„kult“ – Kultur und lebendige Tradition
Das Kulturhistorische Zentrum Westmünsterland – heute kult – Kultur und lebendige Tradition ist ein Vorhaben des Kreises Borken, der Stadt Vreden und der Regionale 2016; ein Kulturprojekt mit dem Ziel, bereits existierende Institutionen unter einem Dach, an einem Standort zusammenzuführen, gemeinsam das breit gefächerte Themenfeld der „Kulturellen Bildung“ neu zu gestalten und als Netzwerker und Knotenpunkt mit verschiedensten Formaten Kultur für alle anzubieten. Der folgende Beitrag soll die Idee, das Vorgehen sowie den Prozess der Umsetzung dieses Kulturprojektes kurz skizzieren.
„kult“ – Idee und Hintergrund
Blick auf das kult in Vreden – Seite zum Stadtgraben.
Quelle: Fotos@Kreis Borken; L. Kannenbrock
Zukunft braucht Herkunft! Unter diesem Leitmotiv haben sich politische Kulturakteure bereits 2007 mit der Zugänglichkeit von Quellen und Informationen, mit der Teilhabe an Bildung und mit der Ausstellung von Objektpräsentationen für die Öffentlichkeit beschäftigt. Denn wer fragen nach seiner regionalen Identität im westlichen Münsterland hat; wer wissen möchte, welchen Wandel Kirche, Landwirtschaft und Industrie in der Region erfahren haben; wer sich für Historie und die damit verbundenen Entwicklungen für die Gegenwart interessiert; oder wer die Stärken und Herausforderungen seiner Heimat erforschen möchte, muss die nötigen Informationen an vielen Stellen zusammensuchen. Sie zu finden und die kulturelle Bedeutung einzelner Angebote zu erfassen, ist dabei nicht immer einfach. Denn es fehlt an Orientierungshilfe beim Aufspüren des historischen Gedächtnisses der Region, das bis in die jüngste Zeit reicht. Mit dem Wunsch nach einer regionalen Plattform zur systematischen Erschließung der zahlreichen Kultureinrichtungen in der Fläche des Westmünsterlands entstand die Idee einer „Dachmarke“.
Der Name „kult“ wurde mit Unterstützung einer Agentur in partizipativen Workshops entwickelt und durch die politischen Gremien institutionalisiert.
Bekanntes in neuer Organisation
Durch dieses kulturelle Zentrum ist im westlichen Münsterland ein Ort entstanden, an dem regionale Geschichte bis in die jüngste Vergangenheit konzentriert erlebbar wird. Ausgehend von diesem Ort wächst ein Netzwerk, das viele vorhandene Kultureinrichtungen im Kreis Borken zusammenführt. So wird kulturelle Vielfalt sichtbar und als Ausdruck der regionalen Identität erfahrbar. Wissenschaftliche Arbeit, professionelle Archivierung und vollständige Erfassung der Bestände mit modernen Medien sollen die historischen Schätze zuverlässig erschließen. Pädagogische Begleitung der Arbeit und Öffnung der Kulturstätten als außerschulische Lernorte machen die Ergebnisse für die kulturelle Bildung auf breiter Ebene nutzbar. Auch überregionale, grenzüberschreitende Partnerschaften gehören zu den Zielen.
Konkret bedeutet die Entstehung des „kult“ die Zusammenführung des ehemaligen Hamaland-Museums, des Landeskundlichen Instituts Westmünsterland, den historischen Archiven des Kreises Borken und der Stadt Vreden sowie die Kultur- und Heimatpflege unter einem Dach. Darüber hinaus sind die Geschäftsstellen des Stadtmarketings, des Citymanagements und des Heimatvereins Vreden im „kult“ zu finden. Etablierung einer Marke heißt auch, neue Wege der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, der Partizipation und Teilhabe zu beschreiten – bloggen, facebook und instagram seien dafür beispielhaft genannt.
Moderne Architektur in historischem Umfeld
Das kult umfasst eine Nutzfläche von rund 4.100 Quadatmetern. Knapp 100 Meter nimmt das Gebäude neben der Stadtbücherei entlang der Gasthausstraße ein. Als Mittelpunkt der Kulturachse Vredens – vom Marktplatz, an den Kirchen und dem „kult“ vorbei, über Stadtgraben und Berkel hinweg bis in den Stadtpark – bilden neue Architektur und historischer Altbau eine ästhetische Einheit. Und, um zudem die einzelnen Bauteile aus den verschiedenen Jahrzehnten und Jahrhunderten erkennbar voneinander abzusetzen, wurden die Ziegel der Verklinkerung in unterschiedlichen Farbschattierungen gefertigt.
Was sich an Fassade und Gebäudestruktur deutlich wahrnehmbar voneinander absetzt, wird auch im Inneren erkennbar: Im Neubau finden sich das großzügige Foyer, der Multifunktionsraum, das Stadtmarketing Vreden sowie in den zwei Obergeschossen die neue Dauerausstellung. Bereiche zum Forschen und Lernen mit der Öffnung der Archive in einem Lesesaal und des Instituts durch die Freihandbibliothek schließen sich in den Gebäuden aus den 70er-Jahren an.
Großzügige Raumgestaltung zum Ankommen – Foyer und Treppenhaus.
Quelle: Fotos@Kreis Borken; L. Kannenbrock
Neue Aufgaben und komplexe Ziele
Unabhängig von den Angebotsformaten, den Ausstellungen, den Beratungen und der Organisation der Kultur- und Heimatpflege des Kreises Borken wird das „kult“ durch einen ausgeprägten Servicegedanken geleitet; Netzwerktätigkeiten und Programme sind kundenorientiert und das „kult“ versteht sich als Dienstleister in Sachen ‚Kultur‘. Das bedeutet neben der Ausarbeitung neuer Inhalte auch eine maßgebliche Veränderung in der Zusammenarbeit der zuvor eigenständigen Institutionen. Arbeitsprozesse werden neu organisiert und Veranstaltungen sind gemeinsame – vor allem auch grenzüberschreitende – Vorhaben und beziehen sich nicht mehr nur auf eine der genannten Einrichtungen. Strategische Aufgaben sind die Initiierung und Förderung von (deutsch-niederländischen) Projekten und Kooperationen, die Etablierung der Marke „kult“ sowie die Fortschreibung des überregionalen Netzwerkes.
Wissenschaftler, Fachleute und Spezialisten erarbeiten interdisziplinäre Ausstellungen, Forschungs- und Lehrprojekte. Hinzu kommen Vorhaben, die einen besonders ausgeprägten partizipatorischen Ansatz verfolgen, eine neue Dynamik in die Kulturarbeit bringen und Laien und Forscher auf Augenhöhe zusammenbringen.
Eine Drehscheibe für die kulturelle Bildung zu sein, bedeutet in Kooperation mit Schulen und weiteren Bildungseinrichtungen Museen und Archive in einem Qualifizierungsprozess zu lebendigen außerschulischen Lernorten zu entwickeln, in denen Geschichte unmittelbar erfahrbar wird.
Das kult als außerschulischer Lernort – die Museumsdetektive.
Quelle: Fotos@Kreis Borken; L. Kannenbrock
Nicht zuletzt geht es außerdem um die digitale Professionalisierung und die Öffnung wissenschaftlicher Recherchen im Netz. Die online-basierte Zugänglichkeit von Objekten, Quellen und Bibliotheksbeständen erhöht auch die Barrierefreiheit im Hinblick auf die Nutzung originaler Materialien für persönliche Forschungsvorhaben.
Zu den zentralen Zielen dieser Einrichtung gehört es, das ländliche Gebiet im Umfeld größerer touristischer Ballungsräume mit ihren eigenen Alleinstellungsmerkmalen zu stärken, die Profile zu schärfen und gleichzeitig eine große Offenheit für Innovation und Angebote jenseits der „normalen“ Erwartungshaltung gegenüber der kulturellen Bildung zu zeigen.
„Grenze“ – eine neue Dauerausstellung im kult
Blick in die Dauerausstellung „Grenze“.
Quelle: Fotos@Kreis Borken; L. Kannenbrock
Grenzen trennen Staaten und Kontinente. Grenzen sind politisch und sind Bestandteil von Gesetzen und Religionen. Grenzen schaffen Orientierung und bieten Koordinaten und Bezugspunkte. Grenzen sind natürlich gewachsen oder künstlich gezogen. Grenzen sind vielschichtig und der Begriff für sich weckt Erwartungen und verspricht grenzüberschreitende Perspektiven.
„Grenze“ ist das Leitthema der neuen Dauerausstellung im Kulturhistorischen Zentrum Westmünsterland. Emotional, philosophisch, unterhaltsam – mit den vielfältigsten Grenzbegriffen führt die Ausstellung in den Rundgang ein. Wissenschaftlich genau und scharf umrissen spiegeln ausgewählte Objekte wie Händlerwagen, Uniformen und Altäre das Leben der Menschen in diesem „Durchgangsgebiet“ wider; zwischen Handel und Verkehr, Schmuggel und Gesetz, Glaube und Religion, Globalisierung und regionaler Identität sowie gestern und heute. Die einzelnen Themeninseln wie z. B. Konfessionsgrenze oder Grenzkonflikte heben die unverwechselbaren Charakteristika dieses Grenzraums hervor.#
Nicht zuletzt belegen die zahlreichen Originalexponate die Entwicklung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der Lebens- und Arbeitswelt der Menschen im Westmünsterland und in der Region Achterhoek.
Mit der Darstellung des adeligen Damenstifts zu Vreden betont die Ausstellung nicht nur das Alleinstellungsmerkmal dieses einzigartigen Komplexes, sondern unterstreicht die Wahrnehmung von Grenzen in der Gesellschaft. Hier steht statt Baugeschichte und Alltagsgeschehen die Abgrenzung der Immunität der Stiftsdamen zur weltlich-städtischen Umgebung im Vordergrund.
Das Schaudepot im historischen Gebäudeteil „Armenhaus“
Die Sammlung des Museums im kult hat eine lange Tradition. Mit dem neuen Schaudepot, das im historischen Gebäudeteil nun einen Platz gefunden hat, präsentiert das kult einen umfassenden Einblick in die Geschichte der Sammlung; historische Textilien, Öfen aus Gußeisen und persönliche Gegenstände aus dem Bereich der Volksfrömmigkeit zeigen einen Querschnitt des musealen Magazinbestands.
Dass eine solche Objektsammlung jedoch nicht nur unter professionellen Aspekten, zur Bewahrung des kulturellen Erbes der Region entstanden ist, belegt demgegenüber die umfangreiche Lampensammlung von Dr. Werner Touché. In einer mehr als 50jährigen Sammlungstätigkeit hat er beinahe 3.000 Lampen aus den Zeiten vor der Erfindung der Elektrizität zusammengetragen. Sein Lebenswerk hat er dem kult übergeben und ein Ausschnitt dieser ungeheuren Sammelleidenschaft wird nun in diesem Gebäudeteil ausgestellt. Als besonderes Highlight kommt der Sammler selbst zu Wort – in einem Film berichtet er über die vielen Facetten seines „Hobbys“.
Ausschnitt der gezeigten Lampensammlung im Schaudepot.
Quelle: Fotos@Kreis Borken; L. Kannenbrock
Das neue Schaudepot im kult ist eine optimale Ergänzung zur Dauerausstellung „Grenze“, da hier die Kernaufgaben musealer Arbeit – das Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln – in den Vordergrund gerückt werden. Eine Medienstation im Eingangsbereich führt anschaulich in diese Tätigkeiten ein und ermöglicht den Besucher/innen einen Blick hinter die Kulissen des Museums.
Inhaltlich verfolgt das Schaudepot neben der Präsentation von Sammlungskonzept und Magazinbestand einen neuen Ansatz, denn Besucher/innen sind selbst aufgefordert, Objekte neu zu ordnen, zu kategorisieren und auszustellen. Damit enthält diese Ausstellung einen partizipativen Zugang – ein neuer Weg der kulturellen Teilhabe.
Corinna Endlich
Quelle: Kreis Borken