Sauerland - Mit inspirierender Gestaltungskraft in die touristische Zukunft
Eine neue Lust auf Natur und Draußen sein. Ein Boom des Inlandstourismus. Erste Veranstaltungen und Feste. Leben in der Region. Mit dem Ende des Lockdowns im vergangenen Frühling krempelten viele, die im Tourismus arbeiten, endlich und zügig die Ärmel hoch und gingen bald ihrem Herzensgeschäft nach: Urlaubs- und Tagesgäste in der grünen Region zu begrüßen. Doch längst tun das nicht mehr alle, denn zwei Jahre Pandemie, Reiseverbote, strenge Hygieneauflagen, zahlreiche Unsicherheiten haben ihre Spuren hinterlassen: Der Tourismus „nach Corona“ hat sich dauerhaft verändert. Herausforderungen und Chancen gehen Hand in Hand, manchmal sind sie auch miteinander verflochten.
Das Sauerland hat vom gegenwärtigen Boom des Inlandstourismus profitiert und konnte mit seinen Besonderheiten trumpfen: die Nähe zu den Metropolgebieten, Weite und viel Raum, das Landschaftserlebnis und besondere Geheimtipps auf großer Fläche.
Quelle: Sauerland-Tourismus e.V. / Daniel Kappelmann
Das sind die Prämissen, die die aktuelle Arbeit des Sauerland-Tourismus und seiner Partnerorganisationen bestimmen. Zum regionalen Tourismusverband gehören die NRW-Kreise Olpe, Soest, Hochsauerlandkreis und Märkischer Kreis und die meisten ihrer Städte und Gemeinden sowie auf hessischer Seite der Landkreis Waldeck-Frankenberg mit Willingen und Diemelsee. Betrachtet man die statistischen Zahlen der gesamten Reiseregion Sauerland, so erkennt man: Als der Lockdown im Mai bzw. Juni 2021 zu Ende ging, erwachte die Lust aufs Reisen wieder. Zunächst zaghaft, mit den Sommermonaten dann in manchen Teilen der Region rasant. Die Verluste der Winter- und Frühlingsmonate konnten allerdings nicht mehr aufgeholt werden, letztendlich beendete das Sauerland das Reisejahr 2021 mit einem Minus von 7 Prozent bei den Gästeankünften und einem Minus von 2,7 Prozent bei den Übernachtungen.
Ja, die Region in ihrer Gesamtheit hat vom Boom des Inlandstourismus eindeutig profitiert. Für manche Gastgeberinnen und Gastgeber war es da aber zu spät: Personalmangel, über Monate fehlende Einnahmen und Planungsunsicherheit hatten sie bereits in die Knie gezwungen. Jene Beherbergungsbetriebe und Gastronomien, die sich durch die Pandemiezeit gekämpft haben, mussten sich ebenfalls verändern: Jetzt arbeiten sie mit eingeschränkten Öffnungszeiten, zusätzlichen Ruhetagen, Mindestaufenthalten, um eine Personalplanung zu ermöglichen – denn es fehlt am höchsten Gut: dem Servicepersonal. „Das ist eine unserer größten Herausforderungen: Fachpersonal für die Tourismusbranche zurückzugewinnen und neues zu finden“, betont Frank Linnekugel, Vorsitzender des Sauerland-Tourismus und HSK-Wirtschaftsförderer. Die Weichen dafür sind gestellt, Branchenverbände, die Industrie- und Handelskammern sowie Tourismusverantwortliche tauschen sich regelmäßig aus und ergreifen Initiativen, planen Kampagnen.
Herzliche Gastgeber und Gastgeberinnen sind ein wichtiges Gut im Sauerland. Eine der größten Herausforderungen nach der Corona-Zeit ist es, Fachpersonal für die Tourismusbranche zurückzugewinnen und neues zu finden.
Quelle: Sauerland-Tourismus e.V. / Ralf Litera
Denn eins steht fest: Das Sauerland hat sich als inspirierende Outdoorregion positioniert, es kann auch weiter von seinen Trümpfen zehren. Dazu gehören die Nähe zu den Metropolgebieten, Weite und viel Raum, das Landschaftserlebnis und besondere Geheimtipps auf großer Fläche.
Menschen passgenau ansprechen
Darum konzentriert sich die Arbeit des Sauerland-Tourismus in erster Linie darauf, diese Stärken konkret zu nutzen und mittels gezielter Gästeansprache kraftvoll einzusetzen. Das gesamte Marketing wird derzeit auf das Modell der Sinus-Milieus umgestellt, welches vom renommierten Sinus-Institut entwickelt und jüngst auch aktualisiert wurde. Die Sinus-Milieus fassen Menschen anhand ihrer Wertvorstellungen, Vorlieben, Interessen und Lebensstile zusammen. In der Kommunikation kann der Sauerland-Tourismus das umfangreiche Wissen dazu nutzen, Menschen ganz gezielt auf jene Produkte und Angebote aufmerksam zu machen, die ihnen besonders zusagen könnten – und zwar online und offline, bei Anzeigen und Kampagnen. Sportive Performer finden zum Beispiel ambitionierte Mountainbike- und Rennradstrecken in der Region, adaptiv-pragmatische Familien bekommen passgenaue Tipps für bequem zu planende Ausflüge, kulturell und spirituell interessierte Postmaterielle können auf lehrreiche Entdeckungsreise in den Sauerland-Seelenorten gehen. Hierzu nutzt der Sauerland-Tourismus – zusammen mit der Partnerorganisation Tourismusverband Siegerland-Wittgenstein – das Förderprogramm REACT-EU unter anderem für eine bislang nicht dagewesene Content-Offensive. In zahlreichen Shootings entsteht zum Beispiel neues Bild- und Videomaterial, welches die Besonderheiten und Vorzüge der Region einfängt und herausstellt.
Das Sauerland stellt sein Marketing auf die Sinus-Milieus um und möchte Menschen ganz gezielt auf jene Produkte und Angebote aufmerksam machen, die ihnen besonders zusagen könnten. | |
Quelle: Sauerland-Tourismus e. V. / Klaus-Peter Kappes | Quelle: Sauerland-Tourismus e.V. / Ralf Schanze |
Daten und Inhalte bestmöglich einsetzen
Die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung geht der Sauerland-Tourismus auf verschiedenen Feldern an. Zum einen auf der Informationsseite, indem Inhalte aus der Region gebündelt zusammengetragen und in ein nordrheinwestfalenweites Content-Netzwerk eingepflegt werden – und zwar standardisiert, lizensiert und in einer hohen Datenqualität. Von dort aus können sie zum Beispiel unkompliziert und schnell auf verschiedenen Kanälen zu interessierten Menschen gelangen und für neue Serviceanwendungen genutzt werden, etwa für Navigations-Tools oder Reise- und Freizeit-Apps. Zum anderen widmet sich der Tourismusverband neuen Möglichkeiten der Besuchererfassung und -lenkung. So beteiligt sich das Sauerland als eine von fünf Pilotregionen am AIR-Projekt (Al-basierter Recommender für nachhaltigen Tourismus), bei dem ein digitales Besuchermanagementsystem getestet wird, das mithilfe von Algorithmen und künstlicher Intelligenz die aktuelle oder zu erwartende Auslastung am gewünschten Ziel ermittelt und Gäste rechtzeitig darüber informiert. Denn Reisen und Ausflüge werden für alle entspannter, wenn Besucherinnen und Besucher schon bei der Planung erfahren können, auf welchem Wanderparkplatz es beispielsweise an einem sommerlichen Wochenende trubelig werden könnte und welche guten Alternativen sie ansteuern können.
Herausforderungen kreativ begegnen
Das Thema Anreise in die Region beschäftigt derzeit insbesondere die touristischen Leistungsträger und -trägerinnen im Märkischen Kreis und im Kreis Olpe. Denn mit der Sperrung der Rahmedetalbrücke auf der Autobahn 45 hat der Tourismus in diesen Teilen des Sauerlands einen weiteren harten Schlag zu verkraften. Doch wie die Sauerländer so sind: Sie klagen nur kurz und gehen das Problem dann kreativ an. Lüdenscheid als besonders betroffener Ort nutzt in einer herrlich selbstironischen Plakatkampagne den umgelenkten Überlandverkehr und gelegentlichen „Stillstand“ für sich: „Seit neuestem haben wir in Lüdenscheid ein Lieblingsgemüse: Staudensellerie. Und wenn Sie schon mal hier sind: Kosten Sie viele weitere Gerichte in über 60 Restaurants aus aller Welt.“
Für den Sommer und Herbst plant der Märkische Kreis eine Restart-Kampagne, um den für den Tourismus befürchteten Imageverlust wettzumachen. Schon jetzt gibt es ein neu aufgelegtes Kombiticket, mit dem vier beliebte Ausflugsziele deutlich vergünstigt besucht werden können: die Phänomenta in Lüdenscheid, die Dechenhöhle in Iserlohn, das AquaMagis in Plettenberg und die Burg Altena mit dem Erlebnisaufzug.
Die Sperrung der Rahmedetalbrücke auf der Autobahn 45 ist ein harter Schlag für den Tourismus im westlichen und südlichen Sauerland. Lüdenscheid als besonders betroffener Ort reagiert kreativ und nutzt in einer herrlich selbstironischen Plakatkampagne den umgelenkten Überlandverkehr und gelegentlichen „Stillstand“ für sich.
Quelle: Lüdenscheider Stadtmarketing GmbH
Die Sperrung der A45 wirkt auch in den Kreis Olpe hinein. „Bei uns liegen zahlreiche attraktive Ausflugsziele, die gern von Besucherinnen und Besuchern aus dem Ruhrgebiet angesteuert werden. Das ist natürlich nach wie vor möglich. Vielleicht eröffnet bereits die alternative Anreise neue Perspektiven“, sagt Philipp Scharfenbaum, Kreisdirektor des Kreises Olpe und Co-Vorsitzender des Sauerland-Tourismus. Der Sauerland-Tourismus unterstützt die Informations- und Kommunikationsoffensive mit einer informativen Landingpage, auf der Anreise-Alternativen oder auch Ausflugstipps, die über Bus & Bahn zu erreichen sind, präsentiert werden.
Der Biggesee ist eine der vielen Attraktionen im Kreis Olpe, die gern auch von Besucherinnen und Besuchern aus dem Ruhrgebiet angesteuert werden. Das ist trotz der Sperrung der Autobahnbrücke auf der A45 weiterhin möglich und vielleicht kann die alternative Anreise auch neue Perspektiven ins Land eröffnen.
Quelle: Sauerland-Tourismus e.V. / sabrinity.com
Die Lust auf Natur weiter befeuern
Eine neue Wertschätzung von Natur und Outdoor – das beobachten und darauf bauen die Tourismusverantwortlichen in den Kreisen und bei den Touristischen Arbeitsgemeinschaften. Im Bereich Lennestadt-Kirchhundem zum Beispiel hat die Nachfrage nach Wandermöglichkeiten und -veranstaltungen zugenommen, nicht nur von Gästen, sondern auch von Einheimischen. Die Veranstaltungsreihe „Natürlich inspiriert“ geht auf diese neuen Bedürfnisse ein. Eine neue „Lust aufs Land“ merken auch die Verantwortlichen im Hochsauerlandkreis. Sie geht im Übrigen so weit, dass es auch viele Anfragen bezüglich Wohnraum und einer potenziellen Rückkehr ins Sauerland gibt. Auch das spricht für die Qualität der Angebote und Möglichkeiten in der Region: Touristische Projekte sind hier stets Innovationsmotoren für die Standort- und Regionalentwicklung. Das Sauerland als Lebensraum in Südwestfalen betreibt seine touristische Entwicklung immer mit dem Blick auf seine Einheimischen – und damit auch auf potenzielle Neubürgerinnen und Neubürger.
Die Nachfrage nach Wandermöglichkeiten und -veranstaltungen hat zugenommen, nicht nur auf Seiten der Gäste, sondern auch der Einheimischen. Die Menschen möchten in die Natur hinaus und sich von ihr inspirieren lassen.
Quelle: Tourist-Information Lennestadt & Kirchhundem / Klaus-Peter Kappest
Einheimische und Gäste werden auch von den Anstrengungen im Kreis Soest profitieren, hier wird vor allem in Zusammenarbeit mit Umweltverbänden und dem ÖPNV am Ausbau der Nahmobilität geschraubt. Schon immer ist der nördliche Teil des Sauerlandes eine Größe in Sachen Tourenradfahren und Radurlaub. Wo ein hervorragendes Routenangebot und verschiedene radfreundliche Serviceangebote bestmöglich zusammenkommen, ist ein Gütesiegel erreichbar: Der Kreis Soest arbeitet in einer Kooperation mit seinen LEADER-Regionen „Lippe-Möhnesee“, „Börde trifft Ruhr“ und „5verBund“ auf eine Zertifizierung als ADFC-Radreiseregion „Hellwegbörde“ hin.
Der Kreis Soest ist eine Größe in Sachen Tourenradfahren und Radurlaub – auch in gelungener Verbindung mit dem ÖPNV.
Quelle: Sauerland-Tourismus e.V. / sabrinity.com
Gäste dauerhaft inspirieren
Trotz aller Herausforderungen hat sich der Sauerland-Tourismus weiterhin große Ziele gesetzt: Das Sauerland nimmt seine bewährte Gestaltungskraft mit in die Zukunft und arbeitet kraftvoll daran, als inspirierende Outdoorregion seine Gäste dauerhaft für sich zu begeistern, neue zu gewinnen – und vielleicht bei den Menschen den Wunsch zu wecken, dort sesshaft zu werden, wo ein besonderer Lebensraum, reich an Erholungs- und Erlebnismöglichkeiten, in einem starken Wirtschaftsraum aufgeht.
Anna Galon
Quelle: Sauerland-Tourismus e.V. / Nadja Reh