Einrichtung erster Velorouten im Kreis Steinfurt – TRIANGEL und RadBahn Münsterland

12. Januar 2021: Von Udo Schneiders, Sachgebietsleiter Verkehrsentwicklung, und Reinhard Pries, Projekt-verantwortlicher Planen und Bauen, Radwegeinfrastruktur, Kreis Steinfurt

Auf Grundlage eines umfassenden Radverkehrskonzeptes (2020) will der Kreis Steinfurt gemeinsam mit seinen 24 Städten und Gemeinden, dem Landesbetrieb Straßenbau NRW und anderen Partnern das Radverkehrssystem im Kreis deutlich ausbauen. Ein zentraler Baustein ist der Bau bzw. Ausbau schneller, komfortabler und verkehrssicherer Radwege für den Alltagsradverkehr als Radvorrangrouten, die münsterlandweit Velorouten genannt werden. Mit der vom Bundesumweltministerium geförderten TRIANGEL und der RadBahn Münsterland werden aktuell die ersten Velorouten als „Kreisradwege“ eingerichtet, ergänzt durch weitere Maßnahmen einer Radverkehrsförderung.

Mobilitätswende als integrierte Aufgabe
Mobilität neu gestalten, Klimaschutz weiter konsequent fördern – im Kreis Steinfurt bestimmen diese Leitlinien das Handeln von Politik und Verwaltung seit Langem. In vielen kreisbezogenen Konzepten, Programmen und Plänen finden diese Zielsetzungen ihren Niederschlag. Besondere Bedeutung erfährt dabei die Förderung der Nahmobilität und des Alltags-Radverkehrs.

So werden im Kreisentwicklungsprogramm 2030 als Handlungsziele u. a. die Förderung der E-Mobilität, die Umsetzung des Masterplans klimafreundliche Mobilität (MkM 2015) und der Ausbau der vorhandenen Radverkehrssysteme benannt. Im MkM werden im Themenfeld Radverkehr und Nahmobilität verschiedene Handlungsansätze und Pilotprojekte vorgeschlagen, so u. a. der Ausbau und die Optimierung des Alltagsroutennetzes, die Aufstellung eines Radinfrastrukturkonzeptes und der Ausbau schneller Radroutenverbindungen. Seit 2009 ist der Kreis zudem aktives Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise (AGFS). Eingebunden in die AGFS-Aktivitäten wurde bereits 2013 die Studie zur Errichtung von Radschnellwegen im Kreis Steinfurt erstellt. Als ein Ergebnis wurden - orientiert am Nachfragepotential - Korridore identifiziert, die für den schnellen Radverkehr geeignet erschienen.

Radverkehrskonzept 2020
Mit dem vom Kreistag Mitte 2020 beschlossenen Radverkehrskonzept werden nun darauf aufbauend umfassende Maßnahmen benannt, wie die Radinfrastruktur im Kreis für den Alltagsradverkehr optimiert werden kann, damit mehr Menschen das Fahrrad für ihre täglichen Wege zur Arbeit, Ausbildung und Schule oder zum Einkauf nutzen und damit den Klimaschutz und ihre eigene Fitness/Gesundheit fördern.
Schwerpunkt des Konzepts ist die Einrichtung eines Veloroutennetzes zwischen Ober-, Mittel- und Grundzentren, bedeutenden Ortsteilen oder Einrichtungen mit weiteren wichtigen Verkehrserzeugern, etwa Gewerbegebieten oder Schulzentren außerhalb der v. g. Zentren.
Velorouten sollen vorwiegend am Bestand orientiert anforderungsgerecht ausgebaut und verkehrssicher optimiert werden. Insgesamt sieht das Radverkehrskonzepts 618 Einzelmaßnahmen auf insgesamt 697 Kilometern mit einem geschätzten Kostenumfang von rund 108 Mio. Euro vor.
Darüber hinaus benennt das Radverkehrskonzept im Sinne der Ziele der AGFS Maßnahmen aus den Handlungsfeldern Service, Kommunikation und Marketing. Hierzu zählen beispielsweise die Themen Fahrradparken, die Verbreitung und Nutzung von Lastenrädern oder Kommunikationsmaßnahmen über ein internetbasiertes Kreisportal zum Thema Fahrrad mit Hinweisen zu Routenplanern oder Servicestationen. Die Kreisverwaltung ist beauftragt, in enger Abstimmung mit den Städten und Gemeinden des Kreises, dem Landesbetrieb Straßenbau NRW u. a., die im Radverkehrskonzept dargestellten Maßnahmen Schritt für Schritt umzusetzen.

Velorouten-Pilotprojekte
Pilotprojekte für die Einrichtung von Velorouten im Kreis Steinfurt sind die vom Bundesumweltministerium mit rund 4,6 Mio. Euro geförderte TRIANGEL und die RadBahn Münsterland südlich der Kreisstadt Steinfurt. Bei der TRIANGEL sollen auf drei ehemaligen Bahnstrecken zwischen den Städten und Gemeinden Steinfurt, Rheine, Neuenkirchen, Wettringen, Ochtrup und Metelen die vorhandenen Radwege schneller, komfortabler und verkehrssicher gestaltet werden. Als neues Element im Radverkehrssystem des Kreises werden Wirtschaftswege zwischen Ochtrup und Metelen als kürzeste Verbindung zwischen diesen Orten eingebunden. Zusammen mit dem Abschnitt der RadBahn sollen mehr als 70 Kilometer für den Alltagsradverkehr ertüchtigt und als Fahrradstraßen ausgewiesen werden. Die als Fahrradstraßen integrierten Wirtschaftswege sollen durch die Anordnung entsprechender Zusatzzeichen für die Anlieger, den Landwirtschaftlichen Verkehr und S-Pedelecs freigegeben werden.


Übersichtkarte Trassen TRIANGEL und RadBahn Münsterland
Quelle: Kreis Steinfurt

Maßnahmen
Der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt auf einer Vernetzung bereits vorhandener Wege durch Lückenschlüsse, in der Beschleunigung des Radverkehrs, insbesondere an den Knotenpunkten, und der Anhebung der Qualitätsstandards im Verlauf der Strecken. Soweit noch nicht gegeben und baulich möglich, werden die Trassen auf 3 Meter verbreitert. Abschnitte, die eine Mindestbreite von 2,50 Meter und einen guten Wegebelag aufweisen, werden zunächst im Sinne des Ressourcenschutzes belassen. Sie sollen bei einer weiter steigenden Zahl an Radfahrenden (Monitoring) oder spätestens bei zukünftig anstehenden Baumaßnahmen auf das Veloroutenmaß von 3 Meter verbreitert werden. Abschnitte mit schlechter Fahrbahndecke werden saniert. Bei Rheine wird über die B 70 für einen Lückenschluss eine neue Radwegebrücke gebaut. Teil der Maßnahmen ist auch die Änderung der bestehenden Vorfahrtsberechtigungen zu Gunsten der Radfahrer auf TRIANGEL und RadBahn - außerhalb der Kreuzungen mit klassifizierten Straßen. Mehr als 150 Knotenpunkte werden umgebaut. Dabei reichen die Maßnahmen von einer neuen Markierung und Änderung der Beschilderung bis hin zu ergänzenden aufwendigen Umbauten der Knotenpunkte mit Änderung der Straßenbeläge, dem Einbau von Berliner Kissen bzw. Drempeln oder der baulichen Einengung auf den Wirtschaftswegen und innerörtlichen Straßen durch Poller. Drempel und Kissen sind so bemessen, dass landwirtschaftliche Fahrzeuge nicht behindert werden. An den als Fahrradstraßen eingebundenen Wirtschaftswegen werden für ein gutes Begegnen von Radfahrern und landwirtschaftlichen Maschinen Ausweichbuchten vorgesehen.

Besonderer Augenmerk gilt der Schaffung und Erhaltung ausreichend großer Sichtdreiecke. Insoweit sollen die Abschnitte von TRIANGEL und RadBahn auch als erste „Kreisradwege“ außerhalb klassifizierter Straßen in die Baulastträgerschaft des Kreises übergehen und die Unterhaltung und Pflege (insbes. auch das Freihalten der Sichtdreiecke) durch die Kreisstraßenmeisterei erfolgen. Dazu gehört auch ein Winterdienst, dessen Umfang je nach Nutzungsgrad der Abschnitte unterschiedlich gestaltet wird.


Beispiel Maßnahmen Umbau Knotenpunkt TRIANGE.
Quelle: Kreis Steinfurt

Der erste rund 18 Kilometer lange Abschnitt zwischen Steinfurt und Rheine wird im Frühjahr 2021 freigegeben. In Kürze starten die Baumaßnahmen auf dem zweiten Abschnitt zwischen Rheine und Ochtrup über Neuenkirchen und Wettringen (23 km). Der Brückenneubau soll im Frühjahr beginnen und gemeinsam mit den Baumaßnahmen auf dem zweiten Abschnitt im Herbst dieses Jahres fertiggestellt sein. Der Ausbau des dritten Abschnitts zwischen Ochtrup und Steinfurt über Metelen ist für 2022 vorgesehen.

Weitere Module der TRIANGEL sind die Einrichtung eines Bike-sharing zwischen dem Bahnhof und dem McArthurGlen Designer Outlet in Ochtrup sowie ein Bike-sharing-light zwischen Betrieben und zentralen Haltestellen bzw. Haltepunkten zur Anbindung der Velorouten an die starken Achsen des ÖPNV und SPNV zur Förderung der Intermodalität und Umsetzung der Zielsetzungen des Nahverkehrsplans Kreis Steinfurt. An verschiedenen Punkten werden zusätzliche Radabstellanlagen aufgestellt.

Das Projekt wird begleitet durch Maßnahmen zum Monitoring und zur Evaluierung, ein zielgruppenspezifisches Mobilitätsmanagement und eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit. Innerörtlich und im Außenbereich an sensiblen Verkehrspunkten wird die Strecke beleuchtet, wobei überwiegend adaptive Solarleuchten zur Anwendung kommen und alle Systeme der Ökodesign-Richtlinie entsprechen, d.h. insektenfreundlich ausgestaltet sind.

Der Kreis Steinfurt hatte bereits gute Erfahrungen im Rahmen der interkommunalen Umsetzung der ehemaligen Güterverkehrsstrecke Oberhausen - Wilhelmshaven erzielt. Gemeinsam mit der Bahnflächenentwicklungsgesellschaft NRW und neun Anrainerkommunen wurde die ehemalige Schienenstrecke zwischen Coesfeld und Rheine auf 39 Kilometern zur RadBahn Münsterland durch das Kreis Straßenbauamt umgebaut. Der in Eigentum der Kommunen gesicherte Radweg wurde bahnaffin mit LEADER-Mitteln gestaltet und wird heute als „Kreisradweg“ durch den Kreis einheitlich gepflegt und unterhalten.

Das Projekt TRIANGEL setzt dies mit neuen Elementen fort. Es wird gemeinschaftlich vom Kreis und von den sechs oben genannten Kommunen getragen und umgesetzt. Im Rahmen des Förderaufrufs „Klimaschutz durch Radverkehr“ des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit stellten sich die Projektpartner zunächst einem bundesweiten Wettbewerb. Nach positiver Rückmeldung reichte der Kreis als Lead-Partner Ende 2018 den Förderantrag in einem Gesamtvolumen von 6,5 Mio. Euro ein. Den Eigenanteil in Höhe von 30 Prozent der zuwendungsfähigen Gesamtkosten teilen sich Kreis und Kommunen jeweils zur Hälfte. Mit Erhalt des Zuwendungsbescheids Ende 2019 läuft die insgesamt auf drei Jahre festgelegte Umsetzungsfrist.

Flankierende Maßnahmen
Ergänzt durch flankierende Maßnahmen wie der fahrradfreundliche Neubau des Zentralen Omnibus-Bahnhofs in Wettringen, die Ergänzung von Radabstellanlagen am Bahnhof Burgsteinfurt, der Neubau einer Fuß- und Radwegeunterführung sowie ein fahrradfreundlicher Umbau innerörtlicher Straßen in Rheine, der Neubau und die Instandsetzung von Schutzhütten entlang der Trasse sowie der geplante Anschluss der TRIANGEL an den Fietsensnellweg F 35 in der Region Twente sowie an die Velorouten der Stadtregion Münster und des Münsterlandes entsteht mit der TRIANGEL eine neuartige Radverkehrsinfrastruktur, die beispielgebend sein wird für weitere Projekte zur Förderung des schnellen Radverkehrs und des Klimaschutzes im Kreis Steinfurt.

Reinhard Pries
Quelle: Kreis Steinfurt
Udo Schneiders