Demokratie als Schwerpunktthema: Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises setzt wichtiges Zeichen

07. Januar 2025: Von Alexandra Lingk, Regionales Bildungs-, Kultur- und Sportbüro, Rhein-Sieg-Kreis

Als „kulturelle Visitenkarte“ verfolgt das Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises die Intention, Geschichte und Geschichten aus der Heimat zu erzählen. Jede Ausgabe ist dabei einem speziellen Schwerpunktthema gewidmet. Das Jahrbuch 2025 geht unter dem Titel „Demokratie im Rhein-Sieg-Kreis – Von Begegnungen und Mitgestaltung“ auf unterschiedliche Aspekte des demokratischen Zusammenlebens der Menschen in den 19 Städten und Gemeinden des Rhein-Sieg-Kreises ein. Es beschreibt einerseits, wie facettenreich sich das Gesicht der Demokratie zeigen kann und andererseits, welche Aktivitäten und Maßnahmen ergriffen wurden und werden, um ein vielfältiges, gewaltfreies und in jeder Hinsicht demokratisches Miteinander zu stärken.

Schule als Ort für Demokratieförderung
Schule ist ein Ort, an dem Demokratie immer wieder neu erlernt und gelebt werden kann. Dort gibt es unzählige Möglichkeiten, junge Menschen zu erreichen. Im Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises kommen beim aktuellen Schwerpunktthema „Demokratie“ daher auch Lehrkräfte zu Wort, die in mehreren Beiträgen darüber berichten, wie sich Demokratie und ein ausgeprägtes Verständnis für demokratische Werte an Schulen etablieren lassen.


Präsentation des Jahrbuchs mit Landrat Sebastian Schuster (vorn, 1.v.l.).
Quelle: Rhein-Sieg-Kreis

Beispielhaft sei hier das Carl-Reuther-Berufskolleg in Hennef angeführt. Seit Mai 2018 ist diese gewerblich-technische Bündelschule des Rhein-Sieg-Kreises als Lernort für junge Menschen mit unterschiedlichsten schulischen Hintergründen Teil der bundesweiten Initiative „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Schulpfarrerin Eva Zoske-Dernóczi leitet die sogenannte Courage-AG, eine Institution im Schulbetrieb, die sich für demokratische Werte und gegen jegliche Form von Diskriminierung stark macht. Mehrfach im Jahr werden durch diese Arbeitsgemeinschaft wichtige Impulse gesetzt. Gemeinsam mit Studienrätin Argjenta Jashari hat Eva Zoske-Dernóczi für das Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises zusammengefasst, wie sich „demokratische Werte an Schulen (er)leben“ lassen.

Eine „Schule mit Courage“ zu sein, beinhaltet auch, sich gegen totalitäre und demokratiegefährdende Ideologien aufzustellen. Zu den vielfältigen Aktivitäten, die seitens der Courage-AG bislang initiiert wurden, gehörte beispielsweise ein Projekttag zum Thema „Menschenwürde“, an dem aus verschiedenen Blickwinkeln die Bedeutung der Menschenrechte verdeutlicht und Impulse für einen guten Umgang mit Mitmenschen gegeben wurden. Auch sensible Themen wie Ehrenmord und Femizid wurden in Gesprächsrunden behandelt und darüber hinaus Workshops angeboten, in denen Vereine und Institutionen ihre Arbeit für marginalisierte Gruppen vorstellen konnten. Regelmäßig gibt es zum sogenannten Orange Day – dem Internationalen Tag gegen Diskriminierung und Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen – Aktionen, die für das Thema sensibilisieren sollen. Darüber hinaus unterbreitet die Schule Angebote wie Selbstverteidigungskurse oder auch Workshops gegen rechte Parolen. Außerdem verfolgt man das Ziel, durch Begegnungen, zum Beispiel im Rahmen des Projektes „Meet a Jew“, Extremismus vorzubeugen.

Demokratie im Unterricht
Am Carl-Reuther-Berufskolleg gibt es zudem spezielle Unterrichtsreihen, welche die politische Handlungs- und Urteilskompetenz der Schüler fördern sollen. Dies geschieht unter anderem, indem die jungen Menschen verschiedene Perspektiven einnehmen, entsprechende Argumentationslinien erarbeiten, in einer dialogischen Auseinandersetzung glaubhaft vertreten und damit zum „Sehen mit den Augen des anderen“ angeregt werden.

Neben gesellschaftskritischen Diskursen geht es auch in unterschiedlichen Formaten um Themen wie Fake News, Verschwörungstheorien, Werte und Normen und den Umgang mit den neuen Medien. Die Schülerschaft nimmt überdies aktiv an Juniorwahlen teil und wird zuvor intensiv darauf vorbereitet. Wer sich auf eine solche Weise Wissen aneignet und sich eine Meinung bildet, erlebt Demokratie und lernt, Verantwortung zu übernehmen.


Besuch des Landtages in Düsseldorf.
Quelle: Rhein-Sieg-Kreis

Die engagierten Lehrkräfte am Carl-Reuther-Berufskolleg sind sich einig, wie wichtig es auch in Zukunft sein wird, „mit vielen Akteuren aktiv gegen Hass und Falschinformationen vorzugehen und mit abwechslungsreichen Projekten für positive Werte einzustehen.“

„Wir sind eine Schule in Europa“
Am Berufskolleg des Rhein-Sieg-Kreises in Bonn-Duisdorf geht es ausdrücklich immer wieder um den Wunsch, Grenzen zu überwinden. Damit der Wunsch Realität wird, werden in dieser zertifizierten Europaschule die dazu benötigten Kompetenzen im sprachlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich besonders gefördert. Dazu tragen vielfältigen Angebote mit einer europäischen Perspektive – beispielsweise Praktika, Schüleraustausch, Sprachprogramme und Sprachzertifikate – bei.

Das pädagogische Handeln ist geprägt von einer europäischen, weltoffenen Sichtweise, und bei der täglichen Arbeit ist der europäische Gedanke immer präsent.

Schulleiter Dirk Thomas und EU-Koordinatorin Claudia Franzen schildern in ihrem Jahrbuchbeitrag die Anstrengungen, die zum Ausbau einer europäischen Identität unternommen wurden. Bereits im Jahr 2010 wurde hier die Vision entwickelt, Kräfte zu bündeln, um den europäischen Gedanken im Schulleben stärker auszubauen und damit die Schülerschaft auf ein Leben und Arbeiten in einem geeinten, demokratischen Europa mit den damit verbundenen Werten vorzubereiten. „Wir sind eine Schule in Europa – weltoffen und neugierig“, lautet heute das Selbstverständnis dieses Berufskollegs.


Wimmelbild des Berufskollegs Bonn-Duisburg.
Quelle: Rhein-Sieg-Kreis

Rhein-Sieg-Kreis als „Wiege der Demokratie“
Auf dem Gebiet des heutigen Rhein-Sieg-Kreises gibt es einige bedeutsame Orte der Demokratiegeschichte. In Bad Honnef-Rhöndorf steht mit Adenauers früherem Wohnhaus die Wiege der Demokratie. Hier wurden die Weichen gestellt, die die Geschicke der jungen Bundesrepublik Deutschland entscheidend bestimmten. Das beschreibt im Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises Stephan Eisel, ehemaliges Mitglied des Deutschen Bundestags, auf anschauliche Weise. In einem weiteren Beitrag wird im Jahrbuch auf die Bedeutung des Petersbergs hingewiesen: Dort trat 1949 mit dem Petersberger Abkommen der erste Vertrag der neuen Bundesregierung in Kraft. Der Historiker Elmar Scheuren skizziert die Umstände zu diesem feierlichen Akt für den demokratischen Neubeginn, der den Weg hin zu internationaler Anerkennung ebnete.

Doch nicht nur auf bedeutsame Orte, auch auf herausragende Persönlichkeiten an Rhein und Sieg, die sich für die Demokratie stark gemacht haben, wird der Blick gelenkt. Insgesamt werden in 25 Beiträgen von 30 Autorinnen und Autoren besondere Begegnungen von Menschen im Zusammenhang mit Demokratie dokumentiert und vielfältige Möglichkeiten von Mitgestaltung aufgezeigt. Das Jahrbuch setzt damit in dieser unruhigen Zeit ein wichtiges Zeichen.


Alexandra Lingk
Quelle: Privat