Kompetenzen bündeln und Brücken bauen
Wir wollen wachsen – ist das erklärte Ziel des Kreises Düren. Es soll nicht nur dadurch gelingen, dass Familien aus den umliegenden Großstädten günstige Baugrundstücke erwerben, sondern auch durch die Einwanderung von Fachkräften und durch eine gelingende Integration von all denjenigen, die als Geflüchtete oder aus anderen europäischen Ländern nach Deutschland gekommen sind.
Schon 1996 hat der Kreis Düren eine "Regionale Arbeitsstelle für Ausländische Kinder und Jugendliche – RAA" eingerichtet. Seit 2012 gibt es das Kommunale Integrationszentrum (KI) in der heutigen Form. Auf den Erfahrungsschatz von über 25 Jahren aufbauend wurden zu Beginn dieses Jahres die Ausländerbehörde, die Einbürgerungsbehörde und das KI zum Amt für Integration und Ausländerwesen zusammengelegt.
Damit wurden Kompetenzen und Ressourcen im Bereich Integration und Migration gebündelt. Der Kreis stellt sich dem Megathema Integration und Vielfalt durch seine Stärkung in der Organisationsstruktur.
Die Zusammenführung so unterschiedlicher Bereiche wie der ordnungsrechtlich geprägten Ausländerbehörde und dem sozial- und bildungspolitisch ausgerichteten KI rief auf beiden Seiten Sorgen und Widerstände hervor. Nach fast einem Jahr der vielen Gespräche, gegenseitigem Kennenlernen, gemeinsamen Fortbildungen und Hospitationen zeigen sich inzwischen die Vorteile und Synergien. Wie zum Beispiel die enge Zusammenarbeit bei der Aufnahme, Registrierung und Beratung von Geflüchteten aus der Ukraine. Ein kurzer Draht ist immer da, wenn es ausländerrechtliche Fragen im KI oder bei Ehrenamtlichen in der Migrationsarbeit gibt. Aber auch umgekehrt wächst in der Ausländerbehörde das Wissen um und das Verständnis für die Arbeit im KI. Die Kolleginnen und Kollegen der Ausländerbehörde greifen inzwischen auch gern auf sozialpädagogisches Know-how und das Netzwerk des KI zurück, wenn Menschen beim Bemühen um ein Bleiberecht Unterstützung brauchen. Nicht zuletzt erleichtert die neue Amtsstruktur auch die Umsetzung des Kommunalen Integrationsmanagements. Doch dazu später noch einige Worte.
Netzwerke und Multiplikatoren – Kernkompetenz des KI
Arbeitskreis Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in der Migrationsarbeit, AK Beraterinnen eingewanderter Frauen und Integrationskurskonferenz sind nur einige Beispiele von langjährigen Netzwerken, die eine Vertrauensbasis für die Zusammenarbeit geschaffen haben. "Letzte Woche hat eine Frau in meinem Büro gestanden, die vor ihrem Mann geflohen ist. Zum Glück kannte ich die Frauen aus dem Migrantinnen-Netzwerk gegen häusliche Gewalt, so konnte ich zum Telefonhörer greifen und sofort helfen, das war für mich eine große Entlastung! Nicht zum ersten Mal habe ich auf die Fachleute in unserem Netzwerk zurückgreifen können", berichtet Linda Kasch-Banka, seit dem 1. Juli Amtsleiterin und zuvor KI-Leiterin. Das KI arbeitet im Schwerpunkt mit Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Eine direkte Beratung und Unterstützung von Eingewanderten oder Geflüchteten ist und bleibt die Kernkompetenz der Freien Wohlfahrtspflege. Auf dieser Grundlage sind die Rollen klar verteilt. Die einzige Ausnahme ist die Beratung von Kindern und Jugendlichen, die als schulische Seiteneinsteiger kommen. Sie und ihre Familien werden von den Lehrerinnen und Lehrern im KI beraten und über die Fachstelle Integration durch Bildung des Schulamtes in die Schulen vermittelt. Gerade in diesem Jahr eine Herkulesaufgabe, da in den letzten 12 Monaten über 1000 Schülerinnen und Schüler als Seiteneinsteiger in den Schulen aufgenommen wurden. Aber auch diese Herausforderung kann dank der gegenseitigen Unterstützung und der guten Netzwerkarbeit bewältigt werden.
Bildung von Anfang an – Fortbildungen für Erzieherinnen und Erzieher
„Mit vollem Mund spricht man nicht!?“ Von wegen. In den KiTas in Düren wird beim Frühstücken viel geredet. Jede noch so kleine Unterhaltung fördert die Sprachentwicklung. Deshalb werden Erzieherinnen und Erzieher ermuntert, mit den Kindern zu sprechen, auch bei Vollkornbrot und Kakao. Es ist eine der vielen Erkenntnisse, die aus der Fortbildungsreihe „Sprachliche Bildung im Elementarbereich" mitgenommen werden; so wie es mittlerweile rund 250 Erzieherinnen und Erzieher im Kreis Düren gelernt haben. "Das hat die Qualität und die Atmosphäre in vielen Kitas im Kreis Düren verändert. Vor allem auch die Haltung zur Mehrsprachigkeit der Kinder", ist Antje Bruckschen überzeugt, die seit vielen Jahren diese Fortbildungsreihe im KI organisiert.
Unumstritten ist, dass die sprachliche Bildung im Elementarbereich existentiell ist, um Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Das gilt nicht nur für Kinder aus Migrantenfamilien, sondern für alle Kinder, deren Eltern die deutsche Bildungssprache nicht ausreichend beherrschen und fördern können. Das Kommunale Integrationszentrum im Kreis Düren hat schon 2011 eine Fortbildungsreihe für Erzieherinnen und Erzieher entwickelt, um ihnen mehr Handwerkszeug für die Förderung der Kinder an die Hand zu geben. In sieben ganztägigen Modulen können sich Erzieherinnen und Erzieher mit Sprachentwicklung, Mehrsprachigkeit, Sprachspielen und Literarcy, aber auch im Bereich der Interkulturellen Kompetenz, mit Traumata und Lernbarrieren auseinandersetzen. Die Fortbildungsreihe endet immer mit einer Präsentation der Teilnehmenden, wie das Erlernte in der eigenen Einrichtung umgesetzt wurde. "Mir geht immer das Herz auf, mit wieviel Begeisterung die Teilnehmenden das Erlernte in ihren Einrichtungen umsetzen", freut sich Anje Bruckschen über den Erfolg der Fortbildungsreihe. "Dass die Kitas davon profitieren merkt man auch daran, dass einige Einrichtungen nach und nach alle ihre Erzieherinnen und Erzieher bei uns anmelden." Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer knüpfen ein trägerübergreifendes Netzwerk, unterstützen sich gegenseitig, tauschen gute Ideen aus und nutzen den Freiraum auch, um einmal durchatmen und sich selbst stärken zu können.
Die Referentinnen kommen in der Regel ebenfalls aus der Region, wie zum Beispiel aus dem Sozialpädiatrischen Zentrum, dem Schulpsychologischen Dienst oder es sind erfahrene Erzieherinnen und Erzieher aus Einrichtungen der Region. Damit werden auch Zugänge zu Beratungsstellen und Einrichtungen eröffnet, die im Berufsalltag hilfreich sind.
Last but not least – das Kommunale Integrationsmanagement
"Die Leute kannten das Café International in Düren, deshalb sind sie gekommen und haben mich um Hilfe gebeten, als sie ihr Gehalt von dem Paketdienst nicht erhalten haben. Und sie haben den Prozess gegen den Arbeitgeber gewonnen", berichtet eine der Casemanagerinnen und –manager im KIM-Programm.
Aufbauend auf der gewachsenen Netzwerkarbeit war es nur folgerichtig, auch diese neue Strategie des Landes in die bestehende Struktur einzufügen. Die Wohlfahrtsverbände wurden in ihrer Kernkompetenz gestärkt und haben das Casemangement in enger Kooperation mit dem KI übernommen. Dadurch konnten die ersten Casemanagerinnen schon im November 2021 ihre Arbeit aufnehmen. Heute sind zehn der zwölf zur Verfügung stehenden Stellen bereits besetzt, auch einige Kommunen haben Stellen eingerichtet. Die Koordinierung ist im KI integriert und alle Stellen, sei es in der Einbürgerungs- oder in der Ausländerbehörde, sind Teil des Amtes für Integration und Ausländerwesen, so dass eine enge Zusammenarbeit und gemeinsame Strategie schon strukturell vorgegeben ist.
Im Schwerpunkt ist das Casemanagement rechtkreisübergreifend als Willkommensberatung konzipiert und soll allen Neuzugewanderten eine erste Beratung anbieten. Dazu soll eng mit den Einwohnermeldeämtern der Kommunen zusammengearbeitet werden. Alle, die neu aus dem Ausland in den Kreis Düren einwandern oder zugewiesen werden, sollen dort eine Information über das Beratungsangebot erhalten und im besten Fall eine Datenschutzerklärung unterschreiben, damit es möglich ist, ihre Kontaktdaten an die Beraterinnen und Berater weiter zu geben. Ein großes Anliegen, dass noch nicht in allen Kommunen umgesetzt werden konnte. Aber trotzdem erreichen Ratsuchende die neuen Beratenden – auch hier bewährt sich das gewachsene Netzwerk und die gewachsene Beratungsstruktur, in die sich die Willkommensberatung eingefügt hat.
Ausblick – Rassismus kritische Arbeit verstärken
Domenica Licciardi und Tina Adamjo waren Moderatorinnen bei der Integrationskonferenz im Kreis Düren.
Quelle: Kreis Düren
"Noch nie hat mich eine Fortbildung selbst so mitgenommen, wie der Blue-eye-Brown-Eye-Workshop, in dem ich mich selbst in der Rolle einer diskriminierten Minderheit wiedergefunden habe. Am eigenen Leib die Hilflosigkeit und Ausweglosigkeit zu erfahren, hat weh getan und mich noch lange beschäftigt", berichtet eine Teilnehmerin.
Bisher spielt die Auseinandersetzung mit Rassismus eher eine untergeordnete Rolle, sowohl in den Kommunalen Integrationszentren als auch im Kommunalen Integrationsmanagement. Das muss sich ändern. Zum Glück wird der gesellschaftliche Fokus zunehmend auf die negativen Auswirkungen von Rassismus auf Teilhabechancen, Aufstiegsmöglichkeiten oder Gesundheit von Betroffenen und auf unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt gelegt. Das erfordert eine kritische Reflexion des eigenen "Weiß-seins" und der Strukturen, in denen wir leben und von denen weiße Menschen jeden Tag profitieren. Ein erster Schritt mit Fortbildungen zum Thema "Critical Whiteness" und einer Integrationskonferenz mit dem Schwerpunkt Rassismuskritik ist getan, aber der lange Weg zu einer rassismus-sensiblen Gesellschaft liegt noch vor uns. Langweilig wird es nie.
Sybille Haußmann
Quelle: Kreis Düren