Naturschutz ist wichtiger Baustein zur Wohlstandssicherung
Mit mehr als 3.200 Naturschutzgebieten, etwa 550 FFH- und Vogelschutzgebieten des europäischen Schutzgebietssystems „NATURA 2000“, einem Nationalpark in der Eifel, rund 100 Wildnisentwicklungsgebieten und zwölf Naturparken verfügt Nordrhein-Westfalen über ein eindrucksvolles, vielseitiges und wertvolles Naturerbe.
Rund um die großen Zeugnisse unserer kulturellen und industriellen Vergangenheit und Gegenwart finden wir in Nordrhein-Westfalen überall beeindruckende und vielfältige Landschaften. Abwechslungsreiche Naturräume bieten mehr als 43.000 Tier-, Pilz- und Pflanzenarten eine Heimat. Das ist mehr als die Hälfte aller in Deutschland vorkommenden Arten.
Der Erhalt dieser biologischen Vielfalt und damit der zugehörigen Landschaften ist daher für mich eine wichtige Aufgabe.
Die Gestaltung eines zukunftsfähigen Naturschutzes steht auch im Mittelpunkt der Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes, das im Herbst vom Kabinett beschlossen werden soll. Dazu hat min Haus das derzeitige Landesnaturschutzgesetz (LNatSchG) vor dem Hintergrund des Vertrages der NRW-Koalition 2017-2022 überprüft. Schwerpunkte sind insbesondere die Themen:
- Möglichkeiten innovativer und integrativer Ansätze bei den Kompensationspflichten nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung
- Spielräume zur Stärkung des Vertragsnaturschutzes/Agrarumweltmaßnahmen
- Harmonisierung der Beteiligungs- und Klagerechte anerkannter Naturschutzvereinigungen mit dem Bundes- und EU-Recht
- Anpassung des Vorkaufsrechts an die Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetztes.
Grundlage für die Novellierung des LNatSchG ist ein umfassender Dialogprozess mit allen betroffenen Interessengruppen.
Neben der kritischen Prüfung der aktuellen Rechtslage, ist auch die kontinuierliche Beobachtung und Bewertung naturschutzrelevanter Entwicklungen ein wichtiges Werkzeug, um Wege für einen zukunftsfähigen Naturschutz zu finden.
So wurde in den zurückliegenden Monaten in den Medien mehrfach zum Rückgang der Insekten berichtet. Untersuchungen des Entomologischen Vereins Krefeld mit speziellen Insektenfallen haben den negativen Trend für flugfähige Insekten bestätigt: Seit 1989 ist die Gesamtmasse der Fluginsekten um mehr als 75% zurückgegangen. Der Rückgang der Insekten ist deshalb besorgniserregend, da sie eine wichtige Schlüsselgruppe der biologischen Vielfalt sind. Sie leisten unter anderem einen bedeutenden Beitrag zur Bestäubung unserer Blütenpflanzen, darunter auch vieler Nutzpflanzen. Sie selbst sind Nahrungsgrundlage für viele andere Tiere wie Vögel und Fledermäuse. Der Verlust der Insekten hätte letztendlich weitreichende Folgen für die Ökosysteme insgesamt.
Als mögliche Ursachen für den Rückgang der Insekten kommt ein ganzes Faktoren-Bündel in Betracht. Maßgeblich sind die anhaltend hohe Inanspruchnahme von Flächen für den Siedlungs- und Verkehrsbereich sowie die fortschreitende Zerstörung und Fragmentierung von Lebensräumen. Hinzu kommen Änderungen der landwirtschaftlichen Nutzungsintensität, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sowie Nährstoffeinträge aus Düngung und Verbrennungsprozessen. Weitere relevante Faktoren sind im besiedelten Raum die zunehmende Lichtverschmutzung sowie naturfern gestaltete Gärten und Grünanlagen. Überlagert werden diese Effekte noch durch die Auswirkungen des Klimawandels. Um die Kenntnisse über die Ursachen des Insektenrückgangs weiter zu verbessern, wurde im Juni 2017 im Auftrag des Umweltministeriums NRW ein repräsentatives, landesweites Monitoring der Insekten gestartet. Die systematische Untersuchung von 120 Probeflächen bis zum Jahr 2022 soll eine sachliche Diskussion zum Insektenrückgang ermöglichen. Dieses Monitoring ist derzeit bundesweit einmalig. Zusätzlich hat das Umweltministerium eine Literaturstudie zur Ermittlung der Ursachen des Arten- bzw. Biomasseverlustes bei Insekten beauftragt. Außerdem finanziert das Umweltministerium bis Mitte 2021 ein Forschungsprojekt, mit dem die Veränderungen der Artenzusammensetzung in den Krefelder Insektenproben untersucht werden sollen.
Parallel zur Ursachenforschung werden in Nordrhein-Westfalen die vorhandenen Konzepte und Maßnahmen zur Förderung der Insektenvielfalt fortlaufend verbessert und ausgeweitet. Die Grundlage für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Insekten liefert die Biodiversitätsstrategie NRW. Dabei setzt die Landesregierung auf einen bestandsorientierten und qualitativ hochwertigen Naturschutz. Hinsichtlich der Schutzgebiete ist die Zielsetzung, die Gebiete nach der Devise „Qualität vor Quantität“ sinnvoll weiterzuentwickeln. So sollen für alle Natura-2000-Gebiete bis 2020 entsprechende Managementpläne erarbeitet werden, die eine qualitative Verbesserung der Schutzgebiete zum Ziel haben. Flankierend zur Biodiversitätsstrategie NRW wurde die „Rahmenvereinbarung zur Förderung der Biodiversität in Agrarlandschaften" zwischen Umweltministerium, Landwirtschaftskammer NRW und den Landwirtschaftsverbänden abgeschlossen. Wichtige Maßnahmen zum Insektenschutz in der Landwirtschaft sind die Entwicklung und Umsetzung integrierter Artenschutzmaßnahmen im Ackerbau (z.B. Anlage von Blühstreifen) sowie im Grünland (z.B. Entwicklung blütenreicher Wiesen). Diesbezüglich verfolgt die Landesregierung das Ziel, den Vertragsnaturschutz und andere Agrarumweltmaßnahmen weiter zu stärken. Freiwillige Leistungen der Landwirtschaft für Umwelt- und Naturschutz müssen verlässlich honoriert werden. Sie sind der Schlüssel zum Erfolg für mehr Artenvielfalt in unserem Land.
Ein weiteres großes Thema ist die Rückkehr des Wolfes. Sie stellt aufgrund der Sorgen und Ängste in der Bevölkerung eine große Herausforderung für die Naturschutzpolitik in Nordrhein-Westfalen dar. Hier gilt es, ein möglichst konfliktfreies Nebeneinander von Wolf, Mensch und Weidetierhaltung zu fördern.
Seit dem erstmaligen Nachweis eines Wolfes in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2009 hat das Land Nordrhein-Westfalen vorausschauend die nötigen Vorbereitungen für eine dauerhafte Rückkehr des Wolfes getroffen. Zu den verschiedenen Maßnahmen für ein Wolfsmanagement zählen die Einrichtung einer landesweiten „AG Wolf in NRW“, der Aufbau und die Schulung eines landesweiten Wolfsberater-Netzwerks sowie die Erarbeitung eines „Handlungsleitfadens für das Auftauchen einzelner Wölfe“ (Wolfsmanagementplan).
Mit den „Förderrichtlinien Wolf“ besteht seit Februar 2017 eine förmliche Regelung zur finanziellen Entschädigung von Nutztierrissen sowie für vorbeugende Herdenschutzmaßnahmen (Prävention). Um die Bevölkerung und die Behörden in Nordrhein-Westfalen möglichst zeitnah, umfassend und transparent über die Rückkehr des Wolfes zu informieren, wurde das Fachinformationssystem „Wolf in Nordrhein-Westfalen“ entwickelt, das im Internet unter www.wolf.nrw.de aufgerufen werden kann. Dort finden sich aktuelle Meldungen sowie umfangreiche Fachinformationen zum Thema Wolf (bestätigte Wolfsnachweise, Dokumentation von Nutztier-Rissen, Kontaktdaten der regionalen Wolfsberater und der Bewilligungsbehörden u.v.m.).
Im Lauf des Jahres 2018 konnte anhand genetischer Analysen im Bereich der Gemeinde Schermbeck (Kreis Wesel) erstmals für Nordrhein-Westfalen ein territorialer Wolf individuell nachgewiesen werden. Vor diesem Hintergrund hat das Umweltministerium NRW am 1. Oktober 2018 das 950 km² große „Wolfsgebiet Schermbeck“ ausgewiesen, das im Dezember 2018 um eine 2.800 km² großen „Pufferzone“ ergänzt wurde. Ein zweiter territorialer Wolf konnte im Verlauf des Jahres auch für den Bereich des Truppenübungsplatzes Senne individuell bestätigt werden, so dass in diesem Bereich am 20.12.2018 das etwa 920 km² große „Wolfsgebiet Senne“ mit einer 3.400 km² großen Pufferzone ausgewiesen wurde. Die Ausweisung von Wolfsgebieten sowie der ergänzenden Pufferzonen ist für die Nutztierhaltung von großer Bedeutung, da in diesen Bereichen Herdenschutzmaßnahmen gefördert werden. Derzeit werden die Förderrichtlinien Wolf fortgeschrieben, um eine noch bessere finanzielle Unterstützung der Weidetierhaltung zu ermöglichen. So wird unter anderem die Förderquote für investive Herdenschutzmaßnahmen von 80 auf 100% erhöht. Im Anschluss an die Änderung der Förderrichtlinien Wolf soll eine Notifizierung bei der Europäischen Kommission erfolgen, damit insbesondere für Berufsschäfer eine bessere Förderung ermöglicht werden kann.
Naturschutz ist Ressourcenschutz und damit ein wichtiger Baustein zur Wohlstandssicherung. Eine gute und nachhaltige Naturschutzpolitik muss daher umfassend, kritisch und zugleich offen sein für neue Entwicklungen. Dabei gilt es insbesondere die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes mitzunehmen, für die Wichtigkeit der Themen zu werben und stets mit Maß und Mitte zu agieren.
Ursula Heinen-Esser
Quelle: Land NRW/R. Sondermann