Digitalisierung der Schulen in Trägerschaft des Kreises Borken am Beispiel der Neumühlenschule
Ab dem Schuljahr 2022/23 wird der Unterricht für die rund 160 Schülerinnen und Schüler der Neumühlenschule – Förderschule des Kreises Borken mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung – in Borken komplett digital angeboten. Über den DigitalPakt Schule wurden überdies alle Schulen in Trägerschaft des Kreises Borken – 6 Berufskollegs und 5 Förderschulen ausgestattet. Insgesamt standen hierfür rund 5,4 Mio. € Fördermittel zur Verfügung. U.a. wurden in den vergangenen zwei Jahren insgesamt rund 475 Unterrichtsräume mit digitaler Technik ausgestattet und werden unterrichtlich genutzt. Am Beispiel der Neumühlenschulen wird nachstehend der Prozess der Digitalisierung der Schulen beschrieben.
Startvoraussetzungen im Kreis Borken
Schon vor der Auflage der Förderprogramme war die Digitalisierung der Schulen ein ständiges Thema im Kreis Borken. Vor allem die kreiseigenen Berufskollegs haben schon frühzeitig entsprechende Ausstattungsbedarfe formuliert. Sie waren bereits vollständig ans Glasfasernetz angebunden und verfügten über schulische WLAN. Aufgrund der guten Erfahrungen in diesem Schulsystem war schnell klar, dass die Digitalisierung auch für Förderschulen eine sinnvolle Weiterentwicklung des Unterrichts darstellt. Daher wurden überall dort, wo Glasfasernetze ausgebaut wurden, auch die Förderschulen angeschlossen.
Enger Austausch mit den Schulen
Der Schulträger arbeitete zu diesem Zeitpunkt bereits mit den Schulleitungen und IT-Verantwortlichen der Schulen, der IT-Abteilung des Kreises sowie dem kommunal beschäftigten Medienpädagogen des Medienzentrums in einer „AG Digitalisierung“ eng zusammen. Aufgrund der unterschiedlichen pädagogischen Anforderungen wurde jeweils eine Arbeitsgruppe für die Berufskollegs und eine für die Förderschulen gegründet. Diese Gremien haben sich bis heute als festes Arbeitsinstrument erhalten. Dabei bereitet die AG Digitalisierung jeweils die Entscheidungen vor. Die eigentlichen Entscheidungen werden im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Dienstbesprechungen der Schulleitungen mit dem Schulträger gemeinsam getroffen. Daher können die Schulleitungen auch frei entscheiden, ob sie selbst aktiv in der AG Digitalisierung mitwirken wollen oder die Schule durch IT-affine Lehrkräfte vertreten lassen. Die Mitgliederzahl je Schule ist auf zwei Personen begrenzt, damit das Gremien arbeitsfähig bleibt.
Vereinbarung gemeinsamer Ausstattungsstandards
Mit Blick auf die Beschaffung und Wiederbeschaffung – vor allem aber auf Wartung und Support – bedeutet Digitalisierung aus Sicht des Schulträgers Kreis Borken im Wesentlichen Standardisierung, wobei dabei die Qualitätsanforderungen der Schule berücksichtigt werden müssen. Vor diesem Hintergrund wurden in einem dialogischen Prozess gemeinsam mit allen Beteiligten die digitalen Bedarfe der Schulen ermittelt und verbindliche gemeinsame Standards festgelegt. Dieser Prozess wurde konsequent „von außen nach innen“ gedacht. Konkret bedeutet das: zunächst die Glasfaseranbindung der Schulgebäude, anschließender Aufbau eines flächendeckendes WLAN in der Schule, einheitliche digitale Ausstattung der Unterrichtsräume und schließlich einheitliche Schüler- und Lehrerendgeräte.
Um möglichst große Synergien beim Thema Fortbildung der Lehrkräfte und Support zu erreichen, sind auch einheitliche Software-Standards, wenn möglich, sinnvoll. So haben sich die Schulen z.B. auf eine gemeinsame Schulverwaltungssoftware verständigt.
Insgesamt erfolgten die Festlegungen nach der Prämisse „Technik folgt Pädagogik“. Im Ergebnis unterscheidet sich die technische Ausstattung der Berufskollegs deutlich von der der Förderschulen. Ein Abweichen von der Standardausstattung ist nur aus zwingenden pädagogischen Gründen aufgrund der Anforderungen des Bildungsganges oder des Förderschwerpunktes möglich und von der Schule zu begründen.
Entwicklung eines Musterklassenraums
Als entscheidender Faktor dieses Prozesses wurde ein sog. Musterklassenraum für alle Förderschulen entwickelt, der die besonderen pädagogischen Bedarfe von Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf berücksichtigt. Ohne Unterstützung des kommunalen Medienzentrums wäre die Entwicklung des Musterklassenraums kaum umsetzbar gewesen. Die gemeinsame Erarbeitung des Ausstattungskonzeptes mit den Förderschulen als künftigen Nutzern war sehr konstruktiv und notwendig für die Akzeptanz durch die Lehrkräfte.
Schematische Darstellung des Musterklassenraums einer Förderschule.
Quelle: Kreis Borken
Die Ausstattung für den Musterklassenraum an einer Förderschule wurde wie folgt vereinbart:
- Jeder unterrichtlich genutzte Raum wird im Frontbereich mit einem höhenverstellbaren aktiven Display (i.d.R. 86 Zoll) und mit einem höhenverstellbaren Whiteboard ausgestattet.
- Aufgrund der hohen Anforderungen an eine barrierearme Ausstattung wird als Interaktionsgerät und als mobile und flexible Dokumentenkamera ein raumgebundenes iPad mit Halterung vorgesehen.
- Für die Einbindungen von mobilen Endgeräten wird ebenfalls im Frontbereich ein AirServer angebracht.
- Jeder Unterrichtsraum verfügt über WLAN und zudem über mindestens zwei LAN-Ports im Tafelbereich.
- Für jeden Unterrichtsraum sind mindestens 6 Steckdosen vorzusehen. Diese befinden sich im Frontbereich und einer weiteren Seite des Raumes.
- Als Arbeitsgerät für die Lehrkräfte wird am Display ein Windows PC (incl. Tastatur und Maus) angeschlossen.
- Im Falle einer sehr ungünstigen Raumakustik kann für die Audiowiedergabe zusätzlich eine Soundbar unter dem Display angebracht werden.
Umsetzung des Musterklassenraums
Vor einer flächendeckenden Ausstattung aller Förderschulen in Trägerschaft des Kreises wurde vorab ein Klassenraum an der Neumühlenschule in Borken nach dem Musterklassenraumkonzept eingerichtet und durch Lehrkräfte im Unterrichtsalltag intensiv getestet. Diese Testphase wurde sowohl durch den Medienpädagogen des Kreises als Ansprechpartner für alle pädagogisch-didaktischen Fragen als auch durch die IT-Abteilung des Kreises für alle technischen Fragen begleitet. Erst nach erfolgreicher Probephase wurde der Antrag für den DigitialPakt gestellt. Insgesamt wurden knapp 560.000 € aus dem DigitalPakt für die Musterklassenräume der Förderschulen bewilligt. Hiervon entfallen 123.000 € auf die Ausstattung der Klassenräume der Neumühlenschule.
Touch-Display im Unterricht an der Neumühlenschule
Quelle: Neumühlenschule Borken
Ursprünglich war vorgesehen, dass die Musterklassenräume zum Beginn des zweiten Schulhalbjahres 2021/22 ausgestattet werden sollten. Dieser Zeitplan war aufgrund der allgemeinen Lieferschwierigkeiten nicht zu halten. Der Einbau der digitalen Klassenraumtechnik erfolgte dann in den Osterferien 2022. Nach den Ferien stand der digitale Klasseraum an allen Förderschulstandorten für den Unterrichtsbetrieb vollständig zu Verfügung.
Die Einführung der neuen Technik wurde durch den Schulträger – konkreten durch den kommunal beschäftigten Medienpädagogen – intensiv begleitet. An jedem Schulstandort wurden für das Kollegium Einführungsschulungen zum Umgang mit der neuen Technik durchgeführt. Die Lehrkräfte sollten sich den sicheren Umgang mit den neuen Medien innerhalb der Schulteams praktisch erarbeiten können und für den Unterrichtsalltag Sicherheit erhalten. Ergänzend wurden durch das Medienzentrum für eine Vielzahl Anwendungen Tutorials erstellt und den Schulen zur Verfügung gestellt. Damit kann jeder Einzelne bei Bedarf die verschiedenen Möglichkeiten der Technik für sich wiederholen und auffrischen.
Die Zeit zwischen den Oster- und Sommerferien 2022 wurde von den Schulen bewusst genutzt, sich mit den Geräten vertraut zu machen und die verschiedenen Funktionen auszuprobieren. Die bisherige Klassenraumausstattung wurde vollständig entfernt – dies hatte zur Folge, dass die Lehrkräfte keine Ausweichmöglichkeiten hatten und somit die neue Technik anwenden mussten.
Schülerendgeräte
Daneben wurden die Schülerinnen und Schüler der Förderschulen vollständig mit digitalen schulgebundenen Endgeräten, größtenteils finanziert aus den Fördermitteln des Landes, ausgestattet. Zu Beginn des Schuljahres 2022/23 steht für jeden der rund 650 Schülerinnen und Schüler der Förderschulen ein digitales Endgerät zur Verfügung
Intuitive Bedienung: Schreiben mit den Fingern auf dem Display
Quelle: Neumühlenschule Borken
Aus pädagogischen Gründen wurden alle Schülerinnen und Schüler der Förderschulen mit iPads ausgestattet. Insbesondere die intuitive Bedienung der Geräte spielte bei dieser Entscheidung eine Rolle. Diese Eigenschaft ermöglicht den Kindern mit unterschiedlichen Förderbedarfen eine einfache Nutzung in der Schule. Die iPads werden zentral durch den Schulträger gehostet und stehen in seinem Eigentum. Die Geräte werden den Schülerinnen und Schüler leihweise zur Verfügung gestellt und müssen bei Verlassen der Schule zurückgegeben werden.
Natürlich können die iPads beim Gebrauch auch beschädigt werden. Um die Schäden so gering wie möglich zu halten, wurden von vornherein auch Schutzhüllen beschafft. Nach den bisherigen Erfahrungen mit den Klassensätzen hält sich die Anzahl der Schadensfälle selbst bei den teilweise schwerstmehrfach behinderten Schülerinnen und Schüler der Neumühlenschule sehr in Grenzen. Die Schäden konnten häufig leicht repariert werden. Bislang waren nur einzelne Geräte nicht mehr gerettet werden. Daher wurde bisher auch auf eine teure Geräteversicherung verzichtet.
Lehrerendgeräte
Auch die Lehrkräfte wurden mit individuellen schulgebundenen Lehrerendgeräten ausgestattet. Dabei wurde Wert daraufgelegt, dass damit ein vollwertiger Arbeitsplatz eingerichtet ist. Die Lehrerinnen und Lehrer können auf den mobilen Endgeräten sowohl ihre Unterrichtsvor- und -nachbereitung als auch alle Schulverwaltungsaufgaben erledigen. Es wird ausschließlich auf der Serverumgebung der Schulen gearbeitet. Es handelt sich um rein dienstliche Geräte, die im Eigentum des Schulträgers verbleiben. Verlässt eine Lehrkraft die Schule, ist das Endgerät zurückzugeben. Jede private Nutzung ist untersagt. Die Schulleitungen haben eine entsprechende Dienstanweisung erlassen. Durch diese Regelung ist den Themen Datenschutz und Datensicherheit Rechnung getragen.
Für alle Lehrkräfte an den Förderschulen und Berufskollegs in Trägerschaft des Kreises Borken wurden einheitliche windowsbasierte Convertible beschafft. Diese Geräte verbinden die Vorteile eines touchfähigen Tablets mit der Rechnerleistung eines Notebooks.
Die Convertibles können im Unterricht mit der Präsentationstechnik des Klassenraumes verbunden werden. Die Lehrkräfte können alternativ auch über den Windows-Rechner des Tafelsystems auf ihre Dateien auf dem Schulserver zugreifen. Die Ausstattung bietet also maximale Flexibilität.
Fazit
Der DigitalPakt kam für den Kreis Borken zu einem Zeitpunkt, zu dem er sich bereits selbst aktiv auf den Weg zur Digitalisierung der Schulen gemacht hatte und so auf die schon vorhandenen Strukturen gut zurückgreifen konnte. Die Fördermittel haben diese Entwicklung beschleunigt und vor allem die Finanzierung des Vorhabens in so kurzer Zeit überhaupt erst ermöglicht.
Diese Herausforderung war nur durch eine enge und konstruktive Beteiligung aller Akteure möglich, die ausgehend von den pädagogischen Bedarfen der Schulen die passende technische Lösung gemeinsam erarbeitet haben. Das erfordert jedoch neben der normalen Arbeit in Schule und beim Schulträger viele unterschiedliche Abstimmungsprozesse, die über den Schulalltag Zeit kosten.
Im Ergebnis hat das zu großer flächendeckender Akzeptanz in den Kollegien in allen Schulen geführt. Die engmaschige Begleitung der Lehrerinnen und Lehrer beim „Vertraut machen“ mit der neuen Technik hat ebenfalls dazu beigetragen. Die Rückmeldungen aus den Schulen sind bislang sehr gut.
Aus Sicht des Kreises wie aus Sicht der Förderschulen und der Schulleitungen ist die Digitalisierung gut gelungen. Erst einmal! Denn es ist klar, dass nach dem erfolgreichen Start die Weiterentwicklung gut im Auge behalten werden muss.
Norbert Göcke
Quelle: Kreis Borken