Prävention von gesundheitlicher Ungleichheit - (k)ein Thema im ländlichen Raum?

23. Januar 2025: Von Kaija Elvermann, Leiterin des Gesundheitsamtes/Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen und stellv. Vorsitzende des LVÖGD NRW , Oberbergischer Kreis

Gesundheitliche Ungleichheiten lassen sich in einem ländlichen Raum wie dem Oberbergischen Kreis (OBK) anhand von eigenen kleinräumigen, integrierten Gesundheits- und Sozialraumdaten seit vielen Jahren darstellen. Diese können die Bedarfe zielgruppen- und themenspezifisch identifizieren und erleichtern somit die Durchführung von Präventionsprojekte zur Gesundheitsförderung unterhalb der Gemeindegrenzen in den jeweiligen Settings wie Kindertagesstätten und Schulen.

Anhand der vorliegenden Daten sind im Oberbergischen Kreis unter anderem Handlungsbedarfe in Bezug auf eine kindliche Entwicklungsförderung in den Bereichen Ernährung, Bewegung und Infektionsschutz identifiziert worden.  Wenngleich die ungleiche Verteilung prekärer gesundheitlicher Entwicklungen innerhalb des Kreises seit Jahren bekannt ist, so fehlte es in der Vergangenheit an Personalressource zur Umsetzung zielgerichteter Präventionsmaßnahmen. Erst durch die Förderung innerhalb des „Paktes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“, wurde es Anfang 2021 möglich die Stabsstelle „Prävention und Vorsorgeplanung“ im Gesundheitsamt des Oberbergischen Kreises zu schaffen.

Die Stelle wurde mit einer Gesundheitswissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt „Public-Health“ besetzt. Sie ist der Amtsleitung direkt unterstellt und arbeitet eng mit der Stabsstelle Gesundheitsberichterstattung, kommunale Gesundheitskonferenz und Gesundheitsplanung zusammen, die mit einer Sozialwissenschaftlerin besetzt ist. In der SARS-COV2 – Pandemie geschaffen, entwickelte die Stelle zunächst zielgruppenspezifische Angebote im Infektionsschutz, wie aufsuchende, mehrsprachige Impfangebote in ausgewählten Quartieren. Die enge Zusammenarbeit der beiden Fachdisziplinen Gesundheits- und Sozialwissenschaften unter der direkten Leitung der fachärztlichen Amtsleitung, erwies sich als günstige Kombination in Hinblick auf effiziente und effektive Präventionsangebote, die gekennzeichnet waren durch schnelle Handlungsumsetzung.

Im Jahr 2022 konnte so durch eine Projektförderung des Landeszentrum Gesundheit NRW, erstmalig ein partizipativer primärpräventiver Ansatz zum Infektionsschutz modellhaft in vier Sozialräumen des OBK erprobt werden. Innovativ hieran war die zielgruppenspezifische Ansprache mittels Vertrauenspersonen aus den Communities, sogenannten „Peers“, die durch die Fachleute der Behörde in motivierender Gesprächsführung und der Entwicklung von Gesundheitskompetenz geschult wurden. So wurde die Brücke zur Gesundheitsbehörde gebildet, ohne dass diese direkt im Sozialraum in Erscheinung trat. Die „Peers“ wurden dabei im Sozialraum durch eine Projektkoordinatorin mit enger Affinität zu den Zielgruppen identifiziert und rekrutiert. Hierdurch ergaben sich zahlreiche Synergien und positive Nebeneffekte innerhalb der Sozialräume, wie der (Wieder-) Aufbau des Vertrauens der Bevölkerung in Infektionsschutz- und Impfmaßnahmen und die Förderung von Gesundheitskompetenzen.

In diesem 8-monatigen Pilotprojekt zeigte sich, dass der „Peer to Peer“-Ansatz die zielgruppenspezifische Infektionsprävention sehr positiv ergänzt, um Bevölkerungsgruppen in prekären Sozialräumen zu erreichen. Es konnte gezeigt werden, dass eine kultursensible Ansprache in den Quartieren den Zugang zu den Communities fördert und eine Vertrauensbildung erstmalig seit vielen Jahren ermöglichte. Der Peer-Ansatz zeigte dabei, dass der partizipative Ansatz Empowerment-Erfahrungen stärkt, die wiederum das weitere Engagement der Zielgruppen vor Ort anregt. Die Communities erlebten spürbar Gehör und Raum für ihre Sichtweisen und die eigene Bedeutsamkeit. Die „Peers“, als Brückenpersonen in den Quartieren, entwickelten eine verstärkte Motivation, sich in ihrem Quartier zu Gesundheitsthemen zu engagieren. Auch bei den Fachakteuren vor Ort wurde die Motivation zur Zusammenarbeit bezüglich interdisziplinärer Gesundheitsthemen gefördert.
Auf diese Weise konnte ein erster Ball ins Rollen gebracht werden, den es anschließend im Rahmen des aktuell noch laufenden Folgeprojektes „Infektionsschutz mit Peer to Peer in oberbergischen Kitas“ in Bewegung zu halten galt. Auch diese primärpräventive Maßnahme im Bereich Hygiene und Infektionsschutz in der Kindertagesstätte, wurde seitens der neugegründeten „Stabsstelle Prävention“ geleitet und durch das LZG.NRW unterstützt.

Fakten-Check zum Kitaprojekt: 

  • Motto der Kampagne „Flur-Parkour“ in 6 Schritten zum Monsterdiplom
  • Neun Einrichtungen in Schwerpunkt-Sozialräumen
  • Rekrutierung von elf Peers (Erzieherinnen)


Gesundheitstests zur Sprachentwicklung und Motorik
Quelle: Oberbergischer Kreis

Schulung der Peers im Infektionsschutz und der Hygiene durch Ärzte des Gesundheitsamtes
Aktionstag mit Flur-Parkour:

  • fünf Stationen mit Gesundheitschecks und Aktionen zum Händewaschen für alle 4-jährige Kinder 
  • alle Einrichtungskinder durften die Sauberkeit ihrer Hände mittels UV-Licht testen
  • kinderärztliche Untersuchung durch Ärztinnen des KJGD mit Impfpasscheck, Einsicht des U-Hefts, Grob- und Feinmotorik sowie der Sprachentwicklung und anschließendem, individuellem Empfehlungsschreiben
  • Belohnung aller teilnehmenden Kinder mittels Info-Tasche mit Logo der Aktion, einem projektbezogenen T-Shirt und einem „Monsterdiplom“


Hygieneschulung im Rahmen des Aktionstages
Quelle: Oberbergischer Kreis

Das Monsterdiplom und T-Shirt als Belohnung.
Quelle: Oberbergischer Kreis

Als weiteres Projekt startete im März 2024 „Peer to Peer bewegt das Quartier- Gesundes Aufwachsen in Bergneustadt“ zum „kommunalen Strukturaufbau“ im Bereich der frühkindlichen Bewegung und Ernährung.

Fakten-Check „Peer to Peer bewegt das Quartier“

  • Förderung für drei Jahre durch GKV- Bündnis nach § 20a SGB V; „Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten“
  • Primärprävention der Adipositas 0-10 Jahre
  • Strukturaufbau in einer ausgewählten Kommune
  • Ausbau kommunaler Zusammenarbeit
  • Gesundheitsförderung als Querschnittsaufgabe in allen Politikfeldern
  • Partizipation der Zielgruppen durch den „Peer- Ansatz“

Auf diese Weise gilt es möglichst früh eine gesunde Lebenswelt für Kinder von 0-10 Jahre aufzubauen, die das gesunde Aufwachsen von der Geburt bis zum Eintritt in die weiterführende Schule ebnet.

Zusammenfassend zeigt sich durch die Präventionsangebote mit dem „Peer to Peer“ Ansatz im OBK bereits jetzt, eine erste positive Tendenz in der Gesundheitsförderung vor Ort, sowie eine damit einhergehende Vertrauensbildung der Zielgruppen. Mit zusätzlicher Personalressource gelingt es, das Präventionsdilemma positiv zu beeinflussen und somit aus dem ÖGD heraus aktiv an einer Sensibilisierung der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen mitzuwirken, sowie die Gesundheitsförderung effektiv mitzugestalten.

All diese verzahnten, niederschwelligen und partizipativen Präventionsbewegungen im OBK können als Erfolg des ÖGD-Pakts anerkannt werden, da die umfassende Konzeptionierung, Steuerung und Koordinierung der Projekte erst durch die geförderte Stabsstelle möglich wurden.

1Unter Mitwirkung von Rabea Riesewieck, Stabsstelle Prävention Vorsorgeplanungen, und Sarah Leisner, Stabsstelle Gesundheitsberichterstattung/Koordination Gesundheitskonferenz


Kaija Elvermann
Quelle: Oberbergischer Kreis