Junge Menschen in schwierigen Lebenslagen nicht abhängen: „RETURN – Mach dein Ding“
Der Kreis Coesfeld will als zugelassener kommunaler Träger sozial benachteiligten Jugendlichen und jungen Erwachsenen, welche durch das SGB II noch nicht oder nicht mehr mit den Regelinstrumenten erreicht werden, wieder eine Perspektive aufzeigen. Seit inzwischen mehr als vier Jahren bietet die Kolping-Bildungswerk DV Münster GmbH im Auftrag des Jobcenters des Kreises Coesfeld daher nun schon gezielte Beratungen und individuelle Hilfestellungen im Rahmen des Projekts „RETURN – Mach dein Ding“ in allen kreisangehörigen Städten und Gemeinden an.
Vom Pilotprojekt zum Regelinstrument
Vor dem Hintergrund, dass trotz des ausdifferenzierten Angebotes an aktivierenden Leistungen nach dem SGB II und III sowie sozialpädagogischer Hilfen für Jugendliche und junge Erwachsene in schwierigen Lebenslagen nach dem SGB VIII bundesweit immer noch zahlreiche junge Menschen durch die Maschen der Sozialleistungssysteme fallen, hat das BMAS im September 2015 mit dem Pilotprogramm RESPEKT eine Offensive zur (Wieder-) Einbindung schwer zu erreichender junger Menschen gestartet. In diesem Rahmen konnten bundesweit insgesamt 18 Projektförderungen bewilligt werden – darunter der vom Kolping-Bildungswerk eingereichte Projektvorschlag RESPEKT – Mach dein Ding für das Kreisgebiet Coesfeld. An diesem Erfolg nicht ganz unbeteiligt war der ehemalige Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Coesfeld und arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Karl Schiewerling, der sich seinerzeit in der Politik mit viel Vehemenz für die Implementierung des § 16h SGB II als gesetzliche Grundlage eingesetzt hatte, um Unterstützungsleistungen für junge Menschen dauerhaft gewährleisten zu können. Von Seiten des Kreises hatten hierneben auch das Jobcenter und das regionale Bildungsbüro den Projektantrag des Kolping-Bildungswerkes mit einem Letter of Intent ausdrücklich begrüßt. Nach zwei erfolgreichen Projektjahren, in denen fast 200 Teilnehmenden durch die Unterstützung der sozialpädagogischen RESPEKT-Fachkräfte wieder eine Perspektive aufgezeigt werden konnte, endete das Pilotprojekt des Bundes zum 31.12.2018. In Anbetracht der kreisweit fortbestehenden Bedarfe im Bereich der U25-Jährigen entschied sich der Kreis Coesfeld noch im Jahr 2018, das Modellprojekt RETURN – Mach dein Ding zur Schließung genau dieser Lücke im Rahmen einer Zuwendung gemäß § 16h SGB II i. V. m. §§ 23, 44 BHO zu vergeben. Rechtzeitig vor dem geplanten Start im Mai 2019 konnte Sozialdezernent Detlef Schütt nach Auswertung der eingereichten Projektideen wiederum dem Kolping-Bildungswerk den Zuwendungsbescheid überreichen: „Es ist gut, dass im Kreis Coesfeld wieder ein niedrigschwelliges Angebot für junge Menschen vorhanden ist, die bisher den Zugang zu den Sozialsystemen trotz bestehender Ansprüche noch nicht gefunden haben“[1] zeigte sich Schütt zum Projektbeginn erfreut. Zuletzt konnte im April dieses Jahres derselbe Träger mit der Fortführung von RETURN im Rahmen eines dritten Projektdurchlaufes bis zum Frühjahr 2025 beauftragt werden.
RETURN-Logo
Quelle: Kolping-Bildungswerk DV Münster GmbH
Jugendliche und junge Erwachsende
RETURN bietet gezielt zusätzliche Hilfen, die junge Menschen in schwierigen Lebenslagen unterstützen und sie (zurück) auf den Weg in Bildungsprozesse, Eigenaktivität, Maßnahmen der Arbeitsförderung, Ausbildung oder Arbeit holen.
Das Projekt zeichnet sich vor allem durch seinen präventiven Ansatz aus – RETURN setzt nämlich bereits dort an, wo ungedeckte Bedarfslagen für junge Menschen bestehen, welche durch das SGB II noch nicht oder nicht mehr mit den Regelinstrumenten erreicht werden. Für Interessierte ist die Teilnahme freiwillig. Diejenigen, die die angebotene Hilfe letztlich in Anspruch nehmen, entscheiden daher selbst, ob ihre Daten für weitere Hilfestellungen an das Jobcenter übermittelt werden dürfen.
Zur Zielgruppe gehören Personen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren, die derzeit Leistungen nach dem SGB II beziehen oder vermutlich Leistungen beziehen könnten und die
- Schwierigkeiten haben, eine schulische, ausbildungsbezogene oder berufliche Qualifikation zu erreichen oder ins Arbeitsleben einzumünden und
- von Sozialleistungsangeboten nicht erreicht werden oder diese nicht annehmen.
Die Lebenssituation der jungen Menschen gestaltet sich dabei sehr unterschiedlich, zeichnet sich jedoch häufig durch multiple, sich gegenseitig bedingende Problemlagen aus. Eine Unterstützung der Teilnehmenden durch das RETURN-Team erfolgt dementsprechend ganz individuell im Rahmen einer verlässlichen und langfristigen 1:1 Betreuung: Sei es bei der Wohnungssuche, Schuldenproblemen, Konflikten in der Familie, gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder allgemein im Umgang mit prekären Lebensverhältnissen, die einer beruflichen Eingliederung im Wege stehen. Im Rahmen eines Case Managements bieten die RETURN-Fachkräfte einerseits selbst Hilfen zur Bewältigung der persönlichen Problemlagen an, fungieren für die Zielgruppe andererseits aber auch als Lotsen, indem sie dort, wo die eigene Beratungskapazität erschöpft ist, erforderliche Hilfen Dritter empfehlen und vermitteln.
Persönliche Beratung vor dem „RETURN“-Beratungsbus.
Quelle: Kolping-Bildungswerk DV Münster GmbH / Rita Kleinschneider
Umfassendes und kreisweites Unterstützungsangebot
Um die jungen Menschen im gesamten Kreisgebiet erreichen und Benachteiligungen aufgrund schlechter ÖPNV-Verbindungen im ländlichen Raum kompensieren zu können, wird RETURN in allen kreisangehörigen Städten und Gemeinden angeboten. Während in den drei größten Städten Dülmen, Coesfeld und Lüdinghausen jeweils feste Anlaufstellen eingerichtet wurden, sind die übrigen acht Kommunen durch den RETURN-Beratungsbus als mobiles Angebot eingebunden.
Für alle Anlaufstellen hat das Jobcenter des Kreises Coesfeld zum Start der Maßnahme regelmäßige Öffnungszeiten mit dem Träger vereinbart und über bekannte Kanäle publiziert, damit Interessierte das Angebot selbstständig erreichen können. Ergänzend spricht das RETURN-Team die jungen Menschen, welche nicht aus eigenem Antrieb oder mithilfe der Integrationskräfte des Jobcenters bei dem Angebot ankommen, im Rahmen einer aufsuchenden Sozialarbeit gezielt an ihren üblichen Aufenthaltsorten an.
Erst einmal in der dauerhaften Beratung angekommen, wird den Teilnehmenden ermöglicht, mit ihren jeweiligen Vertrauenspersonen jederzeit über WhatsApp, per E-Mail oder auch telefonisch niedrigschwellig Kontakt zu halten. Über eine eigens für RETURN eingerichtete Hotline wird die Erreichbarkeit des gesamten Teams für Teilnehmende und Interessierte zusätzlich innerhalb der Bürozeiten gewährleistet. Für besondere Notlagen hält der Träger darüber hinaus ein Notübernachtungskonzept vor.
Letztlich werden Teilnehmende dort, wo RETURN trotz seiner umfassenden Unterstützungsmöglichkeiten an seine Grenzen stößt, zu den entsprechenden Anlaufstellen begleitet und weiterversorgt.
Bestehende Netzwerke und bewährte Strukturen erhalten
Nicht nur die Integrationskräfte des Jobcenters arbeiten eng mit dem Projektpersonal zusammen – vielmehr haben sich starke Netzwerke mit den verschiedenen Akteuren im Hilfesystem entwickelt und etabliert, die aus der Arbeit mit jungen Menschen nicht mehr wegzudenken sind. So besteht ein enger Draht zu Fachämtern, Beratungsstellen, Anlaufstellen zur Krisenintervention und Gesundheitsvorsorge, Angeboten der Jugendarbeit, Schulen und zu anderweitig tätigen Trägern im kommunalen Hilfenetz.
Eine solche Netzwerkarbeit sei gerade im U25-Bereich nicht nur hilfreich, sondern vielmehr zwingend notwendig, erläutert Uwe Slüter, Diözesangeschäftsführer des Kolping-Bildungswerkes, denn „wie schnell Jugendliche auch ohne eigenes Verschulden in prekäre Lebenssituationen geraten können, kennen unsere Sozialpädagogen aus vielen Beispielen ihrer täglichen Arbeit“[2].
Noch Anfang September hatte Slüter die Planung der Bundesregierung zur Übertragung der beruflichen Eingliederung bürgergeldbeziehender junger Menschen unter 25 Jahren von den Jobcentern auf die Agenturen für Arbeit kritisiert, die genau diese bewährten und mühsam aufgebauten Strukturen zerschlagen hätten. Auch Landrat Dr. Christian Schulze Pellengahr hatte wegen der geplanten Zuständigkeitsverlagerung bereits im Juli die Bundestags- und Landtagsabgeordneten des Kreises sowie die kreisweit agierenden Verbände der freien Wohlfahrtspflege und die Träger von Bildungsmaßnahmen auf die möglichen folgenschweren Auswirkungen für die Zielgruppe im Kreis Coesfeld aufmerksam gemacht. Zuletzt forderte vor diesem Hintergrund auch der Kreistag in seiner Resolution vom 27.09.2023 den Bund dazu auf, von der geplanten Regelung Abstand zu nehmen.
Umso größer war die Freude seitens des Kreises Coesfeld, der Kommunalpolitik und vor allem auch der in der Jugendarbeit tätigen Träger, als das BMAS am 28.09.2023 mitteilte, dass es von der Zuständigkeitsverlagerung absehen wolle und infolgedessen gute und wichtige Projekte wie RETURN – Mach dein Ding fortgeführt werden können.
Julia Tomeczko |
Stefan Schenk |
[1] Zitat D. Schütt – Pressemitteilung des Jobcenters des Kreises Coesfeld v. 08.05.2019
[2] Zitat U. Slüter – Aktuelle Meldungen des Kolping-Bildungswerkes Münster DV GmbH /20230904 v. 03.09.2023