Sozialplanung auf Kreisebene - Auf- und Ausbau der strategischen Sozialplanung im Rhein-Erft-Kreis

12. April 2022: Von Christoph Burkhardt, Sozialplaner, Rhein-Erft-Kreis

Im Jahr 2018 implementierte der Rhein-Erft-Kreis eine strategische Sozialplanung zur Analyse der Lebenssituation der Menschen im Kreisgebiet und zur Steuerungsunterstützung der Verwaltung. Im Folgenden soll das Vorgehen beim Auf- und Ausbau der Kreissozialplanung skizziert und auf die Zusammenarbeit mit den kreisangehörigen Kommunen eingegangen werden. Zudem wird die kleinräumige Gliederung des Kreises vorgestellt und das Potential kleinräumiger Sozialberichterstattung anhand eines Indikators dargelegt. Der Beitrag schließt mit einem kurzen Ausblick in die Zukunft.

Die Sozialplanung des Rhein-Erft-Kreises
Im Rhein-Erft-Kreis mit seinen zehn kreisangehörigen Kommunen Bedburg, Bergheim, Brühl, Elsdorf, Erftstadt, Frechen, Hürth, Kerpen, Pulheim und Wesseling leben ca. 469.000 Menschen. Der Rhein-Erft-Kreis gehört damit zu den zehn einwohnerreichsten Landkreisen in Deutschland. Durch den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung ist die Region in den kommenden Jahren und Jahrzehnten Teil eines groß angelegten Strukturwandel- und Transformationsprozesses. Die resultierenden Veränderungen der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungssituation, wie auch die parallel zu beobachtenden gesellschaftlichen Entwicklungen in Form von demografischem Wandel und Migrationsbewegungen wirken gleichermaßen auf die Lebenslagen der Menschen im Kreisgebiet ein.

Vor diesem Hintergrund wurde die Kreisverwaltung des Rhein-Erft-Kreises mit Beschluss des Ausschusses für Soziales, Inklusion und Generationen des Kreistages im Jahr 2017 damit beauftragt, in Zusammenarbeit mit den kreisangehörigen Kommunen das Potential einer beim Kreis angesiedelten strategischen Sozialraumplanung zu prüfen und deren Aufbau voranzutreiben. Leitend sollten dabei die Fragen sein, wie und in welchem Umfang der Kreis und die kreisangehörigen Kommunen von einer Sozialplanung auf Kreisebene profitieren können, welcher Erkenntnisgewinn aus einer kreisweiten Sozialberichterstattung abgeleitet und welchen Beitrag die Sozialplanung zur strategischen Steuerung in der Verwaltung leisten kann.

Im Fokus der Kreissozialplanung sollten insbesondere die folgenden Themenbereiche stehen:

  • Die demografische Entwicklung im Rhein-Erft-Kreis unter besonderer Berücksichtigung von Zuwanderung und Alterung der Bevölkerung
  • Die ökonomische Lage der Bevölkerung des Kreises und Fragen der Arbeitsmarktbeteiligung, der Erwerbssituation und des Transferleistungsbezugs der hier lebenden Menschen
  • Die Lebenslagen von Kindern, Jugendlichen und der älteren Bevölkerung sowie von Familien unter besonderer Berücksichtigung der Situation von Alleinerziehenden

Die neu geschaffene Stelle wurde zunächst im Kreissozialamt verortet und, nach einer Neuordnung der Verwaltungsgliederung, schließlich im Amt für Betreuung, Pflege und Senioren angesiedelt, da sich durch die hier ansässige Pflegeplanung des Kreises entsprechende thematische Schnittmengen eröffnen.
Aufbauend auf Beratungen der Fachstelle für Sozialraumorientierte Armutsbekämpfung (FSA, jetzt G.I.B. - Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung mbH) konnte ein erstes Konzept für die Sozialplanung des Rhein-Erft-Kreises erarbeitet werden. Infolgedessen sollte sich die Sozialberichterstattung zunächst explorativ auf drei Kommunen konzentrieren: eine Stadt mit im Kreisvergleich wenigen Einwohnern, eine mittlere und eine einwohnerstarke Kommune. Vor diesem Hintergrund wurden die Städte Bedburg, Frechen und Bergheim als Pilotkommunen für die aufzubauende Sozialberichterstattung ausgewählt.

Der gewählte Ansatz erlaubte es, erst einmal mit einer kleinen Auswahl der Kommunen die erforderlichen Strukturen und Prozesse aufzubauen und zu erproben. Exemplarisch ist hier der zu etablierende interkommunale Datenaustausch zu nennen. Auch ohne das Vorhandensein einer abgeschotteten Statistikstelle beim Kreis oder den kreisangehörigen Kommunen ist es so gelungen, den Austausch von kleinräumigen, anonymisierten Sozialdaten über Verwaltungsvereinbarungen zu regeln und die Grundlage für eine fortlaufende kommunenübergreifende kleinräumige Sozialberichterstattung zu schaffen.

In Kooperation mit den drei Pilotkommunen wurde zu Beginn des Jahres 2020 ein erster Sozialbericht auf Basis kleinräumiger Daten erstellt und direkt im Anschluss gemeinsam mit den kreisangehörigen Kommunen die Ausweitung der Sozialberichterstattung beschlossen. Im Frühjahr 2021 konnte dann der erste kreisweite Sozialbericht auf Basis kleinräumiger Daten vorgelegt werden.

Der kleinräumige Ansatz
Der Vorteil einer auf der Kreisebene angesiedelten Sozialplanung liegt in der Möglichkeit des interkommunalen Vergleichs. Die Besonderheit der beim Rhein-Erft-Kreis gewählten Herangehensweise liegt jedoch zusätzlich im kleinräumigen Ansatz. Der Begriff der Kleinräumigkeit zielt in diesem Zusammenhang auf die Beobachtung der Lebenslagen der Bevölkerung unterhalb der kommunalen Ebene, in den Sozialräumen. Denn oftmals liegen statistische Daten lediglich auf der Kreisebene bzw. auf kommunaler Ebene vor. Auf dieser Basis lassen sich allerdings keine differenzierten Aussagen zur Lebenssituation der Bevölkerung treffen. Die Verwendung kleinräumiger Sozialdaten auf der Quartiers- bzw. Sozialraumebene erlaubt indessen eine detaillierte Auswertung, mit der sich beispielsweise lokal vorhandene Konzentrationen von Armuts- und Benachteiligungsfaktoren leichter aufdecken lassen.

BU: Übersicht über die Sozialräume im Rhein-Erft-Kreis.
Quelle: Rhein-Erft-Kreis

Um über eine gemeinsame kleinräumige Datenbasis eine einheitliche Planungsgrundlage für alle Kommunen zu schaffen, wurde in Abstimmung mit den Kommunalverwaltungen aller zehn kreisangehörigen Kommunen eine Aufteilung der Städte in Planungsräume unterhalb der kommunalen Ebene vorgenommen. Die auf diese Weise entstandene kleinräumige Gebietsgliederung des gesamten Rhein-Erft-Kreises besteht aus 106 Sozialräumen, die zukünftig je nach Bedarfslage der Kommunen auch noch verfeinert werden kann. Ausgangspunkt für die Gebietsgliederung waren oftmals die bestehenden Ortsteile der Kommunen bzw. deren Untereinheiten, da sich die kommunalen Planungen an dieser räumlichen Aufteilung orientieren, kommunal anliegende Sozialdaten für die Ortsteile zum Teil bereits vorliegen oder aber für diese Gebiete leichter zu beschaffen sind. Die entstandene Gebietsgliederung orientiert sich damit in jeder Kommune an den dortigen Anforderungen und Planungsmaßstäben in Form räumlicher und baulicher Grenzen und berücksichtigt Fragen der Datenverfügbarkeit und des Datenschutzes.

An den Ergebnissen der Sozialraumanalyse lassen sich nun unterschiedliche Problemschwerpunkte in den Sozialräumen und damit auch die Notwendigkeit von jeweils bedarfsorientierten Handlungsansätzen ablesen. Über Sozialraumprofile können die betrachteten Indikatoren zusammengefasst werden und es ergibt sich ein schneller Überblick über die Lebenslage der Menschen in den Quartieren. Darüber hinaus liefern thematische Karten für alle in die Sozialraumanalyse einbezogenen Indikatoren zusätzliche Anhaltspunkte für sozialraumspezifische Bedarfslagen. 


Anteil der Personen unter 18 Jahren an der Gesamtbevölkerung in Prozent, 2019.
Quelle: KDVZ (Stichtag 31.12.2019)/Rhein-Erft-Kreis

Abbildung 2 zeigt anhand des Anteils der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren an der Gesamtbevölkerung die unterschiedliche Verteilung in den Sozialräumen. Durch die gleichzeitige Betrachtung weiterer Indikatoren aus Bereichen wie Demografie, Arbeitsmarktbeteiligung oder Migration und Integration ergibt sich so ein nuanciertes Bild der sozialräumlichen Lebenslage, das verwaltungsseitig als Grundlage für die Entwicklung von Steuerungsinstrumenten verwendet werden kann.

Ausblick
In Zusammenarbeit mit den Kommunen arbeitet die Kreissozialplanung fortwährend am Ausbau der kleinräumigen Datengrundlage und der regelmäßigen Fortschreibung des Sozialberichts. Für die Zukunft bemüht sich die Kreisverwaltung, unter Hinzunahme von Landesfördermitteln, eine gemeinsame Datenplattform für alle kreisangehörigen Kommunen bereitzustellen. Hierauf sollen dann neben den Fachabteilungen der Kreisverwaltung auch die kreisangehörigen Kommunen zugreifen und auf diese Weise die sie betreffenden Daten aufbereiten und analysieren können.

Ziel von Sozialplanung ist es, unter Berücksichtigung vorhandener Projekte und Maßnahmen passgenaue Strategien und Instrumente als Reaktion auf die in den jeweiligen Sozialräumen vorgefundene Situation zu entwickeln. Auf den Erkenntnissen der Sozialberichterstattung aufbauend, soll daher in einem weiteren Schritt die planerische Komponente des Sozialplanungsprozesses stärker in den Fokus rücken. In diesem Zusammenhang prüft die Kreisverwaltung gegenwärtig, inwieweit sich die mit dem Mitteleinsatz des Kreises im Sozialbereich verbundene Steuerungswirkung zukünftig noch stärker nutzen lassen könnte. Je nach Erfordernis und inhaltlicher Zuständigkeit ergibt sich auf diese Weise Raum für entsprechende Kooperationen zwischen Kreis, kreisangehörigen Kommunen und den beteiligten Verbänden und Trägern, um die spezifischen Belastungslagen und sozialen Herausforderungen der Sozialräume im Rhein-Erft-Kreis zu adressieren.

Eine elektronische Version des Kreissozialbericht 2020 des Rhein-Erft-Kreises kann unter folgender Adresse heruntergeladen werden:

https://rhein-erft-kreis.de/sites/default/files/rek-sozialbericht_2020_komprimiert.pdf


Christoph Burkhardt
Quelle: Rhein-Erft-Kreis