Pakt ÖGD – Chancen und Risiken am Beispiel der StädteRegion Aachen

23. Januar 2025: Von PD Dr. med. Monika Gube, Leiterin des Gesundheitsamtes, Städteregion Aachen

In der StädteRegion Aachen konnte im Rahmen des Paktes ÖGD eine enge Verzahnung des Gesundheitskiosks (hier Projekt mit der AOK Rheinland/Hamburg) mit dem Gesundheitsamt erreicht werden, indem eine Vollzeitstelle aus dem Pakt im Gesundheitskiosk eingesetzt ist und gemeinsame Aktionen koordiniert. Außerdem konnte der Sozialpsychiatrische Dienst personell so gestärkt werden, dass deutlich mehr Klienten erreicht und eine Beratung angeboten werden kann. Diese droht nach dem Auslaufen des Paktes ohne Anschlussfinanzierung durch Land/Bund wieder auf das alte Maß zurückgefahren zu werden - trotz steigender Fallzahlen. Die Auswirkungen auf die Betroffenen selbst und deren Umfeld sind nicht kalkulierbar.

Ausgangspunkt und Start des Paktes ÖGD
Die dritte Säule des Gesundheitswesens in Deutschland neben ambulanter und stationärer Versorgung ist der öffentliche Gesundheitsdienst, für welchen bereits in vor-pandemischen Zeiten eine dringende Stärkung gefordert wurde. Als der Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst im Herbst 2021 aufgelegt wurde, war schnell klar, dass nicht nur der Infektionsschutz im Gesundheitsamt der StädteRegion Aachen zur akuten Bewältigung der Corona-Pandemie gestärkt werden muss. Neben der Gefahr zukünftiger Epi- und Pandemien galt es, den aktuellen und prognostisch steigenden Bedarfen besonders vulnerabler Bevölkerungsgruppen zu begegnen.

Zusammenarbeit mit dem Gesundheitskiosk


Team des Gesundheitskiosk inkl. des Mitarbeiters aus dem Gesundheitsamt
Quelle: Gesundheitskiosk StädteRegion Aachen; Leitung Fr. A. Klebingat

Im gleichen Zeitraum wurde der Gesundheitskiosk in der StädteRegion Aachen als gemeinsames Projekt und mit finanzieller Unterstützung der AOK Rheinland/Hamburg geplant und am 01.04.2022 eröffnet. Betrieben wird der Gesundheitskiosk von einer 100%igen Tochter der StädteRegion Aachen, die mit dem Gesundheitsamt kooperiert. Die Kooperationsvereinbarung mit dem Gesundheitsamt sah von Beginn an vor, neben geeigneten Räumen im Gesundheitsamt eine Vollzeitstelle aus dem Pakt ÖGD dort einzusetzen. Der eingesetzte Mitarbeiter verfügt über die Qualifikation eines Bachelors im Bereich Health Care Management und übernimmt aufgrund seines breiten Vorwissens aus dem öffentlichen Gesundheitsdienst Aufgaben in der Netzwerkarbeit des Gesundheitskiosks. Zudem koordiniert er gemeinsame Aktionen der beiden Einrichtungen. So können Leistungsangebote subsidiär und komplementär dort angeboten werden, wo Bürgerinnen und Bürgern ohne Unterstützung die Orientierung im deutschen Gesundheitssystem kaum möglich ist und Leistungen trotz eines bestehenden Bedarfs nicht abgefragt werden. Allein im 3. Quartal 2024 wurden niedrigschwellig 644 Beratungsgespräche sowohl im Gesundheitskiosk selbst bzw. dessen inzwischen 8 etablierten Zweigstellen als auch mobil mit dem sog. Gesundheitsbus durchgeführt; dieser fährt Orte wie beispielsweise die Einrichtungen der Tafel an, um Bürgerinnen und Bürgern dort unmittelbaren Zugang ohne Terminvergabe zu gewährleisten.


Mitarbeiter des GA am gemeinsamen Stand des Gesundheitsamtes und des Gesundheitskiosks betreuen auf dem Sommerfest das Quiz rund um den Menschen.
Quelle: Gesundheitskiosk StädteRegion Aachen; Leitung Fr. A. Klebingat

Im Rahmen gemeinsamer Aktionen mit diversen Arbeitsgruppen des Gesundheitsamtes, beispielsweise beim Sommerfest für alle Bürgerinnen und Bürger, soll zudem spielerisch die Gesundheitskompetenz aller Altersgruppen gestärkt werden (siehe Foto). Der aktive Austausch mit städteregionalen Netzwerken wie Jobcenter, Volkshochschule, Stadtteilmanagerinnen und Stadtteilmanagern, Selbsthilfegruppen etc. dient dem breiteren Bekanntwerden der Angebote insbesondere für sozial benachteiligte Menschen.

Verbesserungen im Sozialpsychiatrischen Dienst
Im Aufgabengebiet des Sozialpsychiatrischen Dienstes konnten aus Mitteln des Paktes ÖGD insgesamt allein 2,5 Vollzeitstellen im Bereich Kerndienst/Soziale Arbeit geschaffen werden, aufgeteilt auf 5 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Qualifikation Diplom bzw. Bachelor Soziale Arbeit. Dies bedeutet einen Personalzuwachs von 33 Prozent (!) im sogenannten Kerndienst, wodurch sich die Zuständigkeit von 1 VZÄ Soziale Arbeit für 74.300 Einwohner auf 1 VZÄ für 55.700 Einwohner deutlich verbesserte. Dadurch konnten erstmals Zuständigkeiten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf der Ebene eines Stadtteils bzw. eines Quartiers definiert und wahrgenommen werden. Albers und Elgeti (2018) kommen in ihren Ausführungen zum Personalbedarf der Sozial Psychiatrischen Dienste sogar auf etwa 1 VZÄ Soziale Arbeit pro 25.000 – 30.000 Einwohner im Kerndienst. Die steigenden Fallzahlen bzw. Meldungen aus der Bevölkerung und von anderen Institutionen wie Polizei und Ordnungsamt an den Sozialpsychiatrischen Dienst erhärten die Annahme dieser Personalkalkulation auch in der StädteRegion Aachen.
Des Weiteren wurden über den Pakt ÖGD zwei halbe Stellen psychologische Psychotherapie mit zwei Kolleginnen besetzt. Diese übernehmen wichtige Zuarbeiten sowie eigene Anteile bei der Begutachtung im SpDi; insbesondere die Durchführung diverser Testungen ist hier zu nennen. Hierdurch wird der ärztliche Dienst im SPDi massiv entlastet, so dass bei latentem Fachkräftemangel dennoch eine relevante Anzahl von Begutachtungen mit akzeptablen Wartezeiten erfolgen kann.

Ausblick
Mit Auslaufen des Paktes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst zum Jahresende 2026 wird die Finanzierung wenigstens eines Großteils der geschaffenen Stellen abrupt enden. Den Kommunen ist die Übernahme der Anschlussfinanzierung in der jetzigen Haushaltslage nicht zuzumuten, aber auch zumeist nicht möglich, weshalb die sogenannten Pakt-ÖGD-Stellen zum 01.01.2027 ersatzlos entfallen werden. Damit sind auch die vorgenannten Errungenschaften bezüglich der Versorgung der Bevölkerung nicht mehr zu realisieren und müssen rückgeführt werden. Insbesondere im Bereich des Sozialpsychiatrischen Dienstes bedeutet dies eine unklare und höchstwahrscheinlich schlechtere Versorgung der Betroffenen bei gleichzeitig steigender Fallzahl. Dieser Entwicklung gilt es, mit Vehemenz zu begegnen. Der Pakt ÖGD darf nicht einfach verschwinden!


Dr. med. Monika Gube
Quelle: fotogen Würselen