Schüler ins Archiv - Das Kreisarchiv Kleve als außerschulischer Lernort

01. April 2019: Schüler ins Archiv - Das Kreisarchiv Kleve als außerschulischer Lernort

Archivpädagogik wird im Archiv des Kreises Kleve groß geschrieben: Das Kreisarchiv Kleve in Geldern unterhält Bildungspartnerschaften mit zwei Gelderner Gymnasien. Im Rahmen dieser Partnerschaften haben die Schülerinnen und Schüler vielfältige Möglichkeiten, das Archivgut sowie die Aufgaben und Dienstleistungen des Kreisarchivs kennen zu lernen und selbst im Archiv zu forschen. Für die landesweite Initiative "Bildungspartner NRW" hat das Kreisarchiv diese Zusammenarbeit in einem kurzen Film vorgestellt.
Als Ausbildungsbetrieb für den Beruf der/s Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste (FAMI) mit Fachrichtung Archiv beteiligt sich das Kreisarchiv darüber hinaus an den jährlich stattfindenden Berufsfelderkundungstagen.

Archivpädagogik: eine Investition in die Zukunft
Der Besuch im Archiv eröffnet Schülerinnen und Schülern völlig neue Möglichkeiten: Hier können sie eigenständig forschen und Informationen mit regionalem Bezug entdecken, die sie in keinem Geschichtsbuch finden. So erhalten sie einen direkten und unmittelbaren Zugang zur Geschichte und zu Ereignissen, die ihre eigene Lebenswelt betreffen. Nicht nur der regionale Bezug, auch die Arbeit mit Originalen fasziniert die Schülerinnen und Schüler dabei besonders. Anders als im Museum, wo Ausstellungsstücke in der Regel lediglich betrachtet werden können, werden Schülerinnen und Schüler bei ihrem Besuch im Archiv aufgefordert, selbst in alten Akten zu blättern und zu eigenen Fragestellungen zu forschen. Geschichte wir dadurch sinnlich und persönlich erfahrbar, und durch das Wiedererkennen von zum Beispiel Namen und Orten aus dem Umfeld der Schülerinnen und Schüler bekommt ihr persönliches Lebensumfeld eine historische Tiefe. Geschichte wird dadurch nicht nur lebendiger – sie kann auch ergänzt, korrigiert oder aus eigener Sicht neu erzählt werden.

Schülerinnen und Schüler stehen bei ihren Forschungen im Archiv vor der Herausforderung, historische Quellen nicht nur lesen, sondern auch hinterfragen, interpretieren und in ihren historischen Kontext einordnen zu müssen. Anders als ein Sachbuch, das von vornherein auf ein vorformuliertes Ziel eingeengt ist, regen archivische Quellen somit die Phantasie und damit auch den kritischen Umgang mit Medien an.

Darüber hinaus lernen Schülerinnen und Schüler in der Arbeit mit historischen Quellen, dass Ereignisse von Menschen in der Vergangenheit anders wahrgenommen und je nach individueller Situation und persönlichem Hintergrund unterschiedlich bewertet worden sind. Erst durch die Hinterfragung und Prüfung dieser persönlichen Wertungen im historischen Gesamtzusammenhang kann aus "Vergangenheit" "Geschichte" entstehen, kann überhaupt erst ein Lernen aus der Geschichte angeregt werden. Für diesen Prozess und die Vermittlung dieses Wissens bedarf es immer neuer Generationen von Forscherinnen und Forschern, die gelernt haben, sich kritisch mit der Überlieferung auseinanderzusetzen. Archivpädagogik legt hierfür den Grundstein. Ich verstehe sie daher als "Investition in die Zukunft" und halte einen aktiven Austausch mit den Schulen der näheren Umgebung für gewinnbringend.

Bildungspartnerschaften des Kreisarchivs Kleve
Das Kreisarchiv Kleve unterhält im Rahmen der Landesinitiative "Bildungspartner NRW"[1] Bildungspartnerschaften mit zwei Gelderner Gymnasien. Bildungspartnerschaften sind Kooperationen zwischen Schulen und außerschulischen Einrichtungen. Die Zusammenarbeit wird durch eine gemeinsame schriftliche Kooperationsvereinbarung gefestigt, in der die zentralen Grundlagen der Zusammenarbeit (z. B. Kooperationsformen, Ansprechpartner/innen) genannt werden. Hierdurch wird die Zusammenarbeit für beide Seiten verbindlich und bringt mit ihren rationalisierten, routinierten und standardisierten Angeboten für beide Institutionen Arbeitserleichterungen und Zeitersparnisse mit sich.

Die Kooperationen des Kreisarchivs Kleve mit den Gelderner Gymnasien umfassen die Mitbetreuung von Forschungsprojekten durch das Kreisarchiv, Archivführungen, Methodentraining (Recherchieren, Lesen und Auswerten historischer Quellen im Archiv), Beratungen bei Facharbeiten und Wettbewerbsbeiträgen sowie Schülerpraktika.

Kreisarchiv und Schule agieren dabei als gleichgestellte Partner, die sich gleichermaßen mit Ideen und Inhalten in die gemeinsame Arbeit einbringen. Für beide Seiten bedeutet die Zusammenarbeit einen gewissen Mehraufwand, der jedoch durch einen großen Nutzen aufgehoben wird. Die Schülerinnen und Schüler nehmen neue Erkenntnisse und Kompetenzen aus dem inhaltlich an den Schulunterricht angelehnten archivpädagogischen Angebot mit. Auch das Kreisarchiv profitiert aus der Zusammenarbeit: Mit den Schülerinnen und Schülern gewinnt es neue Nutzerinnen und Nutzer, die als Multiplikatoren fungieren, indem sie ihr Wissen über das Archiv und die dortigen Arbeitsmöglichkeiten weitertragen. Durch die Publikation und Präsentation der Forschungsergebnisse aus den Schulprojekten steigt die Außenwahrnehmung des Kreisarchivs Kleve, das damit öffentlichkeitswirksam präsentiert, wie gewinnbringend die Arbeit mit Archivgut des Kreises Kleve sein kann. Dies wird auch andere Forscherinnen und Forscher ermutigen, im Kreisarchiv zu recherchieren und in der Arbeit mit den Quellen zu neuen Ergebnissen zu kommen. Für das Kreisarchiv ergeben sich darüber hinaus neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit anderen Projektpartnern der Schule, wie zum Beispiel Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen. Das Archiv baut damit seine Stellung im Netzwerk der Bildungs- und Kultureinrichtungen aus und intensiviert sie.

Kurzfilm „Es geschah vor unserer Haustür“
Der von der Initiative "Bildungspartner NRW" herausgegebene Film „Es geschah vor unserer Haustür – politisch-historische Bildungsarbeit vor Ort“, produziert vom LVR-Medienzentrum für Medien und Bildung, zeigt exemplarisch, wie die Zusammenarbeit von Bildungspartnern aus dem historisch-politischen Umfeld mit Schulen ausgestaltet werden kann.

BU: Die Schülerinnen und Schüler lernten bei ihrem Besuch auch die Magazinräume des Kreisarchivs kennen, v.l. Kreisarchivarin Dr. Beate Sturm, Lehrer Gerd Halmanns
Quelle: Standbild aus dem Film “Es geschah vor unserer Haustür“/LVR

Der Film stellt den historisch-politischen Lernort "Archiv" am Beispiel des Kreisarchivs Kleve vor. Hierzu wurden Schülerinnen und Schüler einer 9. Klasse des Lise-Meitner-Gymnasiums Geldern bei ihrem Archivbesuch begleitet und filmisch dokumentiert, wie sie gemeinsam mit ihrem Geschichtslehrer Gerd Halmanns und der Kreisarchivarin Dr. Beate Sturm anhand von Originaldokumenten historische Fragestellungen zum Thema "Entnazifizierung" bearbeiten.
Die Aufnahmen zeigen, dass Archive die demokratische Teilhabe an der kommunalen Geschichts- und Erinnerungskultur ermöglichen und forschend-entdeckendes Lernen im außerschulischen Lernort Archiv weit über die Möglichkeiten innerschulischen Lernens hinausgeht. Weiter verdeutlichen sie, wie die Schülerinnen und Schüler durch die Beschäftigung mit einem konkreten Beispiel aus der Nachkriegszeit Vergangenes mit gegenwärtigen Fragen und Problemen verbinden. Anhand des Beispiels konnte die Gruppe eigenständig erarbeiten, welchen Niederschlag ein "großes" nationalgeschichtliches Ereignis in die Geschichte vor Ort gefunden hat.
Der Film steht kostenlos auf der Internetseite der Kreisverwaltung Kleve[2] zur Verfügung.

Berufsfelderkundungstage
Das Kreisarchiv Kleve wird von Schülerinnen und Schülern nicht nur als außerschulischer Lernort besucht, sondern auch in seiner Funktion als Ausbildungsbetrieb. Dies kann im Rahmen sogenannter Berufsfelderkundungstage erfolgen. Schülerinnen und Schüler erhalten im Rahmen dieser Veranstaltungen die Möglichkeit, vor Ort, das heißt im Ausbildungsbetrieb, erste Informationen über die regionale Berufs- und Arbeitswelt zu erhalten.
Als Ausbildungseinrichtung für den Beruf der/des Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste (FAMI) mit Fachrichtung Archiv bietet das Kreisarchiv Kleve regelmäßig Berufsfelderkundungstage im Berufsfeld "Medien" an. Die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler erhalten während eines Vormittags Einblicke in die Aufgaben und Dienstleistungen eines mittleren Kommunalarchivs und sammeln erste praktische Erfahrungen mit den in einem Kommunalarchiv anfallenden Tätigkeiten, insbesondere in den Bereichen Verzeichnung und Recherche. Ein Erfahrungsaustausch mit einem im Kreisarchiv Kleve beschäftigen Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste, den die Schülerinnen und Schüler gemeinschaftlich als Interview vorbereiten, rundet den Tag ab.
Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Berufsfelderkundung ermöglichen es den Schülerinnen und Schülern, realistische Vorstellungen über die Arbeits- und Berufswelt zu entwickeln und mit ihren Interessen und Neigungen abzugleichen. Dies erleichtert ihnen eine begründete Auswahl für das Schülerbetriebspraktikum und beeinflusst vielleicht sogar die spätere Berufswahl.

Fazit
Das Kreisarchiv Kleve wendet sich mit einem vielfältigen Angebot an die Schulen der näheren Umgebung. Neben der gefestigten und verstetigten Zusammenarbeit in Bildungspartnerschaften gibt es Schülerinnen und Schülern im Rahmen der Berufsfelderkundungstage einen Einblick in den Berufsalltag im Archiv mit seinen Kernaufgaben. Als lebendiges, offenes Bürgerarchiv leistet das Kreisarchiv Kleve somit einen großen Beitrag für die historische Bildungsarbeit vor Ort.
Für weitere Informationen steht die Kreisarchivarin Dr. Beate Sturm gerne zur Verfügung (Telefon 02831 85-811, E-Mail: beate.sturm@kreis-kleve.de).

Landrat Wolfgang Spreen, Kreis Kleve
Quelle: Kreis Kleve

[1] https://www.bildungspartner.schulministerium.nrw.de/Bildungspartner/Die-Bildungspartner/Bildungspartner-NRW/Archiv/ (abgerufen am 06.02.2019).
[2] https://www.kreis-kleve.de/de/videos/es-geschah-vor-unserer-haustuer-historisch-politische-bildung-vor-ort-hd-3410924/