Demokratieförderung im Kreis Coesfeld – Markt der Möglichkeiten
Gesundheit und Wohlbefinden sowie wirtschaftliche Sicherheit sind gute Voraussetzungen für die Verbreitung eines demokratischen Selbstverständnisses. In diesen Belangen verfügt der Kreis Coesfeld über ausgezeichnete Bedingungen. Die Akteure in der Region sind sich dennoch dessen bewusst, dass sich hieraus keine Selbstverständlichkeit ergibt. Die jüngsten Wahlergebnisse und auch die abnehmende Beteiligung an Wahlen in Deutschland geben Anlass zur Sorge und Grund zum Handeln. Auf die allgemeine „Entfremdung“ von demokratischen Grundwerten einerseits, aber ebenso auf eine „außerparlamentarisch“ politische Mobilisierung andererseits (Fridays vor Future) gilt es zu reagieren. Dabei liegt hierfür kein Patentrezept vor, denn eine effektive Demokratiebildung muss gesellschaftliche, lokale und regionale Gegebenheiten berücksichtigen und auf Veränderungen flexibel reagieren. Dieser Herausforderung begegnen Akteure unterschiedlicher Profession mit einem facettenreichen Angebot – einem Markt der Möglichkeiten der Demokratiebildung.
Eine Demokratiebildung, die sich an Bürgerinnen und Bürger richtet, kann nur wirksam sein, wenn sie diese in die Gestaltung aktiv miteinbezieht und bereits frühzeitig in der Lebensbiografie beginnt. In diesem Sinne entstand im Sommer 2017 die Gemeinschaftsausstellung „Demokraten für den Frieden“, in der sich Bürgerinnen und Bürger der Gemeinden im Kreis Coesfeld mit einem klaren Bekenntnis zur Demokratie haben abbilden lassen (vgl. EILDIENST LKT NRW Nr. 2/Februar 2019, S. 115ff).
Exponat der Gemeinschaftsausstellung „Demokraten für den Frieden“.
Quelle: Kreis Coesfeld
Chancen- und Bildungskonferenzen zu Demokratiebildung
Politische Bildung ist die Grundlage dafür, dass Mitbürgerinnen und Mitbürger selbst aktiv an politischen Entscheidungen mitwirken können. Gleich zwei Chancen- und Bildungskonferenzen des Netzwerks Chancengerechtigkeit gaben dazu im Dezember 2023 und im Juni 2024 Gelegenheit und luden die Teilnehmenden dazu ein, sich in spannenden Fachvorträgen zu informieren, in Workshops auszuprobieren und in einen gemeinsamen Austausch zu kommen. Im Dezember 2023 stand die Frage im Mittelpunkt, wie politische Partizipation entlang der Bildungskette gelingen kann. Im Rahmen des Markts der Möglichkeiten konnten sich die Teilnehmenden von Praxisbeispielen inspirieren lassen und mit lokalen Akteuren ins Gespräch kommen. Unter anderem präsentierten Schülerinnen und Schüler der Hermann-Leeser-Schule Dülmen ihr Projekt „Spuren des Krieges im Nahraum der Schule“, zudem wurden Bilder, Fotos und Videos präsentiert, die Kinder und Jugendliche im Rahmen eines Wettbewerbs zum Thema Kinderrechte gestaltet hatten.
Auf der darauffolgenden Bildungs- und Chancenkonferenz „75 Jahre Grundgesetz – geglückt, aber nicht garantiert“ kam die lokale Politik zu Wort. Landrat Dr. Christian Schulze Pellengahr machte deutlich, dass demokratische Prozesse die Beteiligten immer wieder vor Herausforderungen stellen. Gegensätzliche Meinungen müssen ausgehalten sowie Kompromisse geschlossen werden. Schülerinnen und Schüler der Ostwallschule und des Oswald-von-Nell-Breuning-Berufskollegs zeigten eindrucksvoll, dass politisches Engagement bereits in jungen Jahren lohnenswert ist.
Beide Chancen- und Bildungskonferenzen wurden durch das NRW-Landesprogramm #GemeinsamMehrWert unterstützt, das insbesondere politische Bildung, Demokratiebildung sowie Wertevermittlung in den Blick nimmt.
Demokratiebildung im Kontext einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)
Im Kontext Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) arbeitet das Regionale Bildungsbüro Kreis Coesfeld insbesondere an der Umsetzung des Ziels 16 „Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen“, eines der 17 Nachhaltigkeitsziele, auf die sich die Weltgemeinschaft mit der Agenda 2020 verständigt hat. Das Regionale Bildungsbüro koordiniert auf Kreisebene unter anderem zwei Landesprogramme, die Demokratiebildung für die Kindertageseinrichtungen und Schulgemeinden fördern – Stiftung Kinder forschen und Medienscouts NRW. Die Angebote der Stiftung Kinder forschen umfassen verschiedene Workshops für pädagogische Fach- und Lehrkräfte aus Kindertageseinrichtungen und Grundschulen. Das Landesprogramm Medienscouts NRW richtet sich an Schülerinnen und Schüler und bildet diese in einem Peer-to-Peer-Ansatz aus, um beispielsweise Fake News und Hate speech professionell zu begegnen.
Partnerschaften und Netzwerke sind nicht nur unerlässlich zum Erreichen der Ziele, sondern ihre Errichtung ist selbst eines der Nachhaltigkeitsziele (Ziel 17). Mit der Vernetzung von lokalen Akteuren und Bildungseinrichtungen und der Bereitstellung von Informationen trägt das Regionale Bildungsnetzwerk maßgeblich zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele in der Region bei. Eine wichtige Aufgabe hierbei ist es, die zahlreichen guten Beispiele, die es in den Kindertageseinrichtungen und Schulen des Kreises gibt, sichtbar zu machen und Kontakte herzustellen.
BNE-Tage sensibilisieren Kinder und Jugendliche für die Nachhaltigkeitsziele.
Quelle: Kreis Coesfeld
In diesem Zusammenhang ergibt sich ein breites Spektrum bereits bestehender unterschiedlicher Maßnahmen, wie zum Beispiel die Gestaltung des BNE-Tages, das Schulprojekt „Spuren des Kriege im Nahraum der Schule“, aber auch Partizipationsprojekte wie „FREI DAY“ oder „aula“. Das Netzwerk und die Verbreitung von guter Praxis sind Basis für die Entwicklung weiterer Maßnahmen und deren weitere Verbreitung in die Fläche.
An den drei kreiseigenen Berufskollegs nehmen die Themen rund um die Demokratiebildung schon traditionell einen breiten Raum ein. Stichpunktartig zu nennen sind hier z.B. Kampagnen zu anstehenden Wahlen, interkulturelle Trainings für Schülerschaft und Lehrpersonal, Zeitzeugenbesuche, Planspiel Demokratie, Besuche von Gedenkstätten.
Was unternimmt der Kreis Coesfeld gegen Alltagsrassismus und zur Förderung des Demokratieverständnisses?
In den letzten Jahren wurden eine Vielzahl von Schulungen für Mitarbeitende des Kreises Coesfeld und anderer Institutionen aus der Jugend-, Bildungs- und Integrationsarbeit zu unterschiedlichen Diskriminierungsformen angeboten (Antirassismus, Queer-sensible Beratung, Anti-Gewalt-Training, Diskriminierungssensibles und deeskalierendes Handeln). Ziel war und ist es, interkulturelle Kompetenzen zu stärken und zu den verschiedenen Formen von Diskriminierung zu sensibilisieren. Auf diese Weise sollen die Haupt- und Ehrenamtlichen mehr Handlungssicherheit für ihre Arbeit gewinnen.
Hier knüpft auch die eigene Fortbildungsreihe des Kommunalen Integrationszentrum an, die u. a. ein Argumentationstraining gegen rechte Parolen beinhaltet und den Teilnehmenden Wege aufzeigt, wie man auf Alltagsrassismus und Klassismus reagieren kann.
Darüber hinaus stellt der Kreis Coesfeld die Regionalkoordination für die dem Netzwerk „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ angehörenden Schulen im Kreis Coesfeld undsteht diesen unterstützend bei Fragen zur Verfügung. Außerdem ist sie Ansprechpartnerin für Schulen, die dem Netzwerk beitreten wollen und hilft bei den Aufnahmemodalitäten ins Netzwerk. Projekte, die mit Unterstützung der Regionalkoordination stattgefunden haben, waren z. B. Musik- und Videoprojekte mit der RapSchool NRW, Organisation der Ausstellungen #Wasihrnichtseht und „Sichert(e) sich auch unser Land einen Platz an der Sonne? – Der lange Schatten der deutschen Kolonialzeit“ sowie des Theaterstücks Be-Longing (cactus Junges Theater). Auch diese Projekte wurden durch die Landesprogramme #GemeinsamMehrWert sowie POWR! Postkoloniales Westfalen-Lippe des LWL gefördert. Zudem ist es im Kreis Coesfeld möglich gewesen, mit den zur Verfügung stehenden Fördermitteln Projekte in den kreisangehörigen Städten und Gemeinden zu unterstützen, die darauf abzielen, jungen Menschen eine Stimme zu geben, ihr politisches Interesse zu wecken und so direkt zur Förderung des Demokratieverständnisses beizutragen. Formate wie beispielsweise „Pizza und Politik“, in welchem Bürgermeisterinnen und Bürgermeister die jungen Menschen in ihrer Kommune zum Essen einladen, bieten eine direkte Austauschplattform zwischen Kindern und Jugendlichen zur kommunalpolitischen Spitze.
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Esther Hatebur Quelle: Kreis Coesfeld |
Detlef Schütt |