Heimat im Archiv – Zur Heimatpflegearbeit des Stadt- und Kreisarchivs Paderborn

26. März 2019: Von Wilhelm Grabe, Leiter des Stadt- und Kreisarchivs Paderborn

Das Stadt- und Kreisarchiv Paderborn – seit 2017 sind beide früher selbständige Einrichtungen organisatorisch zusammengeschlossen – versteht sich nicht nur als „Gedächtnis von Stadt- und Kreisverwaltung“, sondern als „Gedächtnis von Stadt und Kreis Paderborn“. Als kompetente Institution für alle Fragen der Stadt- und Kreisgeschichte ist das Archiv Informationsspeicher für Verwaltung, Politik und Presse, vor allem aber – als moderne Dienstleistungseinrichtung – für die Bürgerinnen und Bürger in Stadt und Kreis.

 Archive sind aber nicht nur Wissensspeicher, sie sind darüber hinaus Träger, Initiator und Vermittler für das Geschichtliche des betreffenden Archivsprengels. Sie können also auch selbst Akzente setzen und aktiv Beiträge zur lokalen und regionalen Geschichtskultur leisten. Die Träger der „Geschichtskultur“ kommen aus dem öffentlichen bzw. halböffentlichen Raum. Kreise, Städte und Gemeinden, Universitäten und Schulen, aber auch Heimat- und Geschichtsvereine und Heimatpflege kommen hier in Betracht. Entsprechend disparat sind die Motive für das historische Engagement, die von der Rekonstruktion und Verteidigung kleinräumiger Lebenswelten über die Aufarbeitung verdrängter und vergessener Geschichte bis hin zur schlichten Unterhaltung und handfesten Imagepflege reichen.
Eine enge Kooperation mit bestehenden Vereinigungen und Strukturen drängt sich für Archive geradezu auf. Das Stadt- und Kreisarchiv Paderborn engagiert sich schon seit vielen Jahren in der Heimatpflege, lange bevor „Heimat“ gewissermaßen in Mode gekommen ist. Dies manifestiert sich in der Teilnahme an den Heimatgebietstagen für das Paderborner und Corveyer Land sowie an den Heimatpflegetreffen auf Kreisebene.


Gruppenbild mit Archivar: Kreisheimatpflegetreffen 2918 in Bleiwäsche
Quelle: Kreis Paderborn

Wie ist die Heimatpflege im Kreis Paderborn organisiert? Da gibt es zunächst einmal die Heimatgebietstage für das Paderborner und Corveyer Land, also für die heutigen Kreise Höxter und Paderborn. Der erste Nachkriegsheimatgebietstag fand im Juni 1946 in Altenbeken statt. Ab 1947 wurden die vom Westfälischen Heimatbund ausgehenden Zusammenkünfte dann über viele Jahre im Rahmen der Libori-Kulturwoche in Paderborn durchgeführt. Seit Ende der 1950er-Jahre finden die Heimatgebietstage an wechselnden Orten in den Kreisen Höxter und Paderborn statt. Im Mittelpunkt der Tagungen standen und stehen Vorträge zu drängenden Fragen der Heimatpflege. Seit den 1980er-Jahren ist das Stadt- und Kreisarchiv – gewissermaßen als Zaungast – bei den Heimatgebietstagen präsent.
Ein aus Sicht des Stadt- und Kreisarchivs wichtigeres Forum sind die regelmäßigen Zusammenkünfte der örtlichen Heimatpfleger, die in den Kreisen Büren und Paderborn, den beiden Rechtsvorgängern des heutigen Kreises Paderborn, schon ab Ende der 1940er-Jahre wieder durchgeführt worden sind. Im November 1957 gab es eine gemeinsame Wochenendtagung der Heimatpfleger beider Kreise auf der Wewelsburg zum Thema „Tradition und Fortschritt in der Heimatpflege“. Später, ab den 1970er-Jahren, wurden zusätzlich zu den Ortsheimatpflegern die Ortschronisten zu den Treffen eingeladen, ist doch das Paderborner Land wahrscheinlich die einzige Region in Westfalen, in welcher noch einigermaßen flächendeckend Ortschroniken geführt wurden und werden. Heute finden auf Einladung des Kreisheimatpflegers zweimal jährlich Heimatpflegetreffen auf Kreisebene statt, einmal im Frühjahr, einmal im Herbst. Die Veranstaltungen werden vom Kulturamt des Kreises organisiert und sind mit 50 bis 70 Teilnehmern immer gutbesucht. Man tagt an wechselnden Örtlichkeiten, die sich wiederum bei dieser Gelegenheit vorstellen können. Nach dem Besichtigungsprogramm werden anschließend Fragen der Heimatpflege besprochen.
Seit Anfang der 1980er-Jahre nehmen Kommunalarchivare an den Heimatpflegetagungen teil. Da es sich bei den Heimatpflegern und Chronisten des Kreises um eine ausgesprochen wichtige Ziel- und Nutzergruppe handelt, wurde das ursprünglich eher passive Engagement schließlich nach und nach ausgebaut. Regelmäßig werden jetzt Vorträge gehalten, etwa über die Geschichte der Almetalbahn zwischen Paderborn und Brilon, über die Säkularisation im Hochstift Paderborn, über Aufgaben, Funktionen und Nutzungsmöglichkeiten eines Archivs oder über Kriegerdenkmäler im Kreis Paderborn. Am 5. November 2010 wurde gar der 30. Geburtstag des Kreisarchivs im Rahmen eines Heimatpflegetreffens gefeiert: „Archive braucht das Land“ forderte Landrat Manfred Müller; in der anschließenden Podiumsdiskussion „Archive – Geschichte – Heimat“ kamen neben Landrat Müller Marcus Stumpf vom LWL-Archivamt für Westfalen, Hermann-Josef Schmalor vom Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalen, Abt. Paderborn und Kreisarchivleiter Wilhelm Grabe zu Wort. Seit 2009 nutzt das Stadt- und Kreisarchiv Paderborn dieses Forum zusätzlich, um mit einem festen Tagesordnungspunkt über eigene Aktivitäten – Ausstellungsprojekte, Veröffentlichungen, aber auch Neuzugänge im Sammlungsbestand – zu berichten.


Wichtige Quelle für die Lokalgeschichte: Titelseite der Ortschronik der Stadt Lichtenau.
Quelle: Stadt- und Kreisarchiv Paderborn

 In enger Kooperation mit den Ortschronisten wurde ab 2006 dann auch das Projekt „Mikroverfilmung der Orts- und Schulchroniken“ umgesetzt. Da gerade auch die älteren Chroniken vielfach noch bei den Chronisten selbst und nicht in den jeweiligen Kommunalarchiven aufbewahrt wurden, war es unerlässlich, auf die Ortschronisten zuzugehen, wobei sich nun die intensive Kontaktpflege auf den Heimatpflegetreffen auszahlte. Regelmäßig wurde in der Folge über Fortgang und Abschluss des Projekts berichtet. Inzwischen sind fast alle Ortschroniken mikroverfilmt. Damit verfügt das Stadt- und Kreisarchiv über eine sehr wichtige Quelle für die Geschichte der Städte und Gemeinden im Kreis, und zwar nahezu flächendeckend.
Die ständige Präsenz auf den Zusammenkünften der Heimatpflege macht also für das Archiv durchaus Sinn. Wichtig ist, dass das Archiv als Ansprechpartner für die Akteure der Heimatpflege verfügbar ist. Und das geht weit über die nüchterne Kundenorientierung hinaus. Die vielen informellen Gespräche am Rande der Zusammenkünfte dienen der Kontaktpflege, oder, wie man neudeutsch sagen würde, dem „netzwerken“. Diese Vernetzung nützt beiden Seiten. Ortsheimatpfleger und -chronisten holen sich Tipps und Hilfestellung, nicht selten wurden und werden Jahreschroniken in der Archivwerkstatt eingebunden. Auf der anderen Seite profitiert das Archiv von den Ortskenntnissen, erhält Kenntnis von historischen Dokumenten und wird bei Ausstellungsprojekten unterstützt.
Und noch auf einem weiteren Feld der Heimatpflege ist das Stadt- und Kreisarchiv Paderborn aktiv. Nicht nur die Geschäftsführung des Vereins- für Geschichte- und Altertumskunde Westfalens/ Abteilung Paderborn, auch die Redaktion der „warte“ ist seit einer Reihe von Jahren mit dem Archiv verbunden. Das Grundkonzept dieser Heimat- und Geschichtszeitschrift für die Kreise Höxter und Paderborn funktioniert seit langem durchaus erfolgreich: die „warte“ bietet Raum für schreibende Amateure sowie für Professionals, ist also gewissermaßen an der Nahtstelle zwischen Heimatforschung und Fachwissenschaft positioniert.


Wilhelm Grabe
Quelle: Kreis Paderborn