Naturschutzarbeit in Zeiten großer Herausforderungen
Die Naturschutzarbeit steht vor großen Herausforderungen: Vor allem durch die veränderte und intensive Landnutzung schreitet das Artensterben weiter voran und der Klimawandel ist auch vor unserer eigenen Haustür spürbar. Er verstärkt das Artensterben weiter, denn durch die schnelle Erderwärmung kommen Tiere, Pflanzen und ganze Ökosysteme immer mehr in Bedrängnis. Trotz unserer bisherigen jahrelangen und kontinuierlichen Naturschutzarbeit müssen wir uns also noch stärker engagieren, um unsere Lebensgrundlagen zu schützen. Der Kreis Warendorf setzt dabei auf verschiedene Instrumente, von denen wir hier zwei vorstellen möchten.
Vertragsnaturschutz
Naturschutzmaßnahmen brauchen Platz. Der Kreis Warendorf ist geprägt von der Münsterländer Parklandschaft mit kleinen Feldgehölzen, Hecken, Baumreihen und eher verstreut liegenden Hofstellen, aber auch großen, zusammenhängenden Offenlandbereichen. Diese Biotopstrukturen und Grünlandbereiche sind wichtige Rückzugsräume für viele Arten. Gleichzeitig ist der Kreis aber auch eine Veredelungsregion mit intensiver Landwirtschaft. Hohe Grundstücks- und Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen erschweren es, bei diesen großen Flächenkonkurrenzen Naturschutzmaßnahmen umzusetzen.
Wie in vielen anderen Kreisen ergibt sich daraus auch bei uns ein Spannungsverhältnis. Daher ist es besonders wichtig, einen Weg zu finden, der für alle Beteiligten gangbar ist. Seit vielen Jahren setzen wir in diesem Zusammenhang insbesondere auf den Vertragsnaturschutz (VNS): Über einen Vertrag mit fünfjähriger Laufzeit verpflichten sich Landwirte, Naturschutzmaßnahmen auf ihren Flächen umzusetzen. Dafür erhalten sie eine Ausgleichszahlung aus Fördergeldern des Landes NRW (mit einer hohen Beteiligung der EU).
VNS ist bei guter Umsetzung ein wertvolles und sehr wirkungsvolles Instrument, um Naturschutzmaßnahmen in der Normallandschaft umzusetzen. Genau deshalb setzt der Kreis Warendorf auf diese freiwillige Fördermaßnahme und realisiert mit den Landwirten eine sehr große Anzahl an Maßnahmen. Zudem ermöglicht es der VNS gerade in Zeiten, in der die Landwirtschaft vor vielen Herausforderungen steht, ein gemeinsames Ziel auf Augenhöhe miteinander umzusetzen. Das A und O ist hierbei, die Landwirte intensiv zu beraten und geeignete Flächen mit wirkungsvollen Maßnahmen zu kombinieren. Nicht nur die Biodiversität, sondern auch die Landwirte profitieren vom VNS. Entkoppelt von klimatischen Extremwetterereignissen und Weltmarktpreisen ist es ihnen möglich, für einen Zeitraum von fünf Jahren einen verlässlichen und auskömmlichen Betrag zu erwirtschaften. Neben Lebensmitteln können sie auch Biodiversität herstellen und werden dafür in angemessener Weise entlohnt.
Der Kreis Warendorf setzt für den VNS gezielt viel Personal und Kompetenz ein. Neben den Beratern aus der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) gibt es weitere Akteure wie den Biodiversitätsberater der Landwirtschaftskammer und die Biologische Station, die erste Beratungsgespräche führen, und auch die Westfälische Stiftung Kulturlandschaft bewirbt dieses landesweite Naturschutzprogramm. Jedoch bleibt die UNB Bewilligungsbehörde und entscheidet am Ende fachlich über jede einzelne Maßnahme.
Mag das Verhältnis zwischen Naturschutz und Landwirtschaft in vielen Regionen auch schwierig sein, sprechen die Zahlen des VNS im Kreis Warendorf eine andere Sprache. Stetig wachsende Vertragszahlen und Flächengrößen zeigen, dass gemeinsames Handeln und ein vertrauensvoller Umgang auf Dauer zum Erfolg führen. So werden für das Bewirtschaftungsjahr 2023 mehr als eine halbe Millionen Euro an die teilnehmenden Landwirte im Kreis Warendorf ausgezahlt.
Im Bewirtschaftungsjahr 2024 wird die Anzahl der Flächen nochmals steigen, so dass voraussichtlich rund 850.000 Euro an die Landwirte ausgezahlt werden können – Geld, das dem Naturschutz und den Landwirten im Kreis zu Gute kommt.
Jahr | Vertragszahl | Vertragsfläche (ha) | Fördersumme (€) |
2016 | 78 | 357 | 230.560 |
2017 | 93 | 396 | 260.770 |
2018 | 106 | 433 | 291.080 |
2019 | 124 | 481 | 354.808 |
2020 | 147 | 561 | 414.386 |
2021 | 181 | 607 | 473.510 |
2022 | 178 | 634 | 481.000 |
2023 | 198 | 710 | 561.000 |
Prognose 2024 | 219 | 900 | 853.000 |
Wiedervernässung
Die Wiedervernässung von Mooren, Heiden oder anderen Flächen ist ein wichtiger Baustein für den Arten- und den Klimaschutz. Wasser in der Landschaft ist wichtig für das Überleben der heimischen Tier- und Pflanzenwelt. Als CO2-Speicher spielen besonders Moore und feuchte Grünlandflächen eine wesentliche Rolle. Ein stärkerer Wasserrückhalt in der Landschaft dient sowohl dem Hochwasserschutz als auch der Grundwasserneubildung.
Auch der WDR wurde auf die Naturschutzmaßnahme aufmerksam und interviewte (v.l.) Kristian Lilje (NABU-Naturschutzstation Münsterland), Umweltdezernent Dr. Herbert Bleicher und Hauptdezernentin Maya Poguntke (Höhere Naturschutzbehörde) vor Ort.
Quelle: Kreis Warendorf
Als erste konkrete Maßnahme hat der Kreis Warendorf geeignete Flächen im Naturschutzgebiet Brüskenheide wiedervernässt. Dabei waren wir natürlich nicht alleine – so etwas kann nur im Zusammenspiel gelingen. Daher haben der Kreis, die Bezirksregierung mit der Höheren Naturschutzbehörde und dem Dezernat für Bodenordnung, die Biologische Station, der Wasser- und Bodenverband und die Landwirte vor Ort gemeinsam an einem Strang gezogen. Damit konnten wir einen großen Schritt hin zu mehr Arten- und Klimaschutz gehen und wichtige Erfahrungen für weitere Projekte dieser Art sammeln.
Das Naturschutzgebiet Brüskenheide, zwischen Telgte-Westbevern und Ostbevern-Brock, umfasst ca. 56 Hektar. Es wurde in der Vergangenheit bereits durch Flächenankäufe und Optimierungsmaßnahmen zu einem bedeutenden Wiesenvogelhabitat umgestaltet. Durch die Maßnahmen zur Wiedervernässung konnte das Gebiet nun speziell für stark gefährdete Wiesen- und Watvögel, wie etwa Uferschnepfe, Brachvogel und Kiebitz, weiter optimiert werden. Für diese Arten ist oberflächig anstehendes Wasser von entscheidender Bedeutung, brauchen sie doch feuchte, nasse, stocherfähige Böden zur Nahrungssuche.
Durch die Maßnahmen soll Niederschlagswasser in der Fläche gehalten werden, um die Lebensbedingungen für Wat- und Wiesenvögel zu verbessern.
Quelle: Kreis Warendorf
Um das Wasser in der Fläche zu halten, wurden Dränagen sowie Gräben und Mulden verschlossen. Zudem wurde eine rund 1 Hektar große Blänke, also ein temporäres Gewässer, mit weit und flach ausgezogen Uferlinien angelegt. Ein Drängraben ist durch Verschluss und Auffüllung zu einer Blänke umfunktioniert worden und einzelne Verwallungen mit einer maximalen Höhe von 30 Zentimetern und einer Ausweitung bis zu 6 Metern halten jetzt das Wasser zurück.
Die Kosten der Maßnahmen auf den Landesflächen wurden im vollen Umfang durch die Höhere Naturschutzbehörde der Bezirksregierung Münster getragen. Entschädigungen für private Eigentümer, die ihre Flächen für Naturschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt haben, wurden vom Kreis Warendorf gezahlt. Für private Ökokonten gehen Privateigentümer zunächst in Vorleistung. Die Maßnahmen refinanzieren sich dann durch den Verkauf von Ökopunkten.
Der Kreis Warendorf steht mit Ideen, Engagement und finanziellen Mitteln bereit, um weitere Projekte im Rahmen der Wiedervernässung anzugehen. Daher sollen u. a. das Füchtorfer Moor als großes, ehemaliges Niedermoor im Kreis und andere wichtige Feuchtwiesenschutzgebiete in den Fokus genommen werden.
Als wichtiges Bindeglied agiert hier das „Aktionsbündnis für Artenvielfalt - Der Kreis Warendorf summt und blüht“, das zwischen der Landwirtschaft, dem Naturschutz und dem Kreis Warendorf im Jahr 2020 ins Leben gerufen wurde.
Limitierender Faktor für weitere Maßnahmen ist und bleibt jedoch die Verfügbarkeit geeigneter Flächen – hier wird die meiste Überzeugungsarbeit geleistet werden müssen, um gemeinsam Wasser in die Gebiete zu bringen. Die Umsetzung im Naturschutzgebiet Brüskenheide hat jedoch gezeigt, dass es gelingen kann!
Dr. Herbert Bleicher Quelle: Kreis Warendorf |
Martin Terwey |