Neuzugewanderte Fachkräfte erfolgreich unterstützen

16. Februar 2024: Von Eva Richard, stellvertretende Pressesprecherin, Kreis Wesel

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, stellt der Kreis Wesel Fachleute ein, die zu Anfang ihrer Tätigkeit noch nicht fließend Deutsch sprechen. Die Kreisverwaltung Wesel unterstützt die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei auf vielfältige Weise: Bei der Erledigung aller formellen Voraussetzungen für Einreise und Arbeitsaufnahme, bei der Suche und dem Besuchen von Sprachkursen und bei der Integration in das bestehende Team. Wünschenswert wäre, die formellen Abläufe zu vereinfachen, um so die Verfahren zu beschleunigen und die Akquise von Fachkräften aus dem Ausland einfacher zu gestalten.

Der Fachkräftemangel macht auch vor dem öffentlichen Dienst nicht Halt – die Aufgaben der einzelnen Kolleginnen und Kollegen verdichten sich, manche Stellen sind dauerhaft unbesetzt.
Bei der Akquise von Fachkräften müssen daher neue Wege gegangen werden. Das heißt, es sollen auch die Menschen ihre vielfältigen Fähigkeiten im hiesigen Arbeitsleben nutzen können, die nicht Deutsch als Muttersprache gelernt haben. Im FD 66 Umwelt hat Fachdienstleiter Michael Fastring eine Ingenieurin eingestellt, die zu Beginn ihrer Tätigkeit beim Kreis noch nicht fließend Deutsch sprach. Farsaneh Bahrambeyk kommt aus Teheran in Iran und ist seit September 2021 beim Kreis Wesel beschäftigt.
„Man muss die Menschen unterstützen, da haben wir am Ende alle was von“, sagt Michael Fastring. „Fachlich kann man alles lernen, aber besonders der menschliche Umgang ist wichtig.“ Und dieser Umgang passte vom ersten Moment an.


Michael Fastring (Fachdienstleiter Umwelt) und Farsaneh Bahrambeyk, Ingenieurin beim Kreis Wesel.
Quelle: Kreis Wesel

Farsaneh Bahrambeyk hat Umweltingenieurwesen in Iran studiert und in Bochum ihren Masterabschluss gemacht. Zu diesem Zeitpunkt sprach sie gut Deutsch. Mit Beginn der Pandemie und den Kontaktbeschränkungen änderte sich die Situation: „Ich habe viel von zu Hause studiert und hatte wenig Kontakt mit meinen Kommilitonen. Zu Hause habe ich vorwiegend Persisch gesprochen und so die deutsche Sprache zum Teil verloren.“
Das Vorstellungsgespräch beim Kreis Wesel war entsprechend herausfordernd für Bahrambeyk. „Die Sprachbarriere war schon deutlich da“, sagt Michael Fastring. „Genauso deutlich haben wir aber auch gemerkt, dass sie fachlich sehr versiert ist. Wir waren uns einig, dass wir sie gerne einstellen wollen und ihr auch die Möglichkeit geben möchten, sich sprachlich zu entwickeln. Sie hat einen unheimlichen Ehrgeiz gezeigt, weiter Deutsch zu lernen.“
Bahrambeyk hat sich selber um Fortbildungen gekümmert. Der Fachdienst bezahlte den Sprachkurs, der auch zur Dienstzeit gehörte. Durch ihr Engagement zeigten sich schnell Erfolge: Fachliche Gespräche am Telefon gehen ihr immer leichter von der Hand und die Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen bei amtlichen Schriftstücken war schon bald nicht mehr nötig.
„Die Kolleginnen und Kollegen haben mir unglaublich viel geholfen“, sagt Bahrambeyk. „Schreiben kann man in Ruhe üben, aber Sprechen ist viel unmittelbarer. Ich habe die Kolleginnen und Kollegen auch darum gebeten, mich zu korrigieren. Ich bin stolz auf den Rückhalt, den sie mir gegeben haben.“
Ein großes Projekt hat Bahrambeyk sich ebenfalls schon vorgenommen: Sie übersetzt ein fachliches Handbuch von Deutsch auf Persisch. „Durch die Übersetzung bekomme ich ein tieferes Verständnis für die Sprache und für die Materie.“ Die Übersetzung schafft sie von Grund auf neu: Der Verlag des Handbuchs hat auch bereits Interesse angemeldet.
Michael Fastring ist froh, eine neue kompetente Mitarbeiterin gewonnen zu haben: „Die Zusammenarbeit funktioniert menschlich, fachlich und sprachlich wirklich hervorragend. Ich bin sehr froh, dass wir diesen Weg gegangen sind. So wird die Kreisverwaltung auch als langfristige Arbeitgeberin gesehen. Gute Investitionen lohnen sich.“
Ein wichtiger Baustein bei den Bemühungen gegen den Fachkräftemangel also.


Jochen Hansens (stellv. Vorstandsmitglied Bereich Umwelt) und Mohammad Moayyed, seit Anfang November 2023 Vermessungsingenieur beim Kreis Wesel.
Quelle: Kreis Wesel

Einen ähnlichen Weg ist auch Jochen Hansens gegangen, Fachdienstleiter des Katasteramts und stellvertretendes Vorstandsmitglied des Kreises Wesel. Seit dem 1. November 2023 arbeitet sein Mitarbeiter Mohammad Moayyed als Vermessungsingenieur im Außendienst – und seit dem 1. November ist Moayyed in Deutschland. Was so eng zeitlich getaktet klingt, hatte einen sehr langen Vorlauf.
„Ich hatte im Februar ein Vorstellungsgespräch beim Kreis Wesel, von Iran aus“, erzählt Moayyed. „Aber bis ich anfangen konnte zu arbeiten, sind acht Monate vergangen. Es hat sehr lange gedauert, bis alle formellen Fragen geklärt waren.“
Verschiedene Dokumente mussten bei einer Vielzahl Stellen eingereicht werden, damit Hochschulabschlüsse geprüft und anerkannt werden, es ging um Übersetzungen und Visumsfragen.
„Der Aufwand war enorm, für uns genauso wie für Herrn Moayyed und das Personalamt“, sagt Hansens. „Die Zuständigkeiten sind schwierig herauszufinden und die jeweiligen Verfahren dauern sehr lange und sind mit hohen Kosten verbunden.“
Da Moayyed mit Aufnahme seiner Arbeit nach Deutschland kam, stellten sich noch weitere Herausforderungen: Fragen nach Kontoeröffnungen, Versicherungen und natürlich auch nach einer Wohnung. „Es war sehr viel zu regeln“, sagt Moayyed, „in allen Lebensbereichen.“
Von Iran aus eine Wohnung zu finden, war quasi unmöglich. Hansens unterstützte Moayyed und wurde schließlich fündig: „Nach vielen fruchtlosen Versuchen habe ich eine Annonce in unserem eigenen Intranet gesehen und konnte Herrn Moayyed eine Wohnung vermitteln.“
Nach acht Monaten konnte Moayyed dann endlich nach Deutschland kommen und beim Kreis Wesel arbeiten.
„Zwischenzeitlich hatte ich Sorge, dass der Kreis doch kein Interesse hat, weil alles so lang dauerte“, sagt er. Für Jochen Hansens kam eine Absage aber nicht in Frage: „Ich bin froh, dass wir Herrn Moayyed in unserem Team haben, auch wenn der Weg ein langer war. Der Fachkräftemangel ist ein großes Problem in Deutschland, nicht nur in den Verwaltungen. Deshalb wäre es schön, wenn diese Abläufe deutlich verschlankt und beschleunigt werden könnten.“
Und die Arbeit selbst? „Ich fühle mich wohl“, sagt Moayyed. „Ich muss viele neue Dinge lernen, neue Programme, neue Menschen kennenlernen und auch die Kultur und vor allem auch die Sprache. Aber ich schaffe das.“
In Iran hat Moayyed bereits Deutsch gelernt, mit dem Ziel, in Deutschland zu arbeiten. Aber auch sein Kurs wurde während der Pandemie nicht weitergeführt. Nun ist er hier angemeldet und wartet auf den Beginn des Kurses, um sich weiter zu verbessern.  Innerhalb des Hauses vernetzt er sich, hat auch bereits Kontakt mit Bahrambeyk aufgenommen und tauscht sich aus; unter Landsleuten, sozusagen.
Bei all den Veränderungen bleibt aber eine Konstante, sagt er. Denn: „Vermessung ist Vermessung – überall auf der Welt.“