Lebensmittelüberwachung in Zeiten der Corona-Pandemie

17. Dezember 2021: Von Dr. Markus Nieters, Leiter des Veterinärdienstes, Kreis Coesfeld

Seit dem Frühjahr 2020 hat die Corona-Pandemie unser tägliches Leben erheblich eingeschränkt. Spätestens, als sie ein Ausmaß annahm, das sogar zur Schließung von Lokalen und Gaststätten („Lockdown“) führte, hatte sie auch direkte Auswirkungen auf den Bereich der Lebensmittelüberwachung. Die Grundversorgung der Menschen mit Lebensmitteln und Dingen täglichen Bedarfs war und ist auch in Krisenzeiten voll zu gewährleisten – unter Einhaltung der bekannten Schutzmaßnahmen („AHL-A Regeln“). Die Bedeutung der ordnungsgemäßen Grundversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln fand dann ja auch später zurecht Niederschlag in der „Corona-Impfpriorisierung“ nach § 4 Coronavirus-Impfverordnung (CoronaImpfV). Für Personen in besonders relevanter Position der „Kritischen Infrastruktur“ aus dem Bereich der Lebensmittelversorgung wurde eine „erhöhte Priorität“ für ihre Corona-Schutzimpfung festgestellt.

Obwohl die öffentliche Verwaltung genau wie die Privatwirtschaft gehalten war, dort, wo möglich, im „Homeoffice“ zu arbeiten und die Außendienste mit Personenkontakt so gering wie möglich zu halten, galt es jedoch, die Lebensmittelsicherheit auch in Pandemiezeiten sicherzustellen. Nach kurzer anfänglicher Zurückhaltung und Lagebewertung – die Corona-Inzidenz im Kreis Coesfeld war im bundes- und landesweiten Vergleich relativ gering – wurden dann im Kreisgebiet die Außendienstkontrollen unter Einhaltung der Hygieneregeln soweit möglich vorgenommen. Sie hatten sich jedoch schwerpunktmäßig etwas verlagert und quantitativ etwas verändert.

Kontrollen und Probenahmen im Großhandel und im Lebensmittel-Einzelhandel, der ja durchgehend für die Verbraucher geöffnet blieb, wurden fast unverändert ausgeführt. Auch in der Produktion lag die Zahl der Kontrollen weiter fast auf Vorjahresniveau. Überprüfungen der Gastronomie dagegen reduzierten sich deutlich, beschränkten sich auf die Lieferdienste oder entfielen so gut wie ganz. Ähnlich verhielt es sich bei den Kontrollen von Märkten oder Veranstaltungen. Insbesondere die Weihnachtsmärkte wurden – sofern sie denn überhaupt stattfanden – aufgrund ihrer besonderen Situation nur ganz vereinzelt besucht.

Insbesondere dann, wenn die Inzidenzen sehr hoch waren, wurden Kontrollen in Küchen der Gemeinschaftsverpflegung – wie in Altenheimen, Schulen und Krankenhäusern – zurückgestellt und der Schwerpunkt auf andere Betriebe verlagert. Insgesamt nahmen die Beschäftigten der Lebensmittelüberwachung des Kreises Coesfeld unter den erschwerten Bedingungen der Corona-Pandemie dann immerhin noch rund 80 Prozent der Kontrollen der „Vor-Corona-Jahre“ vor.


Dr. Antje Hagemann, Tierärztin in der Lebensmittelüberwachung, und Lebensmittelkontrolleur Timon Sicking.
Quelle: Kreis Coesfeld

Die Kontrollen änderten sich aber nicht nur quantitativ und fachlich durch andere Kontroll-Schwerpunkte, sondern auch in der Art der Planung und Durchführung: Stark schwankende Infektionszahlen, Lockdowns, Zugangsbeschränkungen und auch der Eigenschutz der Mitarbeiter hatten Einfluss auf die Durchführung der Kontrollen und den Arbeitsalltag der Kontrolleure – bis hin zur Tourenplanung. Da die Kontrollen natürlich unter den bekannten geltenden Hygieneregeln stattfanden, war insbesondere auch das Tragen der Maske mitunter belastend. Denn während Bürger die Maske „nur“ während der für sie selber erforderlichen Einkäufe und Besorgungen trugen, verwendeten die Lebensmittelkontrolleure diese zusätzlich auch während der Arbeit im Außendienst. Ein wenig Trost spendete die Gewissheit, dass sie hier nicht allein waren und sowohl die gewissenhaften Gewerbetreibenden und andere Berufsgruppen wie etwa Ärzte und Krankenschwestern von dieser Einschränkung noch stärker betroffen waren und sind.

Aufgrund der umfangreichen Schutzmaßnahmen kam es im Bereich der Lebensmittelüberwachung dann auch zu keiner Infektion mit Corona unter den Beschäftigten.

Aber auch die angespannte Stimmung unter den Gewerbetreibenden, die teils mit Existenzängsten konfrontiert waren, war bei den unangemeldeten Kontrollen mitunter deutlich zu spüren. Sie äußerste sich teils in gesteigerter Aggression auch gegenüber den Kontrollierenden, teils aber auch in emotionalen Zusammenbrüchen; insbesondere Bedienstete des Einzelhandels waren von den manchmal unverständigen Kunden teils sehr aggressiv angegangen worden und bekamen den ganzen Frust und die Aggression einiger Bürger zu spüren. Und - wie im Durchschnitt der Bevölkerung – so waren auch unter den zu Kontrollierenden einige unbelehrbare, mit denen erst über das Tragen der Maske diskutiert werden musste. In all diesen verschiedenen Situationen – ob Aggression oder Depression – war die soziale Kompetenz der Kontrollierenden besonders gefordert! Insgesamt stellte dies eine besondere physische, aber insbesondere auch psychische Belastung für die Kontrollierenden dar.

Die Betriebe selber gingen nach unserer Einschätzung unterschiedlich mit den Corona-bedingten Reglementierungen und Einschränkungen um: Während Großbetriebe die Zeit oft zur Optimierung ihrer Hygienekonzepte nutzten, vernachlässigten Klein- und Kleinstbetriebe durch den zusätzlichen Corona-bedingten Dokumentationsaufwand hier und da die lebensmittelhygienischen Anforderungen. Inwieweit letzteres ggf. den Corona-bedingten Personalausfällen zu schulden ist, lässt sich nicht mit abschließender Sicherheit sagen. Aktuellen Informationen zufolge, fehlen allein in NRW bis zu 180.000 Mitarbeiter in der Gastronomiebranche.

Die Vor- und Nachbereitung der Kontrollen fand überwiegend ebenfalls mobil statt. Was die trotzdem erforderliche Anwesenheit „im Amt“ betrifft, wurden die Kontaktmöglichkeiten durch geeignetes Zeit- und Raummanagement soweit wie möglich reduziert. Durch die nicht mehr so regelmäßigen Kontakte im Haus, waren die im Amt anwesenden Verwaltungsmitarbeiterinnen und tierärztlichen Sachbearbeiter/innen deutlich mehr gefordert – sowohl bei innerbetrieblichen Abstimmungen, als auch bezüglich der Kontakte mit Bürgerinnen, Bürgern und Gewerbetreibenden. Aus diesem Grunde waren auch immer eine Sachbearbeiterin und ein/e tierärztliche Sachverständige/r im Hause präsent – denn auch amtstierärztliche Zertifikate müssen erstellt und real vor Ort unterschrieben werden. Die Präsenz im Büro ist daher (noch) unverzichtbar.

Aber auch an die Fachdienstleitung werden besondere Anforderungen an das Führen der dann überwiegend mobil arbeitenden Mitarbeitenden gestellt. Dem Teamgeist scheint diese Art des Arbeitens im Kreis Coesfeld jedoch zum Glück noch keinen Schaden zugefügt zu haben – wir hoffen, dass es so bleibt. Als einer der wenigen, wenn nicht der einzige positive Aspekt, kann der Zwang zum jetzt häufigeren digitalen Arbeiten erwähnt werden, der die Digitalisierung im Amt weiterbefördert hat. Eine kleine Anekdote am Rande: Die Kreativität der Mitarbeitenden auf der „Zoom-Plattform“ führte zu dem Eindruck, ein Mitarbeiter befände sich während der Konferenz auf einer palmenbestückten Insel mit Meeresrauschen im Hintergrund. Ein Beispiel der Offenheit der Mitarbeitenden gegenüber Neuem und ein Zeichen dafür, dass trotz aller zusätzlichen Belastungen der Humor noch nicht verloren gegangen ist!

Dass die lebensmittelrechtlichen Präsenz-Kontrollen im Außendienst auch weiterhin nötig waren und sind, zeigte sich auch in den Kontrollergebnissen. Die Beanstandungen und ebenso die daraus resultierenden Bußgeldverfahren unterlagen den von Corona unabhängigen natürlichen Schwankungen. Diese und andere Vorgänge mussten natürlich auch in der Verwaltung weiterbearbeitet werden. Für die Verwaltungsmitarbeiterinnen ergaben sich inhaltlich kaum Änderungen, was Arbeitsaufkommen und -qualität betraf. Die Einhaltung der Hygieneregeln im Büro – sofern Homeoffice nicht möglich war – galt natürlich auch für sie. Auch hier wurde erfolgreich versucht, durch Schichtwechsel und Hygienemaßnahmen im Büro die Anforderungen an die Arbeit und an die Corona-Schutzmaßnahmen unter einen Hut zu bringen.

Auch Zulassungsverfahren für bestimmte Betriebe mussten weiterbearbeitet werden – von der Vor- und Nachbereitung im Büro bis zum gemeinsamen Außendienst von Lebensmittelkontrolleuren und Tierärztlichen Sachverständigen. Letztere waren natürlich zudem weiterhin mit der Begutachtung von beanstandeten Proben und Verbraucherbeschwerden etc. beschäftigt. Die Verbraucherbeschwerden lagen im „Corona-Jahr“ etwa auf gleichem Niveau wie die Vorjahre – ihnen wurde ohne Ausnahme nachgegangen. Das Planprobenvolumen dagegen lag bei etwa 90 Prozent des „Vor-Corona-Niveaus“.


Sabine Kersting (rechts) und Heike Brüggemann sind am Schreibtisch in Sachen Lebensmittelüberwachung tätig.
Quelle: Kreis Coesfeld

Auch in Zeiten der Corona-Pandemie ging und geht das Leben weiter. Die Überwachung der Lebensmittelsicherheit ist eine unverzichtbare behördliche Aufgabe, deren Umsetzung im Interesse des Verbraucherschutzes soweit wie möglich auch unter Pandemiebedingungen verfolgt werden sollte. Reines oder überwiegendes „Homeoffice“ ist jedoch in diesem Bereich nicht möglich – hier ist eindeutig die Präsenz vor Ort gefragt. Unter Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen war eine Kontrolle der elementaren Bereiche des Verbraucherschutzes im Kreis Coesfeld bisher größtenteils möglich – auf die Präsenz in den Lebensmittelbetrieben und auf der Straße wurde zu keinem Zeitpunkt verzichtet, sie fand nur etwas anders statt.

Besonderer Dank gilt allen Lebensmittelkontrolleuren, Tierärztlichen Sachverständigen und Mitarbeitenden der Verwaltung, die mit Ihrer täglichen Arbeit einen Teil dazu beigetragen haben, den Verbraucherschutz und die ordnungsgemäße Versorgung der Bürger mit sicheren Lebensmitteln auch in Corona-Zeiten aufrecht zu erhalten. Dank gebührt aber auch allen Lebensmittelunternehmen selbst – von der Landwirtschaft mit vor- und nachgelagertem Gewerbe über die Groß- und Klein-Produzenten bis hin zum Groß- und Einzelhandel, die alle dafür gesorgt haben, dass wir Bürgerinnen und Bürger auch in Krisenzeiten überhaupt Lebensmittel zur Verfügung haben.


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Quelle: Kreis Coesfeld