Besucherlenkung in der StädteRegion Aachen - Zeitgemäße Strategien gegen Overtourism in Zeiten von Corona
Zeitgemäße Strategien zur Lenkung und Entzerrung von Besucherströmen spielen auch für die StädteRegion Aachen eine wichtige Rolle, um einen nachhaltigen und verträglichen Tourismus zu fördern. Der vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie abgeleitete Bedeutungsgewinn des lokalen Tourismus, hat in den vergangenen Jahren vor allem zu Stoßzeiten an attraktiven Ausflugszielen innerhalb der StädteRegion Aachen häufig zu Überlastungen durch Besucherinnen und Besucher geführt. Um dem zukünftig präventiv entgegenzuwirken, sind belastbare Daten, auf deren Basis das Aufkommen und Verhalten von Gästen abgeleitet werden können, unabdingbar. Auch Strategien wie beispielsweise das durch digitale Kommunikationskanäle ermöglichte flexible Umleiten von Gästen auf alternative, weniger überlastete Routen sind bereits erfolgsversprechend. Zukünftig möchte die StädteRegion Aachen sich außerdem vermehrt dem Thema Echtzeit-Monitoring widmen.
Die Entwicklung seit der Corona-Pandemie
Insbesondere seit der weltweiten Ausbreitung von COVID-19 zu Beginn des Jahres 2020 und den damit einhergehenden Reisevorschriften und -beschränkungen für Reisen außerhalb Deutschlands, hat der lokale Tourismus zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die Sehnsucht nach Erholung in der heimischen Natur und das stetig wachsende Interesse an einem Naturerlebnis „vor der eigenen Haustür“ sind dabei charakteristisch für die Entwicklung der letzten zwei Jahre. Auch Tagesausflüge konnten in diesem Zusammenhang hohe Zuwachsraten verzeichnen. So stieg Erhebungen des ADFC zufolge beispielsweise die Anzahl der Tagesausflüge mit dem Fahrrad im Jahr 2020 um 41% gegenüber dem Vorjahr an. Außerdem werden immer mehr Tagesausflüge direkt vom Wohnort aus unternommen: Lag der Anteil 2019 noch bei 54 Prozent, so ist er im Jahr 2020 bereits auf 65 Prozent gestiegen. Es ist davon auszugehen, dass der Trend zu wohnortnahmen Aktivtourismus sich auch mit Abklingen der Corona-Pandemie weiter fortsetzen wird, denn neben den pandemiebedingten Einschränkungen sind auch das immer stärker werdende ökologische Bewusstsein sowie weitere externe Einflüsse wie der demografische Wandel oder hohe Benzinpreise Wachstumstreiber dieser Entwicklung.
Per se sind dieser Entwicklung durchaus einige positive Aspekte abzugewinnen: Durch die wiederaufblühende Nachfrage nach Naherholungsreisen und -ausflügen kann die lokale Wirtschaft sowie der jeweilige Lebensraum gestärkt und der Standort attraktiviert werden, gleichzeitig werden Natur und Umwelt auf globale Sicht im Vergleich zu meist stark CO2 emittierenden Fern- bzw. Flugreisen geschont. Eine steigende Gästenachfrage wird somit insgesamt von touristischer Seite sehr begrüßt.
Auf der anderen Seite führt das wachsende Interesse nach der heimischen Natur und der hieraus resultierende Besucherandrang, insbesondere wenn dieser nicht geregelt abläuft, oftmals zu Überlastungen der touristischen Infrastrukturen (Parkplätze, Wanderwege, Radwege etc.) und starken Belastungen ökologisch sensibler Schutzgebiete, was man innerhalb der StädteRegion Aachen in den vergangenen zwei Jahren an gefragten Ausflugszielen wie beispielsweise dem Rursee oder in attraktiven Schutzgebieten, wie dem Nationalpark Eifel oder dem Hohen Venn beobachten konnte. Sowohl im Sommer, insbesondere an Wochenenden, als auch im Winter an den Schneetagen, wurde die Aufnahmekapazität dieser sogenannten „Hot Spots“ häufig überschritten. So musste beispielsweise die Struffelroute als Partnerweg des Eifelsteigs im letzten Jahr für mehrere Monate komplett gesperrt werden, um sich von den Belastungen des hohen Besucheraufkommens regenerieren zu können. Hierdurch wird deutlich, dass nachhaltige Strategien zur Lenkung von Besucherströmen im Tourismus zunehmend zur Schlüsselrolle für einen geregelten, verträglichen und nachhaltigen Tourismus werden und notwendig sind, um „Overtourism“ – also der Problematik, dass ein beliebtes Reiseziel oder eine Sehenswürdigkeit von Touristen so überlaufen wird, dass daraus negative Folgen für die Umwelt und die ansässige Bevölkerung entstehen - erfolgreich entgegenzuwirken.
Besucherlenkung als individuelle Herausforderung
Doch wie können nachhaltige Strategien zur Besucherlenkung konkret aussehen? Eine Universalantwort auf diese Frage gibt es nicht. Zu unterschiedlich sind die verschiedenen touristischen Regionen, zu verschieden deren Angebote und Zielgruppen und somit auch die Herausforderungen, mit denen sich die jeweiligen Regionen konfrontiert sehen. Darüber hinaus sind die gewählten Strategien und daraus abgeleiteten Methoden zur Besucherlenkung auch immer abhängig von deren Zweckmäßigkeit und den zur Verfügung stehenden Ressourcen sowie den räumlichen Gegebenheiten. Ziel einer gelungenen Besucherlenkungsstrategie sollte daher immer eine Harmonisierung von Angebot und Nachfrage sein, die im Einklang mit der Natur und der heimischen Bevölkerung steht, und den Gästen dennoch eine möglichst hohe Erlebnisqualität bietet.
Belastbare Daten als Grundlage
Um Besucherlenkung zukünftig nachhaltig und erfolgreich zu gestalten, ist es in einem ersten Schritt notwendig, Besucherströme und deren Verhalten kennenzulernen und zu verstehen. Im Zuge dessen ist es unabdingbar, belastbare Daten über das touristische Besucheraufkommen in der eigenen Region zu erfassen, auf Grundlage derer dann anschließend z. B. Hot Spot-Analysen in Form eines Monitorings durchgeführt werden können. Die Relevanz dieses Thema zeigt sich auch in der Tourismusstrategie des Landes NRW. Eine zentrale Forderung der neuen touristischen Landesstrategie „Vernetzt, Digital, innovativ“ lautet: Tourismus in Nordrhein-Westfalen muss fundierter werden. Im Bereich der öffentlichen touristischen Infrastruktur, für die in erster Linie Landkreise und Kommunen zuständig sind, fehlt derzeit eine solide Datenbasis, auf deren Grundlage eine optimierte Infrastruktur- und Angebotsentwicklung sowie Besucherlenkung abgeleitet werden kann. Eine automatisierte Erfassung findet flächendeckend aktuell nicht statt, sodass Zahlen hinsichtlich der Nutzungsintensität/Frequentierung von Wegen und Sehenswürdigkeiten häufig auf groben Schätzungen basieren und kaum belastbar sind.
Innerhalb der Tourismusförderung der StädteRegion Aachen ist man sich jedoch der Relevanz dieser Daten bewusst, weswegen man nun sowohl in aktuell bereits laufenden Projekten als auch zukünftigen aktivtouristischen Projekten qualitativ wie auch quantitativ versucht, das Thema Monitoring insbesondere an den touristischen Leitinfrastrukturen stärker anzutreiben. In diesem Zusammenhang wurden im letzten Jahr unter anderem auf der Fahrradstrecke von Roermond bis Luxemburg und auf dem RurUfer-Radweg 13 Zählstellen installiert, die belastbare Daten und Analysen über die dortigen Besucherströme liefern. Qualitativ ergänzt wurden die anhand der Daten gewonnenen Erkenntnisse durch eine qualitative Untersuchung in Form von Gästebefragungen entlang der Strecke.
Auch in verschiedenen aktuellen Projektinitiativen zum Thema Wandern findet der Aspekt der Besuchererfassung bereits Berücksichtigung, in deren Rahmen die Installation von Zählstellen entlang der touristischen Leitinfrastrukturen eingeplant wurde. Ziel ist es, belastbare Daten zu Frequentierung von Teilabschnitten, Zusammensetzung der Nutzergruppen, Ausflugszweck etc. zu sammeln und somit die Grundlagen für eine optimierte touristische Infrastruktur- und Angebotsentwicklung, einer passgenaue Zielgruppenansprache sowie einer gezielte Besucherlenkung zu schaffen.
Priorisierung von Leitinfrastruktur
Eine weitere Strategie, um dem Overtourism innerhalb der StädteRegion Aachen entgegenzuwirken, besteht darin, neben den ausgewiesenen, qualitativ hochwertigen Premiumwegen eine zweite Ebene an attraktiven Wegen zu identifizieren, die in erster Linie weniger stark nach außen vermarktet werden sollen, aber im Falle von auftretenden Überlastungen durch gezielte Kommunikation im Sinne von Geheimtipps als Ausweichangebote für eine Besucherlenkung und somit Entzerrung des Gästeaufkommens durch bessere räumliche Verteilung der Gäste führen. Dies geschieht zum einen über die digitalen Kommunikationswege der städteregionalen Tourismusorganisationen, die sich in erster Linie an Gäste von außerhalb wendet, auf der anderen Seite aber auch über die Kommunikationskanäle der StädteRegion Aachen, die sich verstärkt auf die heimische Bevölkerung fokussiert. Grundsätzlich sollen sich diese Wege im Sinne des Lebensraummanagements in ihrer Ausrichtung und Kommunikation stärker an den Bedürfnissen der in der StädteRegion Aachen lebenden Bevölkerung orientieren, sodass das durch Overtourism erhöhte Konfliktpotenzial zwischen Touristen und der einheimischen Bevölkerung weiter reduziert werden kann.
Besucherlenkung hat noch Potenzial
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die StädteRegion Aachen in enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit den Tourismusorganisationen der Region zwar bereits erste Strategien für eine zeitgemäße Besucherlenkung umsetzt, hier aber auch noch viel Potenzial vorhanden ist. Vor allem durch die fortschreitende Digitalisierung bieten sich hier zukünftig immer mehr Möglichkeiten. So besteht das mittel- bis langfristige Ziel der StädteRegion Aachen darin, im Idealfall ein Echtzeitmonitoring von Hot Spots und deren zugehörigen Infrastrukturen wie beispielsweise Parkplätzen zu erreichen, sodass Besucherströme bei Kapazitätsauslastungen schnell umgeleitet werden können, die Besucher und Besucherinnen sich zukünftig aber auch selbst über die Auslastung an ihrem geplanten Ausflugsziel informieren können. Übergreifendes Ziel zukünftiger Planungen im Bereich der Besucherlenkung ist außerdem, sicherzustellen, dass sowohl die Gäste als auch die einheimische Bevölkerung unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte eine möglichst hohe Aufenthalts- und Erlebnisqualität innerhalb der StädteRegion Aachen erfahren können und noch möglichst lange die landschaftlichen Besonderheiten und Schönheiten der Region genießen können.
Laura Bauer Quelle: StädteRegion Aachen |
Michael Lock |