REGIONALE 2022: Das Radnetz OWL

12. Januar 2021: von Astrid Butt, Projektleitung Mobilität REGIONALE 2022, OstWestfalenLippe GmbH, und Peter Bischoff/Christopher Reineking, SHP Ingenieure

Radfahren in OstWestfalenLippe (OWL) wird schneller und sicherer: Im Rahmen der REGIONALE 2022 haben sich die sechs Kreise Gütersloh, Herford, Höxter, Lippe, Minden-Lübbecke und Paderborn und die Stadt Bielefeld auf den Weg gemacht, eine gemeinsame Radinfrastruktur mit abgestimmten Standards zu entwickeln. Dafür haben sich Fachleute aus den sechs Kreisen sowie den 70 Städten und Gemeinden der Region mit der Entwicklung der Verbindungsstrecken zwischen den Orten in OWL und dem Anschluss zum ÖPNV beschäftigt. Die Ergebnisse liegen jetzt vor.

Ein Konzept für ein flächendeckendes, verkehrssicheres und zukunftsfähiges Alltagsradnetz war Ziel des einjährigen Prozesses Radnetz OWL. Das Konzept wird am 12.02.2020 in einer digitalen Veranstaltung unter Mitwirkung des Verkehrsministeriums, der Bezirksregierung Detmold, der Gebietskörperschaften und der OstWestfalenLippe GmbH vorgestellt. 

Ausgangslage und Ziele
Der Impuls zu einer über einzelne Kreise hinausgehenden koordinierten Planung für ein gemeinsames Radnetz wurde als Projektidee des Kreises Paderborn bei der REGIONALE 2022 eingereicht und zu einem OWL-weiten Ansatz ausgerichtet. Moderiert wird der Prozess von der OstWestfalenLippe GmbH. Beteiligt sind die sechs Kreise Gütersloh, Herford, Höxter, Lippe, Minden-Lübbecke, Paderborn und die Stadt Bielefeld mit Unterstützung der Bezirksregierung Detmold, von Straßen.NRW sowie dem beauftragten Planungsbüro SHP Ingenieure aus Hannover. Gefördert wurde das Konzept im Rahmen der REGIONALE 2022 vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen.
Das Radnetz OWL soll ein Dach für die Umsetzung von Einzelmaßnahmen beim Radwegeausbau bilden. Es stellt sie in den gesamtregionalen Zusammenhang und nimmt auch periphere Lagen in OWL in den Fokus. Dabei soll Radverkehr zukünftig auch stärker als Faktor für regionale Siedlungsentwicklung wirken. Zielsetzung ist es, aus den Maßnahmenempfehlungen Pilotprojekte zu definieren und erste Ansätze bis 2022 umzusetzen. Radverkehr soll sich als echter Alltagsverkehr etablieren, dazu müssen auch die Standards zukunftsorientiert angepasst werden.

Regionale Zusammenarbeit
Die Akteurslandschaft im Bereich Radverkehr ist sehr vielfältig. Dabei fehlen weitestgehend etablierte regionale Koordinations- und Entwicklungsstrukturen, wie diese in den Bereichen ÖPNV und motorisiertem Verkehr seit langem bestehen. Die Erstellung des Konzepts Radnetz OWL zeigt, wie wichtig und erfolgreich eine koordinierte regionale Zusammenarbeit sein kann.
Alle beteiligten Akteure und der Radnetz-Prozess insgesamt profitieren erheblich von einer neutralen Moderation, koordinierten Vorgehensweise und Wissens- und Ressourcenbündelung. Eine Verstetigung der engen Zusammenarbeit, auch in Bezug auf die Umsetzung von Maßnahmen, die eine Bündelung von Ressourcen und weitreichende Synergieeffekte ermöglicht, wird angestrebt.


Das Projekt Radnetz OWL wurde der Öffentlichkeit vorgestellt von (v.l.n.r) Landrat Dr. h.c. Sven-Georg Adenauer, Kreis Gütersloh, Landrat Dr. Axel Lehmann, Kreis Lippe, Annette Nothnagel, OWL GmbH, Landrätin Anna Katharina Bölling, Kreis Minden-Lübbecke, Regierungspräsidentin Judith Pirscher, Bezirksregierung Detmold, Landrat Jürgen Müller, Kreis Herford, Oberbürgermeister Pit Clausen, Stadt Bielefeld, Landrat Michael Stickeln, Kreis Höxter, Herbert Weber, OWL GmbH, Landrat Christoph Rüther, Kreis Paderborn, und Dr. Martin Klein, Landkreistag NRW
Quelle: OstWestfalenLippe GmbH

Konzept
In dem 2019 gestarteten Prozess geht es in erster Linie um Pendlerrouten und Alltagswege zur Vernetzung ländlicher Gebiete mit den Unter-, Mittel- und Oberzentren. Das Netz soll über Stadt- und Kreisgrenzen hinausgehen und klar strukturiert sein, analog zu überregionalen Straßennetzen. Es entsteht ein hochwertiges attraktives Alltagsradnetz, das die Fahrraderreichbarkeit und Verkehrssicherheit in OstWestfalenLippe steigert.
Darüber hinaus bietet sich die Chance, den Ausbau einer modernen Radverkehrsinfrastruktur zusammen mit neuen Ansätzen für zukünftige Siedlungs- und Quartiersstrukturen (auch Gewerbegebiete) zu denken und zu entwickeln. Die Verknüpfung und Nutzung sowie Optimierung bestehender, aber auch die Neuplanung von Strecken zur Schließung von Netzlücken der Alltags- und Pendlerrouten stehen im Vordergrund.
Langfristig soll diese verbesserte und leistungsfähige Radinfrastruktur die Mobilitätsgewohnheiten und damit den Modal Split hin zu einer nachhaltigeren Verkehrsmittelwahl mithin zum Fahrrad positiv verändern. Besonderes Augenmerk liegt auch auf Lastenrädern und Wirtschaftsverkehren.
Im Fokus des Radnetz OWL steht auch die nachhaltigere Erreichbarkeit ländlicher Gebiete durch stärkere Vernetzung der Verkehrsmittel und neue Bedienformen durch Mobilitätsmanagement und Digitalisierung.


Radnetz OWL.
Quelle: OstWestfalenLippe GmbH

Mit dem Radnetz OWL wird ein hierarchisches Pendlerradnetz zur Vernetzung der Kommunen untereinander aber auch mit dem ÖPNV/Mobilstationen entwickelt. Es integriert bestehende und neue Strategien (Alltagsradwegekonzept Kreis Gütersloh und das Integrierte Radverkehrskonzept der Regiopolregion Bielefeld) der Region, kann aber auch wichtige Impulse für deren Weiterentwicklung 2021 und darüber hinaus geben. Das gut ausgebaute Freizeitwegenetz in OstWestfalenLippe wird dabei strukturell berücksichtigt.

Planungsablauf
Nach der Erstellung einer übergeordneten Zielmatrix wurde ein Luft- bzw. Wunschliniennetz für die Region entwickelt, welches die zentralen Orte benachbarter Kommunen miteinander verbindet. Dazu wurden Orte in Abhängigkeit ihrer zentralörtlichen Versorgungsfunktion und Größe des Versorgungsbereiches in Oberzentren, Mittelzentren und Grundzentren unterschieden. Anschließend erfolgte unter Berücksichtigung der Richtlinie für integrierte Netzgestaltung (RIN) eine Hierarchisierung des Radnetzes nach innerhalb und außerhalb bebauter Gebiete, und anhand der Verbindungsfunktionsstufe nach überregionalen sowie regionalen Verbindungen.
Der Radschnellweg OWL 2.0 als Verbindung zwischen den Städten Rheda-Wiedenbrück, Gütersloh, Bielefeld und Herford ist in der Gesamtstreckenführung mit dem RS3 (Herford-Minden) ein Leuchtturmprojekt der Region. Für diesen Radschnellweg wurde eine Potenzialanalyse im Rahmen des Konzepts Radnetz OWL erstellt. Aufgrund der positiven Ergebnisse ist eine detaillierte Nutzen-Kosten-Analyse geplant.
In enger Abstimmung mit den Vertreterinnen und Vertretern der Kreise erfolgte die weitere Netzkonkretisierung. Anhand der Kriterien Entfernung zwischen den Orten oder Umwegefaktor sowie der Pendlerzahlen, Steigungsverhältnisse und Erfahrungswerte bzw. Ortskenntnisse erfolgte die Einteilung in ein „primäres“ und „nicht primäres“ Wunschliniennetz.
Die vorhandenen ideellen Verbindungen dieses weitergehend betrachteten Luftliniennetzes wurde dann mithilfe eines Geographischen Informationssystems (QGIS) auf das konkret in der Örtlichkeit vorhandene Wegenetz umgelegt. Dabei wurden vor allem die Kriterien der direkten Wegeführung für den umwegempfindlichen Radfahrenden berücksichtigt. Vorhandene Radkonzepte und Planungen der jeweiligen Kommunen und Kreise dienten dabei als Grundlage. Alternative Streckenführungen wurden diskutiert, wichtige Quellen und Ziele wie Gewerbegebiete, größere Arbeitgeber, Krankenhäuser, weiterführende Schulen, Schnittstellen mit dem ÖPNV und die Direktheit der Anbindung an die Kommune in die Abwägung einbezogen.
Neben den Verbindungen innerhalb OWL wurden ebenfalls Anbindungen an OWL angrenzende Kommunen und Kreise mitgedacht. Sie dienen als Hilfestellung und Orientierung für zukünftige interregionale Radverkehrskonzepte.

Qualitätsstandards
Die Ansprüche an Radverkehrsanlagen im Straßenraum steigen bei zunehmender Radverkehrsnutzung stetig an. Demzufolge soll die Radverkehrsplanung in OstWestfalenLippe künftig sowohl baulich als auch verkehrstechnisch einheitlich und an die deutschen Regelwerke angelehnt erfolgen. Dies führt sowohl zu einer besseren Akzeptanz und Verständlichkeit der Radverkehrsführungen für alle Verkehrsteilnehmenden als auch der Vereinfachung der Planungs- und Abstimmungsprozesse. Da die Regelwerke einer ständigen Weiterentwicklung unterliegen und auch dort die zunehmenden Radverkehrsstärken und höheren Qualitätsanforderungen zu Veränderungen führen, wurden für das Radnetz OWL die voraussichtlichen Entwicklungen antizipiert. Daher übertreffen die im Konzept definierten Qualitätsstandards die Festlegungen der Richtlinien teilweise, stellen aber einen anzustrebenden Idealzustand dar, der in der konkreten Umsetzung mit den tatsächlich vorzufindenden Rahmenbedingungen (wie z. B. zur Verfügung stehender Straßenraum) abzugleichen und gegenüber weiteren Nutzungsarten abzuwägen ist. Neben Regelbreiten für unterschiedliche Führungsformen (vom Schutzstreifen über gemeinsame Geh- und Radwege bis zur selbständigen Wegeberbindung) und Netzkategorien wurden Standards für weitere Kriterien der Radverkehrsplanung entwickelt. Diese betreffen die Oberflächen, Einbauten, Bevorrechtigungen, Verträglichkeit mit Fußverkehr, Winterdienste, Reinigung und Kontrolle, Beleuchtung, Absenkungen und Markierung. Abschnittsweise Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen als unterstützende Maßnahme zur Fahrbahnführung und Führung auf Schutzstreifen wird anhand der Argumente Verkehrssicherheit, Verkehrsablauf und Leistungsfähigkeit, Lärmminderung, Verträglichkeit mit dem Radverkehr, Reisezeit und ÖPNV sowie Akzeptanz begründet.
Die Empfehlungen zu Qualitätssicherung und Erfolgskontrolle, anhand von Outputkennzahlen für den Umsetzungsfortschritt, Verstetigungsstrategien, Zählungen, Unfallanalysen sowie Vorher-Nachher-Evaluation sowohl des Radverkehrs selber aber auch im Sinne einer vernetzten Mobilität zu Multi- und Intermodalität als auch dem Mobilitätsverhalten, werden vor allem nach der Umsetzung von Maßnahmen eine zentrale Rolle spielen.

Umsetzung
Im Ergebnis ist so ein Radnetz mit einer Länge von insgesamt ca. 2.046 Kilometern entstanden, welches für die interkommunalen Radverkehrsverbindungen im Alltagsverkehr eine hohe Bedeutung aufweist. Es bildet nicht sämtliche kommunalen Binnenverkehre und die Feinerschließungen der Gemeinden ab, sondern verbindet die Kommunen in OWL untereinander.
Bild 6: Netzkategorien Radnetz OWL, Kartengrundlage: ©GeoBasis-DE/BKG 2020
Ein Kapitel zu Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten für die Umsetzung ergänzt das Konzept. Aussagen zum Finanzbedarf für Neubau, Erhaltung und Betrieb der Radinfrastruktur, Links zu Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten von Bund und Ländern sowie ein konkretes Beispiel zur Umgestaltung eines Straßenquerschnitts unterstützen die Akteure vor Ort.

Die REGIONALE 2022

Der Wirtschafts- und Kulturraum OstWestfalenLippe (OWL) richtet unter der Überschrift „Wir gestalten das neue UrbanLand“ die REGIONALE 2022 aus. REGIONALEN sind ein Strukturförderprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen zur Entwicklung strukturwirksamer Projekte in unterschiedlichen Themenfeldern. Die Idee des „UrbanLandes“ ist es, vor dem Hintergrund unterschiedlicher Entwicklungsdynamiken gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz OWL zu gewährleisten und die Region zusammenzuführen.

Das UrbanLand OstWestfalenLippe ist die strategische Vision für diesen Raum als Zukunftsmodell. Die polyzentrische Struktur mit 70 Städten und Gemeinden soll durch eine intensive Vernetzung gestärkt werden. Die Mobilität ist dafür Schlüsselthema – und damit auch der Radverkehr. www.urbanland-owl.de[lm22o1] 

Astrid Butt
Quelle: OstWestfalenLippe GmbH

Christopher Reineking
Quelle: SHP Ingenieure

Peter Bischoff
Quelle: SHP Ingenieure