Die Almerenaturierung – Wiederherstellung einer naturnahen Aue an einem außergewöhnlichen Fluss
Das Flüsschen Alme ist längster Zufluss der oberen Lippe und entspringt in der gleichnamigen Ortschaft im Stadtgebiet von Brilon am Nordrand des Sauerlandes. Zahlreiche Quellen lassen die Alme gleich zu Beginn zu einem stattlichen Bach anschwellen, von wo aus sie anfangs durch die waldreiche Region des nördlichen Sauerlandes, später im Bereich der Stadt Büren dann durch die Kalklandschaft der Paderborner Hochfläche nach Norden an Paderborn vorbeifließt. Nach knapp 60 Kilometern mündet sie im Osten des Westfälischen Tieflands in die Lippe.
Außergewöhnlich ist ein rund 20 Kilometer langer Abschnitt zwischen Büren und Paderborn, in dem die Alme im Sommer trockenfällt. Grund dafür ist der zerklüftete Kreidekalk im Untergrund, in dem das Oberflächenwasser versickert und unterirdisch nach Norden strömt. Entlang der Hellwegbörde tritt es dann in stark schüttenden Quellen wie die der Heder bei Salzkotten wieder zu Tage.
Die abwechslungsreiche Kulturlandschaft des Almetals ist von hoher Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz und erfüllt zudem eine wichtige Funktion im Biotopverbund zwischen Mittelgebirge und Tiefland.
Auch die Alme wird seit Jahrhunderten vom Menschen genutzt und dafür vielerorts in ihrem Lauf verändert. Neben zahlreichen Wassermühlen hat die Auenkultivierung durch Flößwiesensysteme besonders im Oberlauf zur Verlegung, Begradigung und Eintiefung des Gewässerlaufs geführt. Sedimentfracht aus Ackergebieten hat zudem zur Bildung von Lehmdecken über dem ursprünglichen, von Schotter und Kies geprägten Auenboden geführt. Folge dieser Entwicklung war ein Verlust natürlicher, von regelmäßigen kleineren Überflutungen geprägten Auenbiotope einerseits, eine erhöhte Hochwassergefahr für anliegende Ortschaften bei großen Abflussmengen andererseits.
Bei Hochwasser kommt es jetzt wieder zu breiten Überflutungen, was ökologisch bereichernd ist und für die unterhalb gelegenen Ortschaften einen Beitrag zum Hochwasserschutz bedeutet.
Quelle: WOL
Eine Kooperation verschiedener Akteure vor Ort hat es sich gemeinsam mit der NRW-Stiftung zur Aufgaben gemacht, der Alme in ihrer Aue wieder mehr Platz zu geben und damit einen starken Beitrag zu Naturschutz und Hochwasserschutz zu leisten.
Das Projekt
Auf Initiative des örtlichen Naturschutzvereins ‚Gemeinschaft für Naturschutz im Bürener Land e.V.‘ (GfN) begann die Nordrhein-Westfalen-Stiftung vor rund 20 Jahren mit ihrem Engagement für das Almetal. Zunächst auf den Oberlauf beschränkt konnten große Flächen erworben und dem Zwecke des Naturschutzes zugeführt werden. Mit dem Wasserverband obere Lippe (WOL) kam früh ein Projektpartner hinzu, der als kommunaler Verband der Kreise Soest und Paderborn das Ziel hat, Hochwasserschutz und Gewässerrenaturierung im Einklang konkret umzusetzen.
Ermutigt durch erste Erfolge wurde das Projekt ausgeweitet und ist heute auf die Almeaue ausgedehnt. Mit der Einbindung der Biologischen Station Kreis-Paderborn-Senne e.V. sind die Möglichkeiten zur Betreuung der Flächen und zur fachlichen Begleitung von Maßnahmen ausgeweitet worden.
Die erste große Maßnahme
Ein Pappelbestand wird nach der Maßnahme bei höheren Wasserständen flächig durchströmt.
Quelle: WOL
Als erste zentrale Maßnahme wurde zwischen 2017 und 2022 auf einer 40 ha großen, von der NRW-Stiftung erworbenen Fläche bei Büren-Harth nach umfangreicher Planung die Renaturierung eines 2,4 km langen Gewässerabschnitts umgesetzt. Hier war die Alme streckenweise begradigt und die Aue war von Gräben des ehemaligen Flößwiesensystems und von Drainagerohren durchzogen. Das eingetiefte Flussbett ließ kaum Überflutungen zu, sonstige Gewässerbiotope gab es in diesem Auenabschnitt kaum. Die Artenvielfalt der Grünlandflächen war durch frühere Intensivnutzung recht gering.
Unterstützt durch Fördermittel des Landes NRW und des Kreises Paderborn konnte die Renaturierung dieses Teilstücks vom WOL geplant und umgesetzt werden. Wesentliches Ziel war dabei die Anhebung des Gewässerbetts der Alme, um wieder ein von der Gewässserdynamik bestimmtes Wechselspiel mit der gesamten Aue zu initiieren. Zugleich sollte die Alme selbst wieder in einen naturnahen Zustand mit einem abwechslungsreichen Gerinne und einem von Schotter geprägten Bett versetzt werden. So entstand ein umfangreiches Maßnahmenpaket:
- Auf großer Strecke wurde ein neues, flaches Gerinne angelegt und die Lauflänge mit jetzt 4,4 km fast verdoppelt,
- das neue Gerinne wurde stark gewunden angelegt, um die Strömungsgeschwindigkeit zu reduzieren. Zur Unterstützung wurden Baumstämme als Strömungshindernisse eingebaut,
- Kies und Schotter wurden dem alten Bachbett entnommen und in das neue Gerinne eingebaut,
- Flutmulden und Stillgewässer wurden in die Aue modelliert und an die dynamischen Wasserstände mit häufigen Überflutungen gekoppelt,
- eingebaute Elemente zur Entwässerung wie Gräben und Drainagerohre wurden gezielt verschlossen oder zurückgebaut, um die natürlichen Wasserstände im Gebiet wiederherzustellen,
- die Nutzung der Grünland- und Waldflächen in diesem Abschnitt wird aktuell einer ganzjährigen extensiven Beweidung zugeführt, um den Landschaftscharakter der Aue zu sichern und die biologische Vielfalt zu erhöhen.
In der Gesamtheit ergeben sich durch diese Maßnahme wichtige positive Effekte sowohl für den Natur- und Gewässerschutz wie auch für den Hochwasserschutz unterhalb gelegener Ortschaften.
Die entstandene Kooperation wird in den kommenden Jahren zu weiteren ähnlichen Maßnahmen an anderen Abschnitten des Almetals führen. Mehrere Planungen zur Renaturierung laufen bereits. So wird mittelfristig ein landesweit bedeutsamer Talraum ökologisch aufgewertet und zu einem Leuchtturmprojekt mit Strahlkraft über die Region hinaus.
Karsten Schnell
Quelle: Privat