Mehr Flexibilität gefordert!
Der Hochsauerlandkreis nimmt aktuell am Schulversuch „Regionale Bildungszentren (RBZ)“ teil und erprobt in diesem Rahmen digitale Möglichkeiten des Unterrichts verbunden mit dem Meta-Thema, über diese Instrumente die Attraktivität ausgewählter Bildungsgänge und Ausbildungen zu erhöhen, um so weiterhin dringend benötigte Fachkräfte zu gewinnen.
Die digitalen Instrumente stellen allerdings nur einen kleinen Baustein dar, die berufliche Aus- und Weiterbildung an den Berufskollegs attraktiv und damit zukunftsfähig aufzustellen, damit langfristig Ausbildungsberufe in der Region zu halten und dem Fachkräftemangel aktiv zu begegnen.
Ein wesentlicher Baustein ist die weitergehende Flexibilisierung der schulrechtlichen Rahmenbedingungen zum Erhalt bestehender und zur Einrichtung neuer Bildungsgänge.
Hierfür setzt sich der Hochsauerlandkreis ein und fordert u.a. über den Flexibilisierungerlass hinausgehende eigenverantwortliche Entscheidungsmöglichkeiten zum Erhalt und zur Einrichtung von Bildungsgängen. Niedrigfrequentierte Bildungsgänge der dualen Ausbildung müssen im ländlichen Raum dauerhaft weiter angeboten werden können und neue Bildungsgänge in zukunftsfähigen Berufsfeldern müssen zumindest in einer Anfangsphase mit einer niedrigeren Einrichtungsgröße als bisher starten können.
Für die Absicherung kleinerer Fachklassen der dualen Ausbildung ist aus Sicht der beiden Schulträger eine Flexibilisierung der starren Klassenmindestgröße (Erhaltungswert von 16 Schülerinnen und Schülern) unerlässlich. Auch wenn der Auflösung von Bildungsgängen ein mehrstufiges Prüfverfahren vorgeschaltet ist, können im ländlichen Raum einzelne Bildungsgänge perspektivisch nicht gehalten werden. Eine eigenverantwortliche differenzierte Betrachtung der regionalen Bedarfe ist hier geboten.
Die geforderte Flexibilisierung muss in der Art und Weise ausgestaltet werden, dass auf Schulträgerebene oder je Berufskolleg eine bestimmte Anzahl oder Quote an Fachklassen unabhängig von Frequenzwerten geführt werden können. Die Berufskollegs werden als eigenständige Schulen ressourcenorientiert insbesondere hinsichtlich der Personalausstattung verantwortungsvoll entscheiden.
Im angesprochenen Schulversuch werden bereits im Zuständigkeitsbereich der Schulträger Kooperationen und damit BK-übergreifende Unterrichtskonzepte erprobt und Ressourcen gebündelt.
Bäckerinnen und Bäcker in Aktion
Quelle: Berufskolleg Meschede
Da die Auszubildenden in der dualen Ausbildung häufig minderjährig sind, gerade im ländlichen Bereich der ÖPNV immer mehr reduziert wird und somit die Erreichbarkeit weiter entfernt liegender Ausbildungsstätten und Schulen nur mit großem Aufwand gegeben ist, ist eine wohnortnahe Beschulung häufig Voraussetzung für die Aufnahme einer Ausbildung. Dies insbesondere, da es sich bei den „gefährdeten“ Bildungsgängen häufig um Berufe der Daseinsvorsorge handelt. So sind im Hochsauerlandkreis aktuell die Frisörinnen und Frisöre sowie die Bäckerinnen und Bäcker minderfrequentiert und damit der Erhalt dieser Ausbildungsangebote gefährdet.
Das Angebot an Bildungsgängen darf im ländlichen Raum aber nicht weiter „ausgedünnt“ werden und so Handwerksbetrieben und mittelständischen Industriebetrieben zwingend notwendige Ausbildung schulisch bedingt erschwert werden.
Eine Abkehr von den starren Mindestgrößen ist jedoch nicht nur beim Erhalt, sondern auch bei der Entwicklung neuer Bildungsgänge in innovativen Berufsfeldern, mithin der Einrichtung von Bildungsgängen geboten.
Die derzeitige Errichtungsgröße von 22 Schülerinnen und Schülern (SuS) zum Start eines Bildungsangebotes raubt dem ländlichen Raum jegliches Entwicklungspotenzial. Die Berufskollegs sind im Austausch mit Ausbildungsbetrieben der Region bestrebt, Neuentwicklungen aufzugreifen und die passenden Bildungsgänge anzubieten (z.B. E-Commerce, Techn. Produktdesign).
Tabelle beispielhafte Bildungsgänge/Schülerzahlen
Quelle: Berufskolleg Meschede
Die Klassenfrequenz von 22 SuS ist nachvollziehbar im ländlichen Raum eine nicht zu nehmende Hürde. Um zukunftsweisend Ausbildungsberufe zu etablieren, braucht es eine Umkehr. Eine niedrige Errichtungsgröße z.B. von 12 SuS ermöglicht den Start von Bildungsangeboten und innovativen Ausbildungsmöglichkeiten für die SuS. Über die Ausbreitung und Etablierung muss dann z.B. nach drei Jahren die Erhaltungsgröße erreicht werden.
Der Hochsauerlandkreis ist im Regionale-Projekt „Digitales Berufsbildungsnetzwerk Sauerland“ in der Konzeptentwicklung mit heimischen Industriebetrieben, die hochtechnologisierte Produkte z.B. für Windkraftanlagen herstellen. Die steigenden Anforderungen und die Neuordnung einzelner Fachrichtungen z.B. von Fachinformatikerinnen und Fachinformatikern machen die v.g. Flexibilisierung zwingend erforderlich, um unserer Region notwendige Entwicklungschancen nicht schulisch bedingt zu nehmen.
Der Hochsauerlandkreis als Schulträger des Berufskollegs versteht sich als Stütze der heimischen Wirtschaft und des regionalen Handwerks und wollen zukünftig flexibler auf sich verändernde Bedarfe reagieren können und Wirtschaft und Handwerk mit entsprechenden regionalspezifischen Angeboten unterstützen können.
Der Schulversuch muss als solcher verstanden werden. Es muss versucht werden, mit den Möglichkeiten der Digitalisierung gerade im ländlichen Raum übergreifende, vernetzte Beschulungen zu erreichen.
Wenn aktuell die Landesregierung NRW eine Fachkräfteoffensive ausruft, müssen Regionalen Bildungszentren (RBZ) die schulischen Rahmenbedingungen gegeben werden, in diesen Zentren
- Bildungsangebote zu halten und
- Innovationen entwickeln zu können.
Dafür wird sich der Hochsauerlandkreis über den Schulversuch NRW stark machen.