Kommunale Kooperation - Mit einfachen Lösungen zum Erfolg

13. März 2023: Von Felix Schütte, Mitarbeiter im Amt für Bauen, Landschaft und Planung des Kreises Viersen

Interkommunale Zusammenarbeit ist gelebte Praxis für Städte und Gemeinden - für Landkreise ohnehin. Viele Aufgaben, die in den Bereich kommunalen Handelns fallen, lassen sich ohne enge Kooperation der beiden unteren Verwaltungsebenen gar nicht erfüllen. Darüber hinaus gibt es Themenfelder, in denen der verwaltungsübergreifende Schulterschluss derart viele Vorteile bietet, dass hier ganz zwanglos zusammengearbeitet wird. Ein Beispiel für eine freiwillige Kooperation verschiedener kommunaler Akteure ist die Fortschreibung des Integrierten Klimaschutzkonzeptes im Kreis Viersen.

Die Idee zur Zusammenarbeit im Klimaschutz zwischen Kreis und kreisangehörigen Kommunen stand Ende des Jahres 2011 im Raum. Schnell hatten sich die Gemeinden Grefrath und Niederkrüchten, sowie die Städte Tönisvorst und Viersen mit dem Kreis zusammengeschlossen und gemeinsam einen Förderantrag für die Erstellung eines gemeinsamen Klimaschutzkonzeptes eingereicht. Da es neun Städte und Gemeinden im Kreis Viersen gibt, hatten sich damit schon die Hälfte der kommunalen Akteure in Sachen Klimaschutz zusammengetan. Die Mehrheit der übrigen Kommunen im Kreis hatte teils kurz zuvor bereits eigenständig mit der Erarbeitung von Klimaschutzkonzepten und deren Umsetzung begonnen.
2014 wurde das gemeinsame Klimaschutzkonzept der fünf Partnerkommunen vorgestellt. Erste Klimaschutzmaßnahmen wurden damals zumeist noch eigenständig angegangen. Der nächste Schritt in der erfolgreichen interkommunalen Zusammenarbeit erfolgte am 1. Januar 2016, als die Stelle eines gemeinsamen Klimaschutzmanagements besetzt wurde. Dass ein Klimaschutzmanager sowohl für zwei Gemeinden, zwei Städte und einen Landkreis gemeinsame Klimaschutzmaßnahmen umsetzt und insgesamt die Klimaschutzaktivitäten kommunenübergreifend koordiniert, ist deutschlandweit bis heute eher selten. Mittlerweile haben nahezu alle Städte und Gemeinden im Kreis Viersen eigene Klimaschutzmanagerinnen und -manager eingestellt, um der Fülle an Aufgaben zu begegnen. 

Kommunikation vereinfachen: der Sache einen Namen geben
Mit der Zeit nahm die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen Fahrt auf. Neben Maßnahmen in eigener Umsetzung wurden auch kooperative Maßnahmen auf Basis des Konzeptes der fünf Partnerkommunen angegangen. Darüber hinaus wurden verstärkt Klimaschutzprojekte initiiert, an denen sich alle kreisangehörigen Kommunen beteiligt haben. Nicht selten kam es projektbezogen auch zu einem Zusammenschluss von nur einzelnen Städten und Gemeinden, also insgesamt ganz unterschiedlichen Partnerkonstellationen. Diese verschiedenen Zusammenschlüsse wurden zunehmend zur kommunikativen Herausforderung sowohl für die Abstimmung innerhalb der Verwaltungen als auch in der Kommunikation nach außen. Um dem entgegenzutreten, vereinbarten alle damaligen Klimaschutzmanagerinnen und –manager, künftig gemeinsame Projekte unter dem Namen „Klima-Allianz im Kreis Viersen“ zu koordinieren und zu bewerben.

Die Gründung der Klima-Allianz erfolgte vergleichsweise formlos, über ein einseitiges Positionspapier, das von den Verwaltungsspitzen unterzeichnet und den politischen Gremien zur Kenntnis gegeben wurde. Unter dem Namen der Klima-Allianz im Kreis Viersen wurde die Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit nun deutlich einfacher und verständlicher. Mit der Zeit stellte sich durch die Etablierung der gemeinsamen Klima-Allianz ein positiver Nebeneffekt ein: Durch das neue Label gab es in der Wahrnehmung weniger Projekte, die einzelnen Partnerkommunen zugeordnet werden mussten, sondern nur noch gemeinsame Projekte. Mit dem neuen Namen war im Klimaschutzmanagement verwaltungsübergreifend ein Wir-Gefühl entstanden.

Niederschwellige, direkte Kommunikation erleichtert den Informationsfluss
Ende des Jahres 2019 stand für die fünf Partnerkommunen fest, dass das bisherige Klimaschutzkonzept fortgeschrieben und an die rasant fortschreitenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst werden musste. Die Fortschreibung wurde zum Anlass genommen, nochmals alle kreisangehörigen Kommunen zur engen Zusammenarbeit auf Basis eines gemeinsamen Konzeptes einzuladen. Die beiden Gemeinden Brüggen und Schwalmtal konnten dafür gewonnen werden. Nunmehr sieben der neun kommunalen Gebietskörperschaften im Kreis Viersen begannen mit der Entwicklung eines gemeinsamen Integrierten Klimaschutzkonzeptes.

Von Anfang an war allen Partnern dabei eine Abstimmung des Prozesses auf Augenhöhe wichtig. Da eine interkommunale, gleichberechtigte Abstimmung eines gemeinsamen Klimaschutzziels unter Berücksichtigung bereits bestehender kommunenscharfer Zielsetzungen abstimmungsintensiv ist, fanden regelmäßig Lenkungskreistreffen und andere bedarfsweise einberufene Austauschformate statt. Fast instinktiv kam daher die Idee auf, darüber hinaus ein regelmäßiges, aber weniger verbindliches Austauschformat anzubieten. Die Idee der Sprechstunde war geboren.


Digitale Sprechstunde der Klima-Allianz.
Quelle: Kreis Viersen

Das Klimaschutzmanagement des Kreises lädt alle vierzehn Tage mittwochnachmittags für eine Stunde in einem virtuellen Konferenzraum zu einem offenen, formlosen Austausch ein – ganz ohne die sonst im Verwaltungsalltag übliche Agenda, Anwesenheitskontrolle oder Protokollierung. Für die Organisatoren der Sprechstunde ist der Aufwand, abseits der Moderation, dadurch marginal. Zunächst war die Sprechstunde für den Austausch während einer besonders intensiven Phase der Konzeptfortschreibung gedacht, wurde jedoch schnell für die Diskussion weiterer Themen genutzt. Das Format wurde beibehalten, das Themenfeld auf „Klima“ erweitert und der Teilnehmerkreis auf alle kreisangehörigen Städte und Gemeinden erweitert. Die Teilnehmenden nutzen den Austausch unter Fachkolleginnen und Fachkollegen, um beispielsweise Einschätzungen zu neuen Förderprogrammen zu bekommen, Best-Practice-Beispiele zu erfragen oder Erfolgsaussichten angedachter Projekte zu erörtern sowie inspirierende und motivierende Berichte zu teilen.

Das Format der Klimaschutz-Sprechstunde hat sich im Kreis Viersen bewährt. Die Sprechstunde ist immer gut besucht. Es fließen viele Informationen, aus denen für alle Beteiligten regelmäßig ein Mehrwert erwächst. Aufwand und Nutzen stehen in einem sehr guten Verhältnis. Nicht zu unterschätzen ist der motivierende Charakter, den ein derartiges Austauschformat mit Gleichgesinnten für „Einzelkämpfer“ oftmals hat.

Viersener Kreisel: ein interkommunales Patenschaftssystem für effizienten Klimaschutz
Um Energie zu sparen und dennoch zügig voranzukommen, hat sich im Radsport eine Taktik bewährt, die man „Belgischer Kreisel“ nennt. Dazu schließt sich eine kleinere Anzahl Radfahrer zusammen und wechselt sich rotierend mit der Führungsarbeit an der Spitze der Gruppe ab. Insbesondere bei Gegenwind leistet so abwechselnd nur ein Fahrer die Hauptarbeit, während der Rest der Gruppe im Windschatten ein Stück weit mitgezogen wird. Auf eine kurze Phase großen Energieeinsatzes folgt eine lange Phase relativer Energieeinsparung.

Zur Umsetzung von Maßnahmen aus dem gemeinsamen Klimaschutzkonzept haben sich die sieben Partnerkommunen im Kreis Viersen an dieser Taktik orientiert. Dazu wurde ein Patenschaftssystem entwickelt. Jede der Partnerkommunen hat, je nach Größe, eine oder mehrere Maßnahmen – als Patin für die Maßnahme – federführend übernommen. Analog zum Belgischen Kreisel ist es das Ziel dieses Patenschaftssystems, mit begrenzten (Personal-) Ressourcen dennoch möglichst schnell und effizient bei der Maßnahmenumsetzung des Klimaschutzkonzeptes voranzukommen. Insbesondere da es gilt, zeitgleich in ganz unterschiedlichen Themenfeldern aktiv zu werden. Der Ansatz, unter den Partnerkommunen Arbeitspakete aufzuteilen, verspricht Effektivität und Effizienz.

Wie im Beispiel aus dem Radsport geht es nicht darum, sich zurückzulehnen und nur noch jene Maßnahmen umzusetzen, für die man die Patenschaft innehat. Jeder Partner muss für jede Maßnahme selbst in die Pedale treten. Allerdings erspart Ressourcen, wenn man auf die Vorarbeit seiner Nachbarkommunen aufbauen kann, die sich dem anfänglichen „Gegenwind“ entgegenstemmen und die Projektumsetzung nach vorne treiben: Recherchen zu Fördermöglichkeiten, Vorschläge für detaillierte Umsetzungskonzepte, Informationen über Best-Practice-Projekte, Tipps zur Projektsteuerung und Kommunikation - die Liste der möglichen Vorarbeiten, von denen die Partner profitieren können, ist lang.

Damit das System der Patenschaft richtig aufgeht, ist Kommunikation und ein stetiger Informationsfluss notwendig. Mit zwei simplen Ansätzen konnte der Informationstransfer der Kommunen im Kreis Viersen bereits verbessert werden. Das Format der „Sprechstunde“ und der (begriffliche) Rahmen „Klima-Allianz“ haben zu einer vertrauensvollen und verlässlichen verwaltungsübergreifenden Kooperation geführt. Die Erfahrungen in der interkommunalen Zusammenarbeit im Kreis Viersen stimmen daher optimistisch, dass auch das Konzept der Patenschaften zur Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen ebenso erfolgreich sein wird.


Felix Schütte 
Quelle: Kreis Viersen