Bericht zum 10. OWL-Integrationskongress – neue Wege im digitalen Format
Der OWL-Integrationskongress ist mittlerweile eine traditionsreiche Veranstaltung in der Region Ostwestfalen-Lippe. Bei jeweils wechselnder Hauptverantwortung der sechs Kreise und der kreisfreien Stadt Bielefeld in OWL, stets in Kooperation mit der Bezirksregierung Detmold und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, finden die Fachveranstaltungen seit Jahren großen Zuspruch bei den vielfältigen Akteuren kommunaler Integrationsarbeit. Mit inhaltlichen Impulsen im Themenfeld Migration und Teilhabe bringt er so Vertreterinnen und Vertreter aus Kommunen, Gesellschaft und Politik für Austausch und Vernetzung zusammen.
Am 23. Juni 2022 richtete der Kreis Gütersloh den 10. OWL-Integrationskongress aus. Unter dem Titel: „OWL integriert! Teilhabe von zugewanderten Menschen. Sprache – Bildung – Arbeit“ fand der OWL-Integrationskongress in diesem Jahr zum ersten Mal weitgehend im digitalen Raum statt. Rund 300 Teilnehmende trafen online zusammen. Damit begab sich der Kongress auf neue – nun virtuelle – Wege: Über eine webbasierte Konferenzplattform konnten Teilnehmende durch die Veranstaltung navigieren. Neben den beiden digitalen Fachvorträgen von Prof. Dr. Herbert Brücker und Prof. Dr. El-Mafaalani lieferten die sieben virtuellen Foren vor der Mittagspause spannende Inputs und Austauschmöglichkeiten. Eine digitale Lounge bot während des gesamten Veranstaltungstags die Möglichkeit, auch im Online-Format in den Pausenzeiten mit anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu plaudern. Eine Graphic Recorderin begleitete die Veranstaltung in virtueller Form, sodass Teilnehmende die entstehenden Visualisierungen parallel in der eigenen Zoom-Kachel verfolgen konnten. Für Auflockerung sorgte ein digitales Impro-Theater: Durch Stichworte aus Vorträgen und vom Publikum über den Chat inspiriert improvisierten die Schauspielerinnen und Schauspieler humorvolle Szenen und Lieder aus dem Stegreif. Durch die Veranstaltung führte die Moderatorin Beate Kowollik.
Die Veranstaltung startete mit Grußworten der beteiligten Institutionen. Frau Kreisdirektorin Susanne Koch machte für den verantwortlich ausrichtenden Kreis Gütersloh zunächst deutlich, dass angesichts der aktuellen geopolitischen Situation, die sich sehr direkt auch auf unsere Region mit den aus der Ukraine hier schutzsuchenden Menschen auswirkt, unsere Thematik der Integration und Teilhabe aktueller denn je sei. Staatssekretärin Gonca Türkeli-Dehnert (MKFFI) griff daraufhin die Themen des Kongress-Titels auf: „Sprache, Bildung und Arbeit: Ohne diese drei Vorrausetzungen können die Menschen nicht am gesellschaftlichen Leben partizipieren.“ Die Regierungspräsidentin der Bezirksregierung Detmold, Marianne Thomann-Stahl, hob hervor, dass Integration vor Ort geschehe und lobte das starke Netz von Beteiligten und Institutionen in Ostwestfalen-Lippe. Besonders betonte sie hier die Relevanz der Kommunalen Integrationszentren. Abschließend unterstrich Volker Mäulen, Abteilungspräsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die Wichtigkeit der gemeinsamen, koordinierten Arbeit vor Ort aller Stakeholder als entscheidende Säule gelingender Integration.
In der sich anschließenden Podiumsdiskussion kamen die Sichtweisen aus Kommune, Wissenschaft, Stiftung, freier Wohlfahrtspflege und Migrantenselbstorganisation zusammen. Dabei machte die Podiumsdiskussion auf die aktuellen Herausforderungen vor Ort aufmerksam und zeigte auf, dass die Zusammenarbeit und Vernetzung der verschiedenen Akteurinnen und Akteure sowie transparente Strukturen vor Ort zu den erfolgsversprechenden Faktoren in der Integrationsarbeit zählen.
Hauptvortrag „Krieg in der Ukraine: Folgen für Migration und Integration“
In dem I. Hauptvortrag des Kongresses von Prof. Dr. Herbert Brücker (IAB/BIM) stand das aktuelle Thema „Krieg in der Ukraine: Folgen für Migration und Integration“ im Mittelpunkt. Prof. Dr. Brücker thematisierte die Dynamiken der Fluchtmigration, die Integrationsvoraussetzungen der geflüchteten Menschen aus der Ukraine und die aktuellen Integrationspolitiken. Auch zeigte er die Ungewissheit auf, die mit der aktuellen Migrationsbewegung einhergeht. Wie lange dauert der Krieg? Wie viele Menschen werden in die Ukraine zurückkehren? Wie viele werden bleiben? Kommen Familienmitglieder nach? Ungewissheit erschwere die Integration, senke beispielsweise den Anreiz, die Sprache zu erlernen. Darüber hinaus betonte Prof. Brücker, dass die Betreuungsfrage gelöst werden müsse, damit die Integration gelinge und die oftmals hochqualifizierten Frauen überhaupt ins Erwerbsleben starten könnten. Es müsse möglich sein, Hilfskräfte einzusetzen, die nicht den Erzieherberuf gelernt hätten. Sonst scheitere die Betreuungsfrage am fehlenden Personal. Den gesamten Vortrag von Prof. Dr. Brücker können Sie hier im Video (https://youtu.be/QoH2SAJXO7U) anschauen.
Prof. Dr. Herbert Brücker während seines Vortrags.
Dem Vortrag von Prof. Dr. Brücker folgten sieben parallel stattfindende digitale Foren. Aus einem breiten Angebot an Themen konnten sich die Teilnehmenden im Vorfeld für ein Forum anmelden. Hier wurde detaillierter auf aktuelle Herausforderungen im Bildungsbereich, Auswirkungen der Corona-Krise, EU-Zuwanderung, Gelingensbedingungen für Teilhabe in einer inklusiven Gesellschaft sowie zur Einführung und Umsetzung des Landesprogrammes Kommunales Integrationsmanagement (KIM NRW) eingegangen. Eine Mehrzahl an Foren wurde dabei als ‚Talkrunde‘ aus dem Kreishaus Gütersloh gestreamt, sodass eine unmittelbare Kommunikation zwischen Moderation und Expertinnen und Experten der Panels zustande kam.
Hauptvortrag „Bildungsungleichheit in der Migrationsgesellschaft“
Nach einer (digitalen) Mittagspause zeigte Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani (Universität Osnabrück) in seinem Vortrag auf, dass die Bildungschancen eines Kindes maßgeblich von der sozialen Herkunft abhingen und der Migrationshintergrund hierbei sekundär sei. „Armut verdeckt Talent“ brachte es Prof. El-Mafaalani auf den Punkt. Dennoch gäbe es weitere Herausforderungen, denen ausschließlich Kinder mit Migrationshintergrund und neuzugewanderte Schüler*innen gegenüberstehen. Zudem schilderte er bildhaft, dass im Zeitverlauf zwar immer mehr Menschen gesellschaftliche Teilhabe erfahren, jedoch diejenigen Menschen, denen dies nicht gelinge, deutlich schlechter gestellt seien als früher. Resignation und parallelgesellschaftliche Strukturen seien dann die Folge. Der Soziologe plädierte für den Ganztag in Kita und Grundschule. Den Kindern solle alles ermöglicht werden, was in ihrem Umfeld zum Teil nicht möglich erscheine. Dabei sei auch die Elternarbeit besonders wichtig. Den gesamten Vortrag von Prof. Dr. El-Mafaalani können Sie hier im Video (https://youtu.be/Hn-vHcmd5pQ) anschauen.
Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani während seines Vortrags.
Digitale Tools: ‚LineUpr‘ und ‚SpatialChat‘
Der gesamte Kongresstag konnte über die digitale Konferenzplattform ‚LineUpr‘ gesteuert werden. Hier fanden sich Hinweise und direkte Zugänge zu den einzelnen virtuellen Räumen und dem Hauptforum, aber auch Informationen über die Referentinnen und Referenten sowie die Ausrichter des Kongresses. Auch der technische Support war über die Plattform direkt erreichbar.
Graphic Recording zur Podiumsdiskussion von Nadine Roßa.
Quelle: Kreis Gütersloh
Für den informellen Austausch konnten sich die Teilnehmenden in der „digitalen Lounge“ über das Tool ‚SpatialChat‘ zusammenfinden. Das browserbasierte Begegnungsportal bot über die Kamerafunktion die Möglichkeit, sich mit Bild und Ton durch den virtuellen Raum zu bewegen und mit anderen Kongress-Teilnehmenden ins Gespräch zu kommen.
Abschließendes: Eine Fachveranstaltung unter dem Einfluss der Coronapandemie
Die Umsetzung eines großen Kongresses war gerade für ein Kommunales Integrationszentrum als Teil einer Kreisverwaltung vor den Unwägbarkeiten der Coronapandemie und den großen Herausforderungen des ausgebrochenen Ukraine-Krieges herausfordernd. Gleichzeitig kristallisierte sich als klare Erkenntnis heraus, dass derartige moderne Veranstaltungsformate – die man Kommunalverwaltungen leider nicht immer zutraut – eine gute Chance bieten, Unsicherheiten positiv umzudeuten und neue Wege im digitalen Format mutig gehen zu können, wenn Rahmenbedingungen geschaffen werden, auch digital eine gute ‚Kongressatmosphäre‘ zu schaffen.
Anja Kottmann Quelle für alle Bilder: Kreis Gütersloh |
Lena Wittenbrink |
Manuel Erdmeier |