Innovation Campus Lemgo verbindet Bildung, Forschung und Wirtschaft
Die duale Berufsausbildung verbindet die fachpraktische Ausbildung, die Vermittlung von fachtheoretischem Wissen und den Erwerb von Schlüsselkompetenzen im beruflichen Kontext. Eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit der unterschiedlichen Lernorte sichert dabei die Ausbildungsqualität und bietet gerade auch kleineren und mittleren Betrieben (KMU) Chancen für die Sicherung ihres Fachkräftebedarfs.
Größere Betriebe haben die Ausbildung meist strategisch und organisatorisch so aufgestellt, dass sie ausreichend junge Menschen als Nachwuchskräfte für das Unternehmen gewinnen, qualifizieren und dauerhaft an sich binden können. In KMU fehlen jedoch dazu häufig sowohl die personellen als auch die fachlichen Voraussetzungen. Daher ist in den eher kleineren Handwerksbetrieben bereits seit Jahrzehnten die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (ÜLU) etabliert, um die fachpraktische Ausbildung zu stärken und den Innovationstransfer zu gewährleisten.
In der Industrie gibt es dazu jedoch bisher nur wenige Beispiele; eines davon findet sich im Innovation Campus Lemgo (www.icl-owl.de): In einem der wenigen deutschen „Kunststoffcluster“ kooperieren bereits seit 2012 Partner aus verschiedenen Bildungsbereichen, um den Betrieben der heimischen verarbeitenden Kunststoffwirtschaft passgenaue Angebote für die Ausbildung und Qualifizierung ihrer Mitarbeitenden zu bieten. Als fünftstärkste Branche in Ostwestfalen-Lippe (OWL) hat diese wesentlichen Anteil an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Region und einen dementsprechend hohen Bedarf an gut ausgebildeten Nachwuchskräften.
Partner der Lernortkooperation
Für diese Ausbildungsbetriebe ist das Lüttfeld-Berufskolleg (LBK) des Kreises Lippe bereits seit Langem ein verlässlicher Partner in der dualen Ausbildung der angehenden Verfahrensmechaniker/innen für Kunststoff und Kautschuktechnik. Es ist OWL-Bezirksfachklasse für die Fachrichtung Fensterbau dieses Ausbildungsberufs und wird seit 2018 auch von Auszubildenden der Fachrichtung Kunststofffenster aus ganz Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen besucht. Aus OWL werden am LBK rund 2/3 der Auszubildenden (Kammerbezirk IHK Lippe zu Detmold und Zweigstelle Paderborn der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld) beschult. Die restlichen angehenden Verfahrensmechaniker/innen für Kunststoff und Kautschuktechnik besuchen das August-Griese-Berufskolleg (Kammerbezirk IHK Ostwestfalen zu Bielefeld) in Löhne.
Um die hohe pädagogische Qualität zu unterstützen, hat der Eigenbetrieb Schulen des Kreises Lippe als Schulträger erheblich in die Fachausstattung investiert und beispielspielweise das Technologiezentrum Kunststoff in direkter Nachbarschaft zum LBK errichtet. Dieses Gebäude ist seit 2011 Sitz des Instituts für Kunststoffwirtschaft in OWL (ikuowl).
Blick in die Maschinenhalle im Technologiezentrum Kunststoff.
Quelle: Kreis Lippe
Das ikuowl ist eine Einrichtung der Lippe Bildung eG, einem als Genossenschaft organisierten regionalen Bildungsträger im Kreis Lippe. Diese stellt den größten Teil der Ausstattung und Maschinen in dem Gebäude und nutzt dieses für die Durchführung von überbetrieblichen Ausbildungsmaßnahmen, insbesondere der Ausbildungsvorbereitung in der gestreckten Abschlussprüfung. Dazu arbeitet es eng mit dem LBK zusammen, sodass seit 2014 alle Auszubildenden aus OWL optimal auf die sogenannte AP 1 und rund 1/3 auf die AP 2 vorbereitet werden können. Geplant ist, die maschinelle Ausstattung auch mit Hilfe von Fördermitteln von Bund und Land NRW weiter aufzustocken und so das Bildungsangebot auszuweiten.
Durch die räumliche und personelle Verbindung zum Verein Kunststoffe in OWL – die Geschäftsstelle ist ebenfalls im Technologiezentrum Kunststoff angesiedelt - bestehen darüber hinaus enge Verbindungen bis auf Landes- und Bundesebene.
Ein dritter Partner beziehungsweise Nutzer des Technologiezentrums Kunststoff ist die Technische Hochschule OWL (TH OWL), die in den Räumen studentische Praktika anbietet und Vorlesungen und Klausuren durchführt. Durch den Austausch zwischen Studierenden und Auszubildenden ergeben sich dabei immer wieder Ansatzpunkte für eine vertiefte Zusammenarbeit.
Alle Partner bringen eigene Maschinen und Ausstattung in das Gebäude ein und kooperieren über den jeweiligen Aufgabenbereich hinaus in unterschiedlichen Projekten. Auch das Prüflabor, in dem z. B. Produkte auf ihre Materialeigenschaften untersucht werden können, kann von allen Einrichtungen gleichermaßen genutzt werden.
Kunststoffcluster im Innovation Campus Lemgo.
Quelle: Kreis Lippe
Die Bildungsangebote im Technologiezentrum Kunststoff ergänzen die fachpraktische Ausbildung in den Betrieben. Hier erwerben die Auszubildenden zunächst die grundlegenden Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen für ihre spätere Berufstätigkeit, Gerade den Auszubildenden in KMU fehlt jedoch oft die Möglichkeit, sich mit anderen auszutauschen, Maschinen unterschiedlicher Hersteller kennenzulernen und den eigenen Horizont zu erweitern. Hier übernimmt das ikuowl zusammen mit dem LBK im Rahmen der oben beschriebenen Prüfungsvorbereitung eine wichtige Funktion:
Der Ausbildungsbetrieb nutzt die Maschinen durchgehend für die Produktion. Und so stehen sie für Ausbildungszwecke oder die Vorbereitung auf die Abschlussprüfungen nicht zur Verfügung. Entsprechendes gilt für das Ausbildungspersonal, das in KMU nahezu nie freigestellt ist, sondern die Ausbildung parallel zu ihrer regulären Tätigkeit im Betrieb übernimmt. Daher fehlt oft die Zeit, ausreichend auf die Auszubildenden und deren individuellen Bedarfe einzugehen.
Im Technologiezentrum Kunststoff haben die Auszubildenden jedoch in einem „geschützten Raum“ zwei Wochen lang die Gelegenheit, an der Prüfungsmaschine zu üben und dabei fachlich kompetent unterwiesen zu werden. Die Prüfungsvorbereitung durch das ikuowl bietet daher optimale Rahmenbedingungen für einen guten Abschluss und den gelingenden Start in das Berufsleben.
Lernen digital
Am Beispiel der Kunststoffbranche wird deutlich, dass berufliches Lernen an unterschiedlichen Orten stattfindet und diese Lernorte eng miteinander kooperieren müssen, um den Ausbildungserfolg zu gewährleisten. Lernen erfolgt aber zunehmend nicht nur in Präsenz, sondern verstärkt auch digital – und zwar nicht erst seit der Corona-Pandemie. Wichtig ist die Rückkopplung zu den Abläufen in den Ausbildungsbetrieben: Denn dort steuern inzwischen vernetzte Fertigungsmaschinen ihre Prozesse nach vorgegebenen Abläufen selbst. Die Fachkräfte übernehmen stattdessen immer mehr Aufgaben in der Programmierung und Überwachung und greifen nur dann in die Produktion ein, wenn Störungen auftreten. Dieser technologische Wandel wird oft mit dem Begriff Industrie 4.0 bezeichnet und hat die Arbeitswelt bereits massiv verändert. Im Innovation Campus Lemgo gibt es die Cyberphysische Fabrik (CPF), die diesen Wandel erlebbar macht. Die CPF dient allen vier Berufskollegs des Kreises Lippe als gemeinsamer Lernort.
Die aus mehreren Modulen zusammengesetzte Anlage bildet digital gesteuerte Logistik- und Fertigungsschritte ab und simuliert so einen echten Produktionsprozess. Als Lernträger dient dabei die zusammen mit dem ikuowl eigens entwickelte glOWLamp, die im Wesentlichen aus einem zweiteiligen Kunststoffgehäuse, einer Platine und einer LED besteht. Sie kann in der CPF nach der Bestellung im Webshop in Losgröße 1 individuell gefertigt und mit einer Lasergravur versehen werden. Die glOWLamp dient als Anschauungsobjekt, um unterschiedliche Facetten von Industrie 4.0 erlebbar zu machen.
Ausbildungsprojekt bei der Firma CoKo.
Quelle: Kreis Lippe
Das Gehäuse der glOWLamp wird im ikuowl produziert und zwar auf Basis eines Werkzeugs, das als Ausbildungsprojekt bei der Firma CoKo, einem Kunststoffbetrieb in Bad Salzuflen, konzipiert wurde. Die Platinen stellt aktuell ein anderer Ausbildungsbetrieb, die Firma KEB aus Barntrup, zur Verfügung. Mittelfristig ist aber geplant, Synergien innerhalb der Lernfabrik Lippe 4.0 (www.lernfabrikvierpunktnull.de) zu nutzen: Die Platinen sollen selbst hergestellt werden. Durch Fördermittel von EU (EFRE), Bund und Land NRW konnte das Felix-Fechenbach-Berufskolleg des Kreises Lippe dafür eine Leiterplattenfertigung beschafften.
Unabhängig von dem eigentlichen Produktionsprozess der glOWLamp bietet die CPF darüber hinaus für Auszubildende und Klassen Projekt- und Erlebnistage an. Sie können unterschiedliche Lernmodule absolvieren, die von Smart Monitoring über Radiofrequency Identification (RFID), Microcontrolling und Fahrerlose Transportsysteme bis zum Kaufvertrag oder 3D-Druck reichen. Die pädagogische und technische Konzeption und Durchführung dieser niedrigschwelligen Bildungsangebote erfolgt dabei im Rahmen des aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung geförderten InnoVET-Projekt „Bildungsbrücken OWL“ (www.bildungsbruecken-owl.de).
Zeitgemäße Ausstattung braucht Förderung
Die oben beschriebene enge Zusammenarbeit über institutionelle Grenzen hinweg lebt von zwei wesentlichen Faktoren: dem engen kollegialen Austausch auf der Arbeitsebene und der Förderung von Infrastruktur und technischer Ausstattung: Ohne Mittel von EU, Bund und Land, aber auch von weiteren Unterstützern wie beispielsweise der LIFT-Stiftung wären viele Projekte nicht zu realisieren. Diese werden sowohl im Innovation Campus Lemgo mit zahlreichen Partnern und Einrichtungen als auch im Kreativ Campus Detmold (Standort von zwei weiteren Berufskollegs, die zusammen mit den beiden Lemgoer BKs die Lernfabrik Lippe 4.0 bilden) genutzt, um Ausbildungs- und Qualifizierungsangebote am aktuellen Stand der Technik zu gewährleisten. Die stetige Abstimmung und intensive Kooperation der Lernortpartner trägt dazu bei, diesen Standard auf Dauer zu sichern und damit auch weiterhin die hohe Ausbildungsqualität zu gewährleisten.
Claudia Otto Quelle: Lippe Bildung eG |
Carsten Kießler |