Digitalisierung im Kreisverbund
„Digitalisierung macht einsam“ lautet ein häufiger Tenor, wenn über dieses Thema diskutiert wird. Für den Kreis Coesfeld ist genau das Gegenteil der Fall: Bereits 2019 haben sich Landrat Dr. Christian Schulze Pellengahr und die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister entschieden, das Thema Digitalisierung aktiv zu gestalten anstatt es passieren zu lassen und zum anderen diese umfassende Transformation gemeinsam im Kreisverbund anzugehen. Dieses Vorgehen wurde zuletzt auch vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW als „nachahmenswert und ideenreich“ befunden und 2022 mit dem „Landespreis für innovative interkommunale Zusammenarbeit“ ausgezeichnet.
Digitalisierungsstrategie
In mehreren Workshops identifizierten und priorisierten zunächst Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gemeinsam mit dem Landrat und später auch Fachexperten und kommunalen Vertretenden die wichtigsten Themenfelder, aber auch die Potentiale für deren Digitalisierung. Im Anschluss entwickelten die Akteure passgenaue Projektideen und Maßnahmen. Alle diese Erkenntnisse und Ergebnisse sind dann in der Digitalisierungsstrategie des Kreises Coesfeld zusammengeflossen, welche 2021 von allen Stadt- und Gemeinderäten verabschiedet worden ist.
Digitalagentur
Städte, Gemeinden und der Kreis Coesfeld gründeten im April 2022 die Digitalagentur.
Quelle: Kreis Coesfeld
Nach Erreichen dieses Meilensteins waren sich alle Beteiligten einig, dass das gemeinsame Vorgehen hier nicht enden sollte, sondern auch die Umsetzung zusammen angegangen werden sollte. Angesichts der begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen bestand ein großer Wunsch danach, Synergien zu nutzen, gegenseitig von den Erfahrungen zu profitieren und Ergebnisse und Erfolge zu teilen.
Um diesem Entschluss auch einen formellen Rahmen zu verleihen, gründeten die Städte, Gemeinden und der Kreis im April 2022 die Digitalagentur – als sogenannte virtuelle Organisation. Alle Beteiligten bleiben formal in ihren Organisationen verankert, bringen aber einen gewissen Anteil ihrer Arbeitszeit in die Digitalagentur ein. Als operative Ebene der Digitalagentur hat jede Kommune einen Digitalisierungsbeauftragten benannt. Ergänzt wird diese Runde durch Vertretende relevanter Arbeitskreise oder Digitalisierungsprojekte. Für strategische Entscheidungen kommt bei Bedarf ein Lenkungskreis zusammen, der aus den Hauptverwaltungsbeamten im Kreis besteht.
Die Ziele der Digitalagentur sind vor allem ein koordiniertes Vorgehen innerhalb des Kreisgebietes, die Vernetzung von Kontakten, Erfahrung und Wissen innerhalb und außerhalb der Digitalagentur, aber auch die Bündelung der personellen und finanziellen Ressourcen. Außerdem möchte die Agentur im Außenauftritt Strahlkraft sowohl für den Kreis Coesfeld als auch für das Thema Digitalisierung erzeugen.
Hierbei steht die Umsetzung der Strategieprojekte ganz oben auf der Agenda. Durch den Austausch und die Arbeitsteilung über Stadt- und Gemeindegrenzen hinweg entsteht hier ein großer Mehrwert. Gleiches gilt für die Zusammenarbeit im Bereich Außenkommunikation. Im großen Verbund wird man eher gehört und kann auch größere Ideen und übergreifende Themen umsetzen, die für einzelne Kommunen deutlich schwieriger zu stemmen sind. Darüber hinaus stehen die Aspekte Technologie-Scouting und Fördermittelakquise im Mittelpunkt des interkommunalen Austausches.
Nicht zuletzt wird durch die Digitalagentur auch die stetige Weiterentwicklung der Strategie sichergestellt. Bei einer solch dynamischen Entwicklung, wie sie im Zuge der Digitalisierung geschieht, bedarf es ständiger Überprüfung des Status Quo und einer konsequenten Anpassung an sich ändernde Bedarfe und Gegebenheiten. Ideen, die vor zwei Jahren passend waren, haben heute möglicherweise keinen Bestand mehr. Über die kommunalen Vertretenden sind auch die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger repräsentiert, so dass die Digitalisierung nicht zum Selbstzweck gerät.
Anlässlich der Digitalisierungskonferenz im November 2022 wurde der Fachöffentlichkeit die Idee der Digitalagentur vorgestellt.
Quelle: Kreis Coesfeld
Um die Fachöffentlichkeit im Kreisgebiet in Sachen Digitalisierungsvorhaben mit auf die Reise zu nehmen, fand im November 2022 die erste Digitalisierungskonferenz statt. Stakeholder aus Vereinen, Verbänden, Bildung und Politik erhielten einen Einblick in den bisherigen Prozess der Strategieentwicklung und die Idee hinter der Digitalagentur. Ein Markt der Möglichkeiten bot eine Bühne für jene Projekte, die sich bereits in der Umsetzung befinden, so dass erste Erfolge sichtbar wurden. World Cafés zu Schwerpunktthemen, wie New Work und Verwaltungsdigitalisierung, fingen das Stimmungsbild der Teilnehmenden ein und regten zu Diskussionen unter den Interessierten an. Der wichtigste Appell des Tages war aber die Aufforderung zur Mitarbeit: Jede und jeder im Kreisgebiet ist eingeladen, Ideen beizutragen, sich mit Neugierde und Experimentierfreude aktiv zu einbringen und Teil der Digitalisierung im Kreis Coesfeld zu sein.
Aktuelle Projekte
LoReNa
Lokal-Regional-Nachhaltig für die Region.
Quelle: Kreis Coesfeld
LoReNa steht für Lokal-Regional-Nachhaltig und beschreibt ein interkommunales Projekt, welches neun Kommunen aus den Kreisen Coesfeld und Warendorf umfasst. Das Projekt möchte die Einzelhändler, Dienstleister und Direktvermarkter befähigen, ihren stationären Betrieb online zu präsentieren und ihre Waren in einem regionalen Online-Shop zu vertreiben. Der Kundschaft wird die Möglichkeit geboten, regionale Produkte gebündelt online einzukaufen. Das stärkt die heimische Wirtschaft und spart lange Anfahrtswege.
BüLaMo
NRW-Verkehrsminister Oliver Kischer mit den Beteiligten aus dem Kreis Coesfeld, der Gemeinde Senden und dem kommit-Projekt.
Quelle: Kreis Coesfeld
Das BüLaMo ist ein Experimentierraum („Labor“) für Mobilität im ländlichen Raum, bei dem das aktive Einbringen und Mitwirken der Bürgerinnen und Bürger ausdrücklich erwünscht ist. Hier sollen Mobilitätskonzepte getestet, optimiert und bei Erfolg mit anderen Kommunen geteilt werden.
Mit Hilfe der eigens geschaffenen Mobilitätsmarke „kommit - NEU LAND ERFAHREN“ will das Projekt eine ganzheitliche, attraktive und klimafreundliche ÖV-Alternative zum privaten PKW entwickeln. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Gemeinde Senden, wo eine neu eingeführte Expressbuslinie mit flexiblen On-Demand- und Sharing-Lösungen kombiniert und eine Mobilstation zur Steigerung des Warte- und Umsteigekomforts errichtet wird. Das Buchen und Bezahlen einer multimodalen Wegekette soll komfortabel in nur einer App („Mobility as a Service“) möglich werden.
Crossiety
Die Gemeinde Havixbeck hat ihren Dorfplatz in die digitale Welt verlegt. Mit Crossiety hat sie eine vertrauenswürdige lokale Kommunikationsplattform für ihre Kommune geschaffen, auf der sich die Nutzerinnen und Nutzer informieren, vernetzen, organisieren, engagieren und miteinander in Kontakt treten können. Das Leistungsspektrum der App reicht von einem allumfassenden Veranstaltungskalender, über einen Messenger-Dienst bis hin zu einer Art Ebay-Kleinanzeigen – und bietet dabei deutlich mehr Sicherheit durch eine eindeutige Registrierung und sichere Server in der Schweiz.
Lastenradsharing
Im ländlichen Raum greifen die Menschen zur Fortbewegung weitestgehend auf den motorisierten Individualverkehr zurück. Diesem Phänomen möchte man im Kreis Coesfeld unter anderem mit Sharing-Angeboten entgegenwirken: Gemeinschaftliche Nutzung als Alternative zum eigenen Fahrzeug ist hier das Stichwort.
Die Gemeinde Nordkirchen trägt mit einer Lastenradbox dazu bei, dass zukünftig mehr Fahrten mit dem Fahrrad statt mit dem Auto erledigt werden können. Das neue E-Lastenrad wird per Smartphone-App ausgeliehen und kann auch hierüber gebucht und bezahlt werden. Auch der Öffnungs- und Schließmechanismus der Box wird über die App gesteuert. Aufgeladen wird der Akku des Fahrrads mit umweltfreundlichem Solarstrom, der mit einem Photovoltaik-Panel auf der Metallbox gewonnen wird.
Coworking
Coworking-Space ExtraGleis im Zugwaggon neben dem Bahnhof in Billerbeck
Quelle: Kreis Coesfeld
Im Kreis Coesfeld machen sich werktäglich rund 68.000 Berufstätige innerhalb des Kreisgebiets zu ihren Arbeitsplätzen auf, rund 55.000 verlassen dazu das Kreisgebiet. Gleichzeitig haben die Unternehmen einen hohen Bedarf an Fach- und Nachwuchskräften. Daher soll für die Zielgruppe der Pendlerinnen und Pendler und für weitere mobil Arbeitende ein nutzerzentrierter digitaler Dienst entwickelt werden, der mehr mobiles Arbeiten und Co-Working ermöglicht – und neue nachhaltige und digitalgestützte Arbeitskulturen etabliert. Ermöglicht wird dies durch eine Förderung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft im Rahmen des Projektes Smarte.Land.Regionen.
Ausblick
Auch für 2023 hat sich der Kreis viel vorgenommen. Mit einer internen Seminarreihe sollen die Kompetenzen im Bereich Digitalisierungsprojekte weiter aufgebaut werden, bei den Mitarbeitenden die Grundlage für die erfolgreiche Umsetzung zu schaffen – und gerade jenen Kolleginnen und Kollegen, die sich erst seit kurzem mit diesem Themenbereich befassen, ein breites Wissensspektrum und somit wichtiges Handwerkszeug mit auf den Weg zu geben.
Gleichzeitig soll die Öffentlichkeitsarbeit ausgeweitet werden, um auch Bürgerinnen und Bürger an den Aktivitäten teilhaben zu lassen, Hemmschwellen gegenüber digitalen Lösungen abzubauen und Digitalisierung für sie konkret anfassbar zu machen.
Auch das Schwerpunktthema Coworking soll in Anlehnung an eine kürzlich vorgenommene Bedarfsabfrage noch bekannter und präsenter gemacht werden.
Helena Mense Oliveira
Quelle: Kreis Coesfeld