatalog (LeiKa) wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit bewusst verzichtet; auch der Brückenschlag zur detaillierten Prozessanalyse bot sich angesichts der Rahmenbedingungen nicht an. Ausgangspunkt bildet vielmehr das Dienstleistungsverzeichnis der in Design und Technik neu aufgestellten Website. Einzelne OZG-Leistungen finden sich also auch in mehreren Services wieder. Gleichzeitig gibt es auch Services, die bislang keiner OZG-Leistung zuzuordnen sind.
Damit unterscheidet sich die OZG-Reifegradmatrix maßgeblich von einem übergreifenden Prozessmanagement und ist auf den Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen ausgerichtet. Dennoch werden auch die Leistungserstellungsprozesse – respektive das „Backend der Verwaltung“ – explizit mitgedacht. Ausgangspunkt der Betrachtung bleibt dabei weiterhin der einzelne (Online-)Service. So endet die Digitalisierung nicht mit dem elektronischen Antragseingang, sondern betrifft vor allem die Befähigung der Verwaltungskräfte zu einem effizienten Einsatz der vorhandenen E-Government-Basistechnologien (etwa Formularserver, Workflows und Dokumenten-Management-Systeme). Noch wichtiger als die bloße Bereitstellung dieser Tools und Hilfsmittel ist es also, eine den technischen und organisatorischen Neuerungen entsprechende Digitalkompetenz in allen Bereichen der Verwaltung zu implementieren. Dies umfasst wiederum sämtliche Arbeitsbereiche, neben den Prozessen auch die Ausstattung und die Zusammenarbeit selbst.
Digitalkompetenz ausbauen
Die Umsetzung von Maßnahmen aus der Digitalisierungsstrategie wird an vielen Stellen in der Kreisverwaltung Viersen intensiv fortgeführt. So etwa konnte der Ausstattungsgrad an mobilen Arbeitsplätzen inzwischen auf über 80 Prozent erhöht werden. Gleichsam wird der Ausbau der Digitalkompetenz unter anderem durch die Einführung des Digitallotsenkonzeptes vorangetrieben. In diesem Rahmen wurden knapp 40 Digitallotsinnen und -lotsen aus allen Ämtern und Einrichtungen des Kreises Viersen zunächst in den Schwerpunktthemen E-Government und Change-Management geschult. Anschließend war es eben die OZG-Umsetzung, mit der sich die Digitallotsinnen und -lotsen als Erstes beschäftigt haben. Dabei werden sie durch regelmäßigen Austausch in den Digitallotsen-Meetings sowie einem entsprechenden fachlichen Input zu allen Themen rund um E-Government, elektronische Kommunikation und digitale Arbeitsweisen begleitet. Diese Grundlagen versetzen die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in die Lage, über die Online-Verfügbarkeit von Dienstleistungen hinaus auch die fachbereichsinternen Prozesse zu hinterfragen. Im Ergebnis konnte beispielsweise die Anzahl an Einführungsprojekten zum Dokumenten-Management-System deutlich erhöht werden.
Die pandemiebedingte Veränderung der Arbeitsplätze ist ein Beispiel für einen gelungenen Digitalisierungsprozess, der überwiegend positiv bewertet wird. Auch Kolleginnen und Kollegen in der Sachbearbeitung wurden infolgedessen motiviert, bestehende Prozesse anhand neuer technischer Möglichkeiten zu hinterfragen und Veränderungspotenziale zu nutzen. In Abhängigkeit der jeweils gelebten Organisationskultur kann diese Entwicklung oftmals nur in kleinen Schritten und unter Beachtung entsprechender Rahmenbedingungen erfolgen. Trotzdem zeigen sich schnelle Erfolge, sofern die Motivation zur Veränderung nachhaltig angelegt ist. Die Einrichtung elektronischer Zugänge zu Verwaltungsleistungen im Sinne des OZG wird in dieser Hinsicht das Mittel zum Zweck. Denn gerade hierfür bestehen auf mehreren Ebenen Potenziale, um über Verwaltungsgrenzen hinweg gemeinsame Lösungen zu nutzen.
Austausch führt noch schneller zum Ziel
Im Kontext der Digitalisierung ist eine gute Zusammenarbeit nicht nur innerhalb der eigenen Verwaltung unabdingbar. Die Kreisverwaltung Viersen nutzt den intensiven Austausch zwischen den Anwenderkommunen des eigenen IT-Dienstleisters, dem Kommunalen Rechenzentrum Niederrhein (KRZN), in Facharbeitskreisen und Arbeitsgruppen. Darüber hinaus bestehen gute Verbindungen zu anderen Landkreisen in der Region sowie bundesweit im Innovationsring des Deutschen Landkreistages, um sich zu spezifischen Fragen und bewährten Lösungsansätzen auszutauschen. Die OZG-Umsetzung ist durch diesen kooperativen Ansatz gekennzeichnet. Von anderen zu lernen und arbeitsteilig vorzugehen ist essenziell, damit Fortschritte und Ergebnisse erzielt werden, die sich langfristig bewähren.
Die Vorgehensweise in technischer Hinsicht folgt dabei dem Grundsatz „Fachverfahren first“ – IT funktioniert am besten, wenn sie einheitlich bereitgestellt wird. Bietet das in der Praxis bereits eingesetzte Fachverfahren auch weitere Funktionen, wie ein entsprechendes Web-Frontend mit Online-Anträgen, soll auch dieses zum Einsatz kommen. Für alle anderen Fälle werden grundsätzlich Online-Antragsassistenten des Formularservers genutzt, die durch Authentifizierungsmöglichkeiten sowie E-Payment erweitert werden können. Auch hierbei wird versucht, möglichst nah am Standard zu bleiben und die Vorlagen des Herstellers einzusetzen. Darüber hinaus werden Vorlagen für Antragsassistenten auch interkommunal ausgetauscht.
Einer der wichtigsten Aspekte bei der technischen Umsetzung ist die Bereitstellung von Schnittstellen. Deshalb wird die Auseinandersetzung mit deutschlandweit bereitgestellten Einer-für-Alle-(EfA-)Leistungen ebenfalls gemeinsam mit den Verbandskommunen des IT-Dienstleisters vorgenommen. Hierzu wurde ein einheitliches Bewertungsschema entwickelt, welches einen zügigen Abstimmungsprozess gewährleistet. Die Implementierung in bestehende Systeme sowie der mögliche Einzelabruf einer EfA-Leistung würden am Ende dieses Prozesses wiederum durch den IT-Dienstleister vorgenommen werden. Gleiches gilt für eine etwaige Anbindung an Landes- oder Bundesportale zu einzelnen Dienstleistungen.
Ausblick
Zum Ende der Umsetzungsfrist werden nicht nur die ursprünglichen OZG-Ziele des Bundes nicht erreicht, auch die Nutzung der Leistungen durch die Bürgerinnen und Bürger stagniert. So etwa werden die Angebote der internetbasierten KFZ-Zulassung bisher nur wenig genutzt. Viele Online-Dienstleistungen sind den Bürgerinnen und Bürgern schlichtweg nicht bekannt, und es fehlt an landes- oder bundesweit einheitlichen Angeboten. Digitale Services müssen deshalb auch auf Landes- und Bundesebene authentisch beworben und konsequent verfolgt werden. Ein künftiges OZG 2.0 wird diese Überlegungen einbeziehen müssen.
Dr. Andreas Coenen
Quelle: Kreis Viersen