Biodiversitätsstrategie des Kreises Lippe: 130 Ziele für die ökologische Vielfalt

25. April 2024: Von Jürgen Braunsdorf, Untere Naturschutzbehörde, und Pressereferentin Karolina Schmidt, Kreis Lippe

Der Kreis Lippe hat seit 2019 eine eigene Biodiversitätsstrategie. Der Erstellungsprozess wurde mit der ersten „Lippischen Artenschutzkonferenz“ gestartet, in deren Folge über 100 verschiedene Akteure in diversen Arbeitsgruppen 130 Ziele und Maßnahmen zur Förderung und zum Erhalt der biologischen Vielfalt Lippe festgelegt haben. Das politisch beschlossene Programm heißt „Lippes lebendige Vielfalt“. Dazu zählt beispielsweise das Naturschutzgroßprojekts Senne und Teutoburger Wald. 2023 haben die Akteure auf der zweiten „Lippischen Artenschutzkonferenz“ den Status Quo der darin entwickelten Ziele und Maßnahmen überprüft und den aktuellen Entwicklungen angepasst.

„Lippes lebendige Vielfalt“ soll die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren im Kreis Lippe fördern. Auf 184 Seiten hat der Kreis Lippe zusammen mit vielen weiteren Akteuren, wie beispielsweise der Biologischen Station, dem Landesverband Lippe, den Naturschutzverbänden, Heimatvereinen oder weiteren Zusammenschlüssen aus Forstwirtschaft, Fischerei oder Imkern, Ziele und Maßnahmen formuliert.
„Mit der Biodiversitätsstrategie haben wir viele Interessensgruppen in konstruktiven Arbeitskreisen zusammengebracht. Dieser synergetische Fokus auf den Umwelt- und Artenschutz im Kreis Lippe ist mir ein sehr wichtiges Anliegen“, sagt Landrat Dr. Axel Lehmann. „Lippe ist eine ländliche Region. Wir haben hier viele und große Lebensräume für die Tiere und Pflanzen. Zum Beispiel Auen oder Dünenlandschaften. Damit geht die Verantwortung einher, diese zu schützen. Diesen Schutz zu strukturieren und in konkreten Maßnahmen zu formulieren, ist ein sehr wichtiger Schritt, um unsere ökologische Vielfalt langfristig zu erhalten“, sagt er.


Die Bergheide von der Hohen Warte in Berlebeck im August 2023.
Quelle: Kreis Lippe

 Die Biodiversitätsstrategie zum Schutz der Artenvielfalt in Lippe ist ein Projekt der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Lippe. „Inhaltlich werden in dem Papier im Wesentlichen die Handlungsfelder Agrarlandschaft, Gewässer, Wälder, besiedelte Bereiche und Sonderbiotope behandelt und jeweils Zielarten hierfür angeführt. So können wir die verschiedenen Lebensräume isoliert betrachten und passgenaue Erkenntnisse gewinnen und dementsprechend planen und umsetzen“, sagt Daniel Telaar, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Lippe.
Ein Best-Practice-Beispiel ist der Schutz des Rotmilans im Kreis Lippe: Er wurde als „Symbol für Lippes Artenvielfalt“ gleichsam zum Wappenvogel und zu einer Erfolgsgeschichte bei der Unteren Naturschutzbehörde. Der Rotmilan symbolisiert aufgrund seiner Lebensraumansprüche die für Lippe charakteristische vielfältige Kulturlandschaft mit einem strukturreichen Mosaik aus Acker, Grünland und Wald. Mit rund 90 Brutpaaren stellt der Kreis Lippe eines der bedeutenden Brutvorkommen in NRW dar. Vorbildhaft bei diesem Projekt ist die Zusammenarbeit der Unteren Naturschutzbehörde mit der Universität Bielefeld, der Biologischen Station Lippe, dem ehrenamtlichen Naturschutz („Rotmilanfreunde“, Naturschutzbund) und weiterer Institutionen. Mit dem Projekt stellt sich der Kreis Lippe auch als Genehmigungsbehörde aktiv den Auswirkungen durch den von ihm ebenfalls priorisierten Ausbau der Windkraftnutzung.
Das Naturschutzgroßprojekt Senne und Teutoburger Wald ist ein Hotspot der Biodiversität. Der Naturraumkomplex Senne und Teutoburger Wald wurde vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) aufgrund seiner bundesweiten Einmaligkeit zu einem der insgesamt 30 Hotspots der biologischen Vielfalt in Deutschland erklärt. Diese „Schatzkästen der Natur“ (BfN 2015) zeichnen Regionen in Deutschland aus, die eine besonders hohe Dichte und Vielfalt charakteristischer Lebensräume, Arten und Populationen aufweisen.


Auch im Winter fühlen sich die Rinder im Naturschutzgroßprojekt Senne und Teutoburger Wald sehr wohl.
Quelle: Kreis Lippe

 Die historische Kulturlandschaft mit ihren Heiden, Sand- und Kalkmagerrasen soll durch Beweidung erhalten werden. Die ebenfalls zur alten Kulturlandschaft gehörenden Sandäcker sollen dagegen durch eine spritzmittelfreie Bewirtschaftung unter minimalem Einsatz von Wirtschaftsdünger entwickelt werden. Um die neu entstehenden Landschaften für die Bevölkerung erlebbar zu machen, wurden in der zweiten Phase zudem Möglichkeiten zum Naturerleben geschaffen und werden stets weiterentwickelt.
Das Projekt wird unter der Federführung des Kreises fortgeführt und perspektivisch zusammen mit dem Archäologischen Freilichtmuseum ,Flächen der NRW Stiftung und der Klimaerlebniswelt zum „UrLand“ erweitert. Die Senne soll aus Sicht des Kreises ein Lebensraum seltener Pflanzen und Tiere bleiben.
Auch kleinere Projekte sind in der Biodiversitätsstrategie des Kreises formuliert. So etwa die Neuschaffung von Lebensräumen: Mit den lippischen Kommunen ist die Fortsetzung des Bündnisses „Blühende Landschaft Lippe“ geplant, das vielerorts beispielhafte Blühzonen schafft. Zudem sollen durch geänderte Mährhythmen blütenreichere Straßen- und Wegränder ermöglicht werden. Amphibien profitieren von neu angelegten Kleingewässern und mobilen Schutzzäunen an Straßen. Diese Tiergruppe ist besonders vom Klimawandel gefährdet.
Außerdem erhielten Schulneubauten artenreiche heimische Bepflanzung an den Außenanlagen, und es wurde großflächig Vogelschutzglas verbaut. Blühflächen sollen statt artenarmen Rasen angelegt und weniger intensiv unterhalten werden. Im Rahmen des Wettbewerbs „Naturstadt – Kommunen schaffen Vielfalt“ konnte mit einem der vom Bund ausgelobten Preisgelder der Klinikpark in Lemgo biodiversitätsfreundlich umgestaltet werden.
„Die vielen Beispiele zeigen, wie vielfältig sich der Kreis Lippe für den Umwelt- und Artenschutz einsetzt. Besonders hervorzuheben ist, dass die Strategie mit ihren vielen Maßnahmen gemeinsam mit über 60 meist ehrenamtlich Aktiven aus Kommune, Naturschutz oder Land- und Forstwirtschaft, oft Spitzenvertreter, in vielen AG Sitzungen über mehrere Monate entwickelt worden ist, also auf breiter Basis steht. Das ist es etwas Besonderes und allen Aktiven gebührt hierfür großer Dank“, sagt Dr. Ute Röder, Verwaltungsvorstand beim Kreis Lippe. „Wir möchten als gutes Beispiel voran gehen und den Schutz der biologischen Vielfalt gemeinsam anpacken. Und vor allem mit Maßnahmen umsetzen aber auch aktuellen Entwicklungen wie den Klimawandel anpassen. Darum war die zweite ‚Lippische Artenschutzkonferenz‘ so wichtig“, ergänzt sie.


Gast bei der 2. Artenschutzkonferenz des Kreises Lippe: NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Mitte). Landrat Dr. Axel Lehmann (links), Verwaltungsvorständin Dr. Ute Röder, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde Daniel Telaar und Fachgebietsleiter Umwelt, nachhaltige Entwicklung und Mobilität Olrik Meyer thematisierten den Status Quo der Ziele und Maßnahmen der Biodiversitätsstrategie.
Quelle: Kreis Lippe

Bei der Konferenz Anfang 2023 lobte NRW-Umweltminister Oliver Krischer das hohe Engagement des Kreises und stellte die Bemühungen um den Lebensraum- und Artenschutz auf eine Ebene mit dem Klimaschutz. Der Klimawandel, als Beispiel seien sterbende Fichten oder austrocknende Gewässer genannt, zeigt die Untrennbarkeit von Klima- und Naturschutz, bei welcher regionale Ansätze und Motivation einen sehr wichtigen Grundstein legen.
Vernetzung ist hier häufig der Schlüssel erfolgreicher Arbeit und so trat der Kreis Lippe im Zuge des Strategiebeschlusses auch dem „Bündnis Kommunen für biologische Vielfalt e.V.“ bei, in dem zum Jahresende 2023 mehr als 380 Kommunen beigetreten sind und auch zunehmend Landkreise mitwirken. Hierfür wirbt der Kreis Lippe auch bei seinen 16 kreisangehörigen Städten und Gemeinden, denn viele gute Ideen können hier unmittelbar ausgetauscht und deren praktische Umsetzungen vorgestellt werden.

Hintergrund
Im Jahr 2007 hat die Bundesregierung ihre Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) vorgelegt, die auf entsprechende Vereinbarungen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) der Vereinten Nationen im Jahr 1992 zurückgeht. Auf Landesebene folgte 2015 die NRW-Strategie und erste Modellkommunen entwickelten Verfahren, um das Thema auch auf örtlicher Ebene mit Leben zu füllen.
Auch der Kreis Lippe war der Überzeugung, dass gerade auf der kommunalen Ebene ein hohes Umsetzungspotential für natur- und artenfördernde Maßnahmen besteht und dass viele übergeordnete Ziele hier die wesentlichen Akteure erreichen und mitnehmen kann. Nach einem dementsprechenden partizipativen Aufstellungsprozess wurde nach 21 Monaten Ende 2019 „Lippes lebendige Vielfalt“ vom Kreistag beschlossen.

Jürgen Braunsdorf
Quelle: Kreis Lippe
Karolina Schmidt